Berlin. Auch unser Therapeutenpaar Katz und Straden zofft sich. Nach vielen Streits hat der Experte eine Erkenntnis, die für alle Beziehungen gilt.
Wir streiten. Die Streitspirale beginnt immer schneller zu kreisen. Meine Frau und Kollegin agiert immer emotionaler, während ich, scheinbar, immer ruhiger und sachlicher werde. Innerliche koche ich. Die bisher gebändigte Wut löst sich nach und nach von den Ketten und macht sich in mir breit.
Streits hatten auch bei meiner Frau und mir lange etwas Vernichtendes. Klar: Weder meine Frau noch ich wollen uns im Streit ernsthaft vernichten, sondern wir versuchen uns zu verbinden, weil wir einander wichtig sind. Am Ende kommen wir heute aus Streits daher meist stärker als zuvor wieder heraus. Aber wie und warum gelingt uns das?
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Streit mit Partner eskaliert – Wut hat zerstörerische Kraft
Streit ist eine der stärksten „Verbindungsemotionen“, die wir haben. Wir streiten uns, gerade weil wir uns verbinden wollen. Wir suchen die Gemeinsamkeit zu unserem Partner, sind auf der Suche nach einer gemeinsamen Identität in unserer Paarbeziehung. Und dafür gehört Streit in unserer Beziehung dazu.
Vielfach erleben wir in diesen Streits auch Wut. Sie gehört als eine der fünf Primäremotionen zu unserem Menschsein. Diese Wut hat jedoch etwas Zerstörerisches – dann, wenn sie unkontrolliert ausbricht und Macht über uns erlangt. Es ist eine zerstörerische Kraft, die eigentlich niemand will.
Wenn im Streit Emotionen hochkochen fällt oft der Satz: „Das triggert mich!“ – Benutzen Sie diesen Satz auch falsch?
Jahre meines Lebens habe ich versucht, meine schier unbändige Wut in den Griff zu bekommen, zu kontrollieren. Meistens gelingt es mir. Meiner Frau und Kollegin hingegen ist es wichtig, ihren Emotionen Raum zu geben. Mich überfordert dies früher oder später. Dann wird aus meinem Ärger im Streit doch Wut – und lange wurde dann die nächste Stufe der Eskalation gezündet.
Im Streit: Woher kommt die Wut auf den Partner?
Klar, Wut hat nicht nur negative Seiten. Wut hat etwas Treibendes und etwas Starkes. Aber: Streitanlässe sind meistens die kleinen Anlässe, nicht die großen, bei uns Wut die Kraft und Energie gibt, um uns für etwas starkzumachen, das für uns bedeutend ist. Im Streit wird die Energie, sich für eine Sache einzusetzen, übertrieben. Diese Übertreibung führt zu einem Wutausbruch, zu Kontrollverlust.
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Streit deshalb zu vermeiden, ist jedoch nur bedingt möglich und auch nicht wirklich gesund. Dies zu verstehen, insbesondere wenn wir von Harmonie „beseelt“ sind oder aus einem Elternhaus kommen, in dem beispielsweise permanent gestritten wurde, ist nicht einfach, aber notwendig. Wenn wir also besser streiten wollen, geht es letztlich darum, die Übertreibung der Wut einzufangen und zu kanalisieren.
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Auch wir haben, trotz unserer Arbeit und unseres Wissens, erst spät verstanden, dass streiten etwas Wesentliches in unserer Beziehung ist. Das, was uns wahrscheinlich von den meisten anderen Paaren unterscheidet, ist jedoch, dass wir gelernt haben, die Art und Weise wie wir streiten zu verändern. Wir streiten heute konstruktiver. Wesentlich dazu beigetragen hat das Verständnis darüber, welchen Streitstil wir haben.
Gisbert Straden & Andrea Katz
Genau wie seine Frau Andrea Katz ist Gisbert Straden ausgebildeter Paar- und Sexualtherapeut. Zuvor war er als Dozent für Wirtschaftspsychologie tätig. Gemeinsam mit seiner Frau, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet, betreibt er die Praxis „Von Paar zu Paar“ in Berlin. In ihrer Beziehungskolumne „Wie Katz und Straden“ beleuchten sie gemeinsam Beziehungsprobleme und suchen nach Lösungen – sowohl aus der Perspektive erfahrener Therapeuten als auch aus ganz persönlicher Sicht, mit eigenen Konflikten und Herausforderung in der Beziehung.
Richtig streiten: An diesem Punkt müssen Sie handeln
In der Konfliktforschung unterscheiden wir fünf Streitstile:
- angepasster Streitstil
- vermeidender Streitstil
- konkurrierende Streitstil
- kollaborierender Streitstil
- Kompromiss suchender Streitstil
Jeder Streitstil hat Vor- und Nachteile, und es ist wichtig zu verstehen, dass es kein richtig oder falsch gibt. Es gibt nur ihren Streitstil und den ihres Partners und die sich daraus ergebenden Folgen. Was wir aber lernen und verändern können, ist die Art WIE wir streiten, sodass hieraus etwas Verbindendes und für die Beziehung Heilsames entstehen kann.
Für uns war entscheidend, uns einen Handlungsspielraum zwischen dem wutauslösenden Reiz und der darauffolgenden Reaktion zu erarbeiten – eine riesige Herausforderung. Stellen Sie sich zur Veranschaulichung einen Milchtopf vor, den Sie kurz vor dem Überkochen von der Herdplatte ziehen sollen.
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Im Streit diese „vier apokalyptischen Reiter“ unbedingt vermeiden
John Gottmann, ein US-amerikanischer Psychologe und Konfliktforscher, hat in seinen Forschungen herausgefunden, dass bei den meisten Paaren im Rahmen der Streiteskalation vier „apokalyptische Reiter“ die Streitbühne betreten:
- Reiter 1: Verachtung – Diese drückt sich aus in Sarkasmus und Zynismus, Respektlosigkeit oder abschätzigem Humor. Nach Einschätzung von John Gottmann und seiner Frau Julie, ist Verachtung der gefährlichste der „vier apokalyptischen Reiter“, den es auf jeden Fall zu vermeiden gilt.
- Reiter 2: Kritik – Meinungsverschiedenheiten kommen in jeder Partnerschaft vor und dürfen angesprochen werden. Es ist jedoch wichtig, dass dies in Form einer Beschwerde angesprochen wird und nicht kritisiert wird. Kritisiert wird dann, wenn verallgemeinert wird „immer“, oder „nie“ sowie Schuldzuweisungen erfolgen oder auch Charaktereigenschaften des Partners kritisiert werden „Du mit Deinem Perfektions-Tick.“
- Reiter 3: Mauern – Dieses zeigt sich, indem Sie sich im Streit körperlich vom Partner abwenden oder den Raum verlassen, oder aber indem Sie sich innerlich abwenden, schweigen oder den anderen ignorieren. Hier bricht die Verbindung zum Partner vollständig zusammen. Besonders schlimm ist es, wenn bei jedem Streit die Beziehung infrage gestellt wird und sinnbildlich oder tatsächlich „die Koffer gepackt“ werden. Diese On-Off-Beziehungen erleben wir in der aktuellen Zeit häufig.
- Reiter 4: Rechtfertigung – Sie ist eine typische Reaktion auf Verachtung oder Kritik. Sie zeigt sich in Erklärungsversuchen, bei denen es nur darum geht, Schuld von sich zu weisen, oder in „ja aber“-Formulierungen.
Diese vier Reiter gilt es zu vermeiden. Es bedarf im Streit(!) fünf positive, verbindende Äußerungen zum Partner oder zur Beziehung, um nur einen dieser Reiter wieder einzufangen – eine Herkulesaufgabe.
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