Berlin. Viele Menschen schwören bei einer Erkältung auf „Wick MediNait“. Ein Experte sieht allerdings zahlreiche Kritikpunkt – und warnt eindringlich.

Erwachsene sind durchschnittlich zwei bis vier Mal im Jahr erkältet. Eine Erkältung ist lästig, die Nase tropft und der Husten nervt irgendwann nur noch. Frei verkäufliche Medikamente aus der Apotheke versprechen schnelle Abhilfe. Es gibt sogar Präparate, die gleich mehrere Wirkstoffe kombinieren. Ein bekanntes Produkt ist „Wick MediNait“. Der Erkältungssirup wirbt damit, gleich sechs Erkältungssymptome zu lindern und für einen erholsamen Schlaf zu sorgen.

Wie sinnvoll ist das Präparat? Immerhin enthält es 18 Prozent Alkohol und Paracetamol. „Beide Substanzen können die Leber belasten, daher ist deren Kombination, insbesondere bei regelmäßiger Anwendung oder bereits bestehender Lebererkrankung, mit Vorsicht zu genießen“, sagt Dietmar Fischer. Er ist Direktor des Zentrums für Pharmakologie an der Uniklinik Köln.

Bei gelegentlicher und bestimmungsgemäßer Einnahme schätzt er das Risiko durch Alkohol und Paracetamol allerdings für die meisten, sonst gesunden Menschen, gering ein. Eine Sprecherin des Herstellers „P&G Wick Pharma“ antwortet auf Nachfrage, dass der Alkoholgehalt in „Wick MediNait“ vergleichsweise gering sei und bei der empfohlenen Dosierung im gesundheitlich unbedenklichen Bereich liege. Zudem werde die Paracetamol-Dosierung von 600 Milligramm als moderat eingestuft und sollte kaum eine Belastung für die Leber darstellen.

„Wick MediNait“ gut bei Erkältung: Experte sieht mehrere Probleme

Dennoch gibt es Fischer zufolge weitere, schwerwiegendere Bedenken bei dem Medikament. Er sagt: „Die scheinbar unkritische Anwendung von ‚Wick MediNait‘ in der Bevölkerung stimmt mich sogar bedenklich.“

Neben dem Schmerzmittel Paracetamol enthält „Wick MediNait“ noch drei weitere Wirkstoffe. Einer davon ist Ephedrin. Ephedrin wirkt auf das zentrale Nervensystem. Der Stoff erhöht den Blutdruck, steigert die Herzfrequenz und erweitert die Bronchien. Außerdem sorgt Ephedrin dafür, dass die Nasenschleimhaut abschwillt und hilft somit bei einer verstopften Nase.

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Die Wirkung von Ephedrin könne Fischer zufolge insbesondere für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Bluthochdruck oder Schlaganfallrisiko, sehr gefährlich werden. Der Pharmakologe ergänzt: „Zudem kann Ephedrin psychische Nebenwirkungen wie Angstzustände hervorrufen.“ Fischer sehe keine Notwendigkeit, den ganzen Körper mit dem Ephedrin zu belasten, wenn man die Nase auch mit herkömmlichen Nasensprays freibekomme. Nasensprays mit Wirkstoffen wie Xylometazolin wirken laut Fischer gezielt auf die Schleimhäute. Der Vorteil gegenüber Ephedrin sei, dass die Sprays den gesamten Körper nicht unnötig belasten und bei richtiger Anwendung bis zu sieben Tage von den meisten Menschen verwendet werden können.

Enthält „Wick MediNait“ ein Schlafmittel?

Ein weiterer Inhaltsstoff von „Wick MediNait“ ist Doxylamin. Das Medikament wird hauptsächlich gegen Schlafprobleme eingesetzt. Doxylamin wirkt sedierend und macht müde. Fischer äußert seine Bedenken: „Mir stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, einen zusätzlich müde machenden Wirkstoff mit Alkohol bei einer Erkältung einzunehmen, wenn man sich ohnehin bereits erschöpft fühlt.“ Zudem sieht er die Gefahr, dass Menschen „Wick MediNait“ missbräuchlich als Einschlafmittel verwenden könnten. Der Hersteller erklärt auf Nachfrage, dass Doxylamin Schnupfen und unter anderem Nasenlaufen mindere.

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Der in „Wick MediNait“ enthaltene Inhaltsstoff Doxylamin soll laut Hersteller Schnupfen mindern. Bekannt ist der Stoff für seine müde machenden Eigenschaften. © picture alliance / Westend61 | Irina Heß

Auch der in „Wick MediNait“ enthaltene Hustenstiller Dextromethorphan sei bei einer Erkältung nicht immer sinnvoll, sagt Fischer. Der Pharmakologe fährt fort: „Produktiver Husten sollte eher gefördert werden, um Schleim abzutransportieren.“ Dextromethorphan wird allgemein gegen trockenen Reizhusten eingesetzt. Es wirkt, indem es das Hustenzentrum im Gehirn hemmt, wodurch der Hustenreiz unterdrückt wird. Die Sprecherin des Herstellers sagt, dass Doxylamin den Hustenreiz dämpfe, „ohne das notwendige Abhusten zu unterdrücken.“

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Dextromethorphan kann jedoch auch missbraucht werden und zu Halluzinationen führen. Dem Experten zufolge sei das in der niedrigen Dosierung bei „Wick MediNait“ allerdings sehr unwahrscheinlich.

Alkohol in „Wick MediNait“: Das ist der Grund

Die 18 Prozent Alkohol in „Wick MediNait“ sieht Fischer ebenfalls kritisch. „Das ist wie ein kleiner Schnaps am Abend. Wenn ich stark erkältet bin, ist die Einnahme von Alkohol das letzte, woran ich denken würde“, bekräftigt er. Warum ist Alkohol in dem Medikament enthalten? Laut Sprecherin des Herstellers diene der Alkohol in der Formulierung von „Wick MediNait“ als Hilfsstoff, der die wässrigen und organischen Komponenten des Produkts löse. „Gleichzeitig bietet der Alkohol ergänzende konservierende Eigenschaften, die die Stabilität und Haltbarkeit des Produktes verbessern“, sagt sie. Zudem gebe es auf dem Markt auch „Wick MediNait“ mit Anisgeschmack, das ohne Alkohol und Ephedrin entwickelt wurde.

„Ich halte es für unsinnig, alle vier Wirkstoffe gleichzeitig einzunehmen“, zieht Fischer sein Fazit. Erkältungen verliefen häufig unterschiedlich und oft phasenweise, sodass nicht immer alle Symptome gleichzeitig auftreten würden. „Die Einnahme eines solchen Kombinationspräparats führt daher oft zu unnötiger Belastung des Körpers“, fährt der Experte fort. Der Pharmakologe hält es für sinnvoller, Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen gegen Gliederschmerzen und Nasenspray für „deutlich weniger Geld“ zu kaufen und gezielt einzusetzen.

„Wick MediNait“: Das ist laut Pharmakologen dringend notwendig

Die Sprecherin des Herstellers verweist darauf, dass „Wick MediNait“ zur symptomatischen Behandlung von gemeinsam auftretenden Beschwerden wie Kopf-, Glieder- oder Halsschmerzen, Fieber, Schnupfen und Reizhusten infolge einer Erkältung oder eines grippalen Infekts angewendet werde. So sollen mehrere Symptome gleichzeitig effektiv gelindert werden. Sie sagt: „Die enthaltenen Wirkstoffe sind seit über 30 Jahren auf dem Markt und gelten als gut etabliert.“

Der Pharmakologe betont, dass bei einem so komplexen Kombinationspräparat die individuelle Beratung in einer Apotheke dringend notwendig sei. Dort könne auf individuelle Risiken und Kontraindikationen eingegangen und das richtige Medikament gefunden werden. Er sieht kritisch, dass „Wick MediNait“ auch online bestellt werden kann.

Auf Nachfrage antwortet die Sprecherin des Herstellers dazu: „Zusätzlich zur Gebrauchsinformation in der Verpackung stellen wir sicher, dass Verbraucher, die Wick MediNait über Online-Apotheken erwerben, umfassend über die möglichen Risiken und die richtige Anwendung informiert werden.“ Dafür sorge unter anderem die gesetzliche Pflicht der Online-Apotheken, pharmazeutische Beratung per Chat, telefonisch oder per E-Mail anzubieten. Außerdem stelle man alle relevanten Gebrauchs- und Produktinformationen auf den Plattformen der Online-Apotheken bereit.