Essen. Die Kosovo-Fluchtwelle nach Deutschland spitzt sich zu. Die Bundespolizei schickt Kräfte an die serbisch-ungarische Grenze - zu Lasten der Präsenz an Bahnhöfen im Revier.
Die Bundespolizei sieht sich schon personell nicht in der Lage, entscheidend zu einem Stopp der Fluchtwelle aus dem Kosovo beizutragen. Auch werde eine Massenabschiebung nicht abschrecken. Es fehle ein politisches Gesamtkonzept, um den armen Ländern an den Außengrenzen der EU zu helfen, sagt Jörg Radek, der Sprecher Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Die ersten 20 deutschen Polizisten werden noch diese Woche an die serbisch-ungarische Grenze reisen, um dort bei der Beobachtung und Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus dem Kosovo zu helfen. Sie werden mit Wärmebildkameras ausgestattet sein. Kann das die Bundespolizei stemmen?
Jörg Radek: Die Bundespolizei ist überlastet, darauf sind wir nicht vorbereitet. Diese Aufgabe platzt in einer Situation, in der wir keine einzige Frau und keinen einzigen Mann übrig haben. Jeder, der dafür herangezogen wird, wird im Inland zum Beispiel bei der Begleitung von Hooligans zu Fußballspielen fehlen. In Nordrhein-Westfalen entblößen wir vor allem die Bundespolizei-Reviere an den Bahnhöfen.
Wie gut sind die Grenzkontrollen?
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Radek: An den Außengrenzen der EU problematisch. Die Balkanstaaten fordern die gleiche Freizügigkeit beim Reisen, wie es sie zwischen Deutschland und Frankreich gibt. Dabei ist das wirtschaftliche Umfeld ein anderes. Auch die Polizei ist dem unterworfen.
Ist sie anfälliger für Korruption?
Radek: Auch das.
Nach wie vor gibt es Überwachungen aber auch innerhalb der EU, zum Beispiel im deutsch-österreichischen Grenzgebiet. Wie wird die Bundespolizei damit fertig?
Radek: Die deutsche Südgrenze ist schon jetzt ein einziges Einfallstor. Die Bundespolizei hat hier Aufgaben vom Freistaat Bayern übernommen, ohne das Personal dafür zu bekommen. Die Bayern haben für ihre Grenzbereiche 800 Leute eingesetzt. Wir müssen das mit 400 machen. Das geht nicht - gerade nicht an einer so gebirgigen Grenze. Da brauchen Sie mehr Manpower. Wir mahnen das lange an. Hinzu kommt, dass wir vor Ort oft die einzige Verwaltung sind, die rund um die Uhr arbeitet. Wir tun Dinge, die eigentlich Sache der Jugendämter sind oder der Gesundheitskontrolle. Es trifft insgesamt eine Verwaltung, die in den letzten Jahren kaputt gespart wurde.
Wie kommen die Kosovo-Flüchtlinge nach Deutschland?
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Radek: Nach den Massenfluchten aus Syrien und über das Mittelmeer hat die Kosovo-Fluchtwelle die Lage seit dem Wochenende noch einmal zugespitzt. Sie kommen in Bussen und Bahnen, nutzen die normalen Verkehrsströme. Was uns Sorge macht: Dahinter stecken Menschenhändler- Organisationen, die sich an diesen Flüchtlingen bereichern, die schon zu Hause mit 60 Prozent Arbeitslosigkeit leben mussten und sich von weniger als zwei Euro pro Tag ernährt haben.
Helfen Massenabschiebungen, wie es teils von Diplomaten verlangt wird?
Radek: Das würde weder eine Abschreckung bewirken noch die Ursachen des Problems beheben. Auch Forderungen, das Bundesamt für Migration personell zu stärken, ändern an der Situation nichts. Obwohl wir als Gewerkschaft der Polizei dies seit langem fordern, fehlt ein Gesamtkonzept der Politik zu dieser Zuwanderung. Diese Länder brauchen eine wirtschaftliche Hilfe, wie sie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg bekommen hat. Eine Art Marshall-Plan. Nur so können neben der wirtschaftlichen Stabilisierung auch funktionierende Staatsstrukturen und lebenswerte Verhältnisse hergestellt werden.