Düsseldorf. . Für die Fitness ist der uralte Schlagabtausch schwer im Mode: Diverse Clubs und Fitness-Studios bieten das oftmals teure Training an. Man kann aber auch in einen klassischen Verein gehen, zum TuS Gerresheim beispielsweise.

Sparen wir uns das Sparring, Sie wissen doch, wie es ausgeht: Am Ende bin ich k.o. Eine Pointe wie ein Schlag in die Magengrube. Und naheliegend, wenn man mit 47 meint, mal eben eine Runde mittrainieren zu können beim TuS Gerresheim.

Beim Breitensportabend versteht sich. Dennoch: Das Schöne ist, fast alle Klischees aus dem Rocky-Film stimmen. Der Verein von 1936 liegt hinter einem Knast, präziser: der Jugendarrestanstalt Düsseldorf. Unten, im Geschäftszimmer neben den Kabinen im Keller, justieren die alten Herren vom Vorstand ihre Hörgeräte und beglückwünschen sich zu ihrem Jugendtrainer, der vielleicht hilft, anzuknüpfen an die guten alten Zeiten, als der Verein Deutsche Meister und Olympiateilnehmer stellte – das war Mitte der 80er. Heute macht der Verein mit 200 Mitgliedern vor allem Jugendarbeit – und eben das Breitensportangebot.

Genug gequatscht, umziehen im Keller und rauf in die Halle – erste Runde. Die ist genauso wie die zweite bis fünfzehnte: im Trab durch die Halle. Doch der Schweißfluss setzt ein und will nimmermehr enden: Trainer Dariusz Zamojduk verschärft die Anweisungen Runde um Runde: Armkreisen, links, rechts, gegenläufig. Wenn er „Eins“ brüllt: Liegestütz machen. Wenn er „Zwei“ ruft: Richtung wechseln. Rückwärts laufen, seitwärts laufen, den Boxergang üben: Linker Fuß vor (als Rechtshänder) und dann mit kleinen Hüpfern vorwä - „Zwei!“. Nein rückwärts! Und gucken, wo der Hinterma-- „Eins!“ Liegestütz! Hochspringen, Knie bis unters Kinn..-- „Zwei!“ also wieder vorwär-- „Eins!“ und runter in den Liegestütz...

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Mit mir schwitzen zwei Dutzend Männer zwischen 20 und 74 und eine Frau. Im Hintergrund läuft US-Rap mittellaut, irgendwann klingt von ferne die Rocky-Fanfare durch einen Song. Hör ich mit halbem Ohr, während ich mich im Sprungseilchen verheddere. Feind seit Grundschulzeiten. „Jeder Fehler: zwei Liegestützen – nee: vier“, ruft der Trainer. Quäle ich meine Puddingarme weiter oder hänge ich weiter im Seilchen? Neben mir grinst ein mittelalter Mann mit Wollmütze: „Tapfer, Meister!“ Und lässt dabei das Seilchen sirren, dass es klingt wie die Mücke im sommerlichen Schlafzimmer.

„Pause!“ Endlich hänge ich nicht mehr im Seilchen. Sondern wir umrunden wieder den Ring, der unbenutzt in der Mitte steht. Dann endlich mal was Schönes: Rückenlage. Aber: Beine hoch und anspannen. Zamojduk geht nicht übers Wasser, sondern über Bäuche. Luft anhalten, gelobt sei, was den Bauch bretthart macht.

Dann: Handschuhe borgen und die Grundlagen lernen: Trainer Zamojduk stellt mir meinen Gegner, Verzeihung: Partner vor. Harald Bembenek ist 73. „Wenn ich boxe, tut mein Rücken nicht weh“, sagt er. Und nimmt die Hände hoch, und ich darf in seine Handflächen schlagen. „Schulter mitnehmen“, ermahnt er mich. „Reichweite und Kraft entscheiden, fester schlagen.“

„Da ungefähr ist deine Leber. Wenn ich die treffe, gehen bei dir die Lichter aus“

Nun ist er dran, rotiert um die Längsachse seines Körpers und bearbeitet meine Hände. Trommelfeuer. Dann dürfen wir uns hinsetzen: Beine ineinander verschränkt. Unterarme vor den Kopf und dazwischen durchlugen: „Immer in die Augen schauen“, sagt er. Und dann schlägt er mich. Also: Er deutet es an: Patsch: rechtes Ohr. Bonk: liebevolle Kopfnuss. Patsch: „Da ungefähr ist deine Leber. Wenn ich die richtig treffe, gehen bei dir die Lichter aus.“

Ich zucke ein wenig, und er lobt meine Reaktion, und irgendwann versuche ich zurückzuschlagen. Die Patscherei nervt einfach. Treffe Unterarme, seine roten Handschuhe und ziemlich viele Luftlöcher. Krönender Abschluss: „Drei Runden freies Sparring.“ Boxen mit so tun als ob. Was auch gut ist, weil wir beide Zähne zeigen, keinen Gebissschutz tragen. Bembenek wischt meine ethischen Überlegungen mit einem Schwinger beiseite: Dass ich erstens keinem wehtun will und zweitens ihm schon mal gar nicht: Wenn er wollte, läge ich eh gleich auf dem Hallenboden.

„Das Tänzeln kommt erst im Ring!“

So spielen wir Boxen. „Nicht tänzeln, das kommt erst im Ring.“ Stehen bleiben, Fäuste abwehren. „Guck dem Gegner in die Augen.“ Bis in die Jugend hat er Wettkämpfe bestritten. Dann hat er ab und zu „blaue Sternchen“ gesehen – und entschieden: Besser, ich gebe meiner Lehrstelle keinen Kinnhaken.

Ab und zu traue ich mich, deute einen Schlag an, riskiere den Konter und ringe nach Luft. Die dritte Runde schenke ich ihm. Faktisches K.o. Die anderen machen zum Schluss noch Zirkeltraining: Boxsack, Sit-Ups mit dem Medizinball, Stepping am Schwebebalken. Und dehnen sich. Ich mache jetzt erst einmal eine Fortbildung: Herr der Ringe lesen.