Essen. Laut einer aktuellen Studie finden Kunststoffteilchen den Weg ins zentrale Nervensystem des Menschen. Was können die Folgen davon sein?

Mikroplastik bezeichnet winzige Kunststoffpartikel mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern, die entweder gezielt hergestellt werden oder durch den Zerfall größerer Kunststoffprodukte entstehen. Noch kleinere Partikel werden als Nanoplastik klassifiziert, deren Durchmesser nur einen Bruchteil der Breite eines menschlichen Haares betragen kann. Eine am Montag in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlichte Studie zeigt, dass diese winzigen Plastikfragmente die Blut-Hirn-Schranke überwinden und in das menschliche Gehirn gelangen können. Das Problem daran: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Konzentration von Mikroplastik im zentralen Nervensystem mit der Zeit zunimmt.

Wissenschaftler bestätigen: Konzentration von Mikroplastik im Körper steigt zunehmend

In den letzten Jahren haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass zahlreiche Kunststoffprodukte, darunter Plastiktüten, Wasserflaschen, Reifen sowie Polyester- und Synthetiktextilien, kleinste Fragmente oder Fasern freisetzen können. Diese Partikel gelangen in die Umwelt, unter anderem in die Luft, in Nahrungsmittel und in Wasserquellen, und können tief in den menschlichen Körper eindringen. Mikroplastik wurde bereits in verschiedenen Geweben und Organen nachgewiesen, darunter der Leber, der Plazenta, dem Blut, den Hoden sowie bestimmten Arterien, die das Herz versorgen.

Im Rahmen einer aktuellen Studie analysierten Forscher 52 Gehirnproben, von denen 28 aus dem Jahr 2016 und 24 aus dem Jahr 2024 stammten. In jeder Probe wurde Mikroplastik nachgewiesen, wobei die Konzentration in den Proben aus dem Jahr 2024 signifikant höher war. Um diesen Trend weiter zu untersuchen, analysierte das Team zusätzliche Gehirnproben aus früheren Jahren bis zurück ins Jahr 1997. Die Ergebnisse bestätigten einen fortschreitenden Anstieg der Mikroplastikbelastung in neueren Proben. Dabei konnte kein Zusammenhang zwischen der Mikroplastikkonzentration und dem Alter der verstorbenen Personen festgestellt werden.

Studie zeigt deutlich: So hoch ist der Anteil von Mikroplastik im menschlichen Gehirn

Matthew Campen, einer der Hauptautoren der Studie und Professor für Toxikologie an der University of New Mexico, betont, dass die Ergebnisse der Untersuchung mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Er weist jedoch darauf hin, dass sich die weltweite Kunststoffproduktion etwa alle zehn bis 15 Jahre verdoppelt, was auf eine stark zunehmende Exposition des Menschen gegenüber Mikroplastik hindeutet. „Der Anstieg der Mikroplastikbelastung in menschlichen Organen um 50 Prozent innerhalb von acht Jahren entspricht genau den Entwicklungen, die wir in der Umwelt beobachten“, so Campen.

Die Forscher schätzten, dass die untersuchten Gehirnproben im Durchschnitt etwa sieben Gramm Mikroplastik enthielten – eine Menge, die in etwa dem Gewicht eines Plastiklöffels entspricht. Sie merkten jedoch an, dass diese Schätzung möglicherweise zu hoch ausfällt, da einige andere Partikel im Gehirn strukturelle Ähnlichkeiten mit Mikroplastik aufweisen und daher fälschlicherweise mit diesem identifiziert worden sein könnten.

Phoebe Stapleton, Professorin für Pharmakologie und Toxikologie an der Rutgers University, die nicht an der Studie beteiligt war, erklärte in einer Mitteilung, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft bereits seit längerer Zeit die Frage untersucht, ob Mikroplastik die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Diese physiologische Barriere dient als Schutzmechanismus des Gehirns gegen potenziell schädliche Substanzen wie Toxine und Viren.

Obwohl bereits zuvor Mikroplastik im Gehirn nachgewiesen wurde, zeigt die aktuelle Studie, dass die Kunststoffpartikel bis in den frontalen Kortex vordringen können. „Diese Untersuchung liefert eindeutige Beweise dafür, dass sich Mikro- und Nanoplastik tatsächlich im menschlichen Gehirn befindet“, so Stapleton. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Gehirn möglicherweise eine höhere Anfälligkeit für Mikroplastik aufweist als andere Organe. Die untersuchten Gehirnproben enthielten eine sieben- bis dreißigfach höhere Mikroplastikkonzentrationen als vergleichbare Proben aus der Leber und den Nieren.

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Demenz und Alzheimer als Folge? Wie sich Mikroplastik im Gehirn auf die Gesundheit auswirkt

Andere Forscher haben anhand von Tierversuchen untersucht, welche Auswirkungen Mikroplastik im Gehirn auf die Gesundheit haben könnte, und dabei besorgniserregende Hinweise gefunden. In einer Studie von Ross und Kollegen und Kolleginnen an der University of Rhode Island wurde Mäusen über einen Zeitraum von drei Wochen Wasser verabreicht, das mit winzigen Polystyrolpartikeln versetzt war – einem Kunststofftyp, der unter anderem in Schaumstoffverpackungen und Joghurtbechern verwendet wird.

Bereits nach dieser kurzen Expositionszeit zeigten die Tiere kognitive Veränderungen, darunter neurologische Auffälligkeiten, die als frühe Anzeichen von Alzheimer interpretiert wurden. Da Mikroplastik auch beim Menschen über Trinkwasser aufgenommen wird – entsprechende Partikel wurden sowohl in Flaschenwasser als auch in Leitungswasser nachgewiesen – werfen diese Ergebnisse wichtige Fragen zu möglichen gesundheitlichen Folgen auf.

Die Forscher merken jedoch an, dass es derzeit verfrüht sei, einen direkten Zusammenhang zwischen Mikroplastik und spezifischen kognitiven Erkrankungen herzustellen, da Demenz durch eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflusst wird. Sie weisen darauf hin, dass Menschen mit Demenz häufig eine geschwächte Blut-Hirn-Schranke aufweisen und eine reduzierte Fähigkeit besitzen, toxische Substanzen aus dem Gehirn zu eliminieren. Daher könnte die hohe Mikroplastikbelastung in menschlichen Gehirnen eher eine Folge neurodegenerativer Erkrankungen wie Demenz oder Alzheimer sein, als deren primäre Ursache.

Die Wissenschaftler betonen, dass das Verständnis der potenziellen Gesundheitsrisiken von Mikroplastik noch in den Anfängen steckt und weitere Untersuchungen erforderlich sind. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeigte, dass das Vorhandensein von Mikroplastik in einer zentralen Arterie mit einem erhöhten Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt assoziiert sein könnte. Dennoch sind weiterführende Forschungen notwendig, um die genauen Zusammenhänge und Mechanismen zu identifizieren.

Ein zentrales Problem stellt die allgegenwärtige Verbreitung dieser Partikel dar, wodurch es schwierig ist, belastbare Kontrollgruppen für wissenschaftliche Studien zu definieren. „Es gibt keine Kontrollgruppen“, erklärt Campen. „Jeder Mensch ist diesen Partikeln ausgesetzt.“

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