Berlin. Abnehmen ohne Verzicht – damit wirbt die Marke More Nutrition. Dr. Riedl erklärt, ob das funktioniert und ob die Diät überhaupt gesund ist.

Eine Diät durchzuhalten ist nicht einfach: Das ständige Kalorienzählen ist lästig und der Verzicht auf Naschereien fällt schwer. Inzwischen gibt es viele Ernährungsmodelle, die bei der Gewichtsabnahme unterstützen sollen. Insbesondere Intervallfasten ist zum Trend geworden. Dabei ist nur ein bestimmtes Zeitfenster von sechs oder acht Stunden am Tag für die Nahrungsaufnahme vorgesehen.

Nach diesem Fasten-Modell hat auch die Marke More Nutrition das Proteinfasten entwickelt. More gehört zur „The Quality Group“ und stellt proteinreiche, kalorienarme Nahrungsergänzungsmittel her. Mit der Methode MPF („More Protein Fasten“) soll das Abnehmen gelingen. Und das sogar, ohne dabei an Muskelmasse zu verlieren. Eine Win-win-Situation? Im Gespräch erklärt Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl, was von der neuen Methode zu halten ist und welche Schwierigkeiten damit einhergehen können.

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More Protein Fasten: Einfache Abnehm-Methode?

MPF ist eine abgewandelte Version des Intervallfastens nach dem sogenannten 18:6-Prinzip. In einem Zeitfenster von sechs Stunden dürfen zwei proteinreiche Mahlzeiten eingenommen werden. Außerhalb der sechs Stunden sollten zwei Proteinshakes mit je ca. 35 Gramm Eiweiß getrunken werden, die aus Proteinpulvern von More Nutrition in Geschmacksrichtungen wie „Vanilla Chocolate Chip Cookie“ hergestellt werden. Damit soll Abnehmen ganz ohne Kalorienzählen und Heißhungerattacken funktionieren. So zumindest wirbt der Hersteller auf dem firmeneigenen Instagramkanal.

Protein-Diät: Arzt warnt vor Überdosierungen

More Nutrition rät im Rahmen der Fastenmethode zu einer Proteinzufuhr von zwei Gramm Proteinen pro Kilogramm Körpergewicht. So solle unter anderem die Muskulatur erhalten, das Körperfett reduziert und die Gesundheit unterstützt werden.

Dr. Matthias Riedl, Ernährungsmediziner und Diabetologe, warnt hingegen vor einem zu hohen Eiweißkonsum. Das sei insbesondere in Form von molkehaltigen Pulvern problematisch, wie es bei den Präparaten von More Nutrition der Fall ist. Solche Pulver seien eher entzündungsfördernd als pflanzliche Proteine, was Krankheiten wie Rheuma fördern könne. Außerdem: „Menschen mit einer Nierenschwäche rate ich dringend davon ab, Proteinfasten zu machen“, so der Ernährungsmediziner. Denn: Durch die erhöhte Protein-Aufnahme könne die Nierenschwäche schneller voranschreiten.

Dr. Matthias Riedl ist Diabetologe, Ernährungsmediziner und Ärztlicher Direktor des Medicum Hamburg.
Dr. Matthias Riedl ist Diabetologe, Ernährungsmediziner und Ärztlicher Direktor des Medicum Hamburg. © Andreas Sibler | Andreas Sibler

Der Arzt nennt als Grenzwert 1,2 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht täglich für Menschen, die Muskeln aufbauen oder abnehmen wollen. Die Proteinvorgabe von More sei „wahnwitzig hoch“ und würde auf keinerlei unabhängigen Studien beruhen, so Riedl. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene sogar nur eine tägliche Aufnahme von durchschnittlich 0,8 g pro Kilogramm Körpergewicht. Bei älteren Erwachsenen darf es etwas mehr sein.

Unser Experte

Dr. Matthias Riedl ist Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Direktor des Medicum Hamburg. Seit 2015 ist er Teil der von ihm konzipierten NDR-Sendung „Die Ernährungs-Docs“, in der Dr. Riedl zusammen mit anderen Medizinern Ernährungsstrategien für konkrete Patientenfälle entwickelt. Zu der Sendung wurden mehrere Begleitbücher veröffentlicht. Zudem betreibt Dr. Riedl seit 2022 in Zusammenarbeit mit der Funke Mediengruppe den Podcast „So geht gesunde Ernährung“.

Stellungnahme: Proteinzufuhr hat „keine gesundheitlichen Konsequenzen“

In einer Stellungnahme gegenüber dieser Redaktion weist Nico Lother, Chief Product Officer der „The Quality Group“, die Vorwürfe zurück. Auf Basis zahlreicher Studien sei bewiesen, dass gesunde Menschen bei der von More Nutrition empfohlenen Proteinmenge „keine gesundheitlichen Konsequenzen“ zu erwarten hätten. Außerdem sei eine erhöhte Proteinzufuhr auch für Menschen mit Nierenschwäche „keine Gefahr“.

Grundsätzlich gehe man davon aus, dass Personen mit ausgeprägter Nierenschwäche ärztlich beraten seien und ihre Diät entsprechend anpassen würden. Auch die Zufuhr von molkehaltigen Pulvern sei unbedenklich. „Molkehaltige Pulver sind weder entzündungsfördernd noch fördern diese entzündliche Krankheiten wie Rheuma“, heißt es in der Stellungnahme. Dafür gebe es keine Beweise nach dem wissenschaftlichen Goldstandard.

Dr. Riedl jedoch schätzt die erwähnten Studien als fragwürdig ein: „Keine der vorliegenden aktuellen Studien – auch nicht die von More – stellt einen Freifahrtschein für sehr hohen Proteinkonsum dar.“ Grund dafür sei die Unsicherheit der Studienlage: Demnach mangele es an Langzeitstudien, die an einer größeren Population getestet wurden. Das würde auch ein umfassender Artikel zur aktuellen Studienlandschaft zu proteinreicher Ernährung im Auftrag der DGE zeigen. „Es ist kühn von More, sich solchen Einschätzungen widersetzen zu wollen“, meint Riedl.

Proteinmenge bestimmt den Abnehm-Erfolg

Immerhin: Ein erhöhter Proteinkonsum könne bei gesunden Menschen durchaus beim Abnehmen helfen, so Riedl. „Eiweiß aktiviert ein Darmhormon, das wir auch als körpereigene Abnehmspritze kennen, welches die Inkretine im Dünndarm aktiviert. Diese führen zu einer Verstärkung der Sättigung.“ Von einem so hohen Proteinkonsum, wie es More Nutrition empfiehlt, rät Riedl aber ab. „Das Prinzip ‚viel hilft viel‘ gilt hier nicht.“

Wer zu viel Eiweiß zu sich nimmt, der könne die Gewichtsabnahme sogar behindern, so Riedl: „Die Proteindosis muss balanciert werden: Sie darf nicht zu niedrig sein, sonst leidet man unter Muskelabbau. Sie darf aber auch nicht zu hoch sein, sonst nimmt man nicht ab.“ The Quality Group hingegen betont, „dass eine zu hohe Proteinzufuhr auf die beim MPF empfohlene Menge nicht zutreffe“. Es würde nicht schaden, etwas mehr zu konsumieren, um Körperfunktion und Gesundheit sicherzustellen. 

Proteinfasten: Experten vermuten finanzielle Anreize

Auch die DGE weist auf Anfrage darauf hin, dass eine langfristige Abnahme durch Proteinfasten nicht nachweisbar sei. „Ergebnissen verschiedener Untersuchungen zufolge scheint eine kurzfristige Ernährung (drei bis sechs Monate) mit einer hohen Proteinzufuhr im Vergleich zu einer niedrigeren Proteinzufuhr zu einer größeren Gewichts­reduktion zu führen; mit zunehmender Dauer einer proteinreichen Ernährung wird der Effekt kleiner oder verschwindet ganz“, sagt Astrid Donalis, Pressereferentin der DGE. The Quality Group verweist hingegen auf mehrere Studien, die zeigen sollen, dass eine erhöhte Proteinzufuhr auch langfristig zum Abnehmen geeignet sei.

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Langfristig gesehen ist Proteinfasten also vor allem teuer, wenn man es nach den Empfehlungen von More durchführt. Die DGE vermutet hinter MPF „absatzfördernde Hintergründe“. Die Proteinshakes bräuchte es nämlich gar nicht: „Selbst Menschen, die aufgrund ihres Alters oder bei Leistungssport einen höheren Proteinbedarf haben, können ihn über herkömmliche proteinreiche Lebensmittel decken“, heißt es auf der Webseite der DGE. Dazu eignen sich etwa tierische Produkte wie Fisch und Eier, aber auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen.

„Es stimmt, dass die Produkte von More nicht notwendig sind, um den Proteinkonsum zu steigern“, räumt The Quality Group ein. Dies würde auch offen kommuniziert werden. „Unsere Produkte sind jedoch auf das Gramm Protein gerechnet oftmals preiswerter, und in der Zubereitung einfacher (...)“, argumentiert Lother.