Essen. Warum sind viele Singles trotz großer Auswahl auf Dating-Apps frustriert? Expertin erklärt die Tücken und Chancen des Online-Datings.

Rund 400.000 Millionen Menschen waren allein 2024 auf Dating-Apps angemeldet – davon sollen etwa 16 Prozent der Nutzer ihren festen Partner oder Partnerin auf einer der Dating-Plattformen gefunden haben. Wer Single ist und von einer festen Beziehung träumt, erhofft sich von Tinder oder ähnlichen Dating-Apps häufig eine schnelle und erfolgreiche Partnersuche. Wie sie wirklich gelingen kann und welche Schattenseiten das Online-Dating hat, erzählt Pia Kabitzsch, Diplom-Psychologin, Dating-Expertin und Bestsellerautorin.

Auch wenn Dating-Apps bei vielen Menschen beliebt sind, berichten Forschende des Marktforschungsunternehmens Sensor Tower von sinkenden Tinder-Abonnenten und der Zahl der aktiven Nutzer. Bei Bumble, einer weiteren beliebten Dating-App, scheint der Trend ähnlich zu sein. Die Beziehungsexpertin erklärt die Hintergründe.

Dating-Expertin: Den perfekten Partner gibt es nicht

„Dating-Apps haben den Zugang zu einem riesigen Pool potenzieller Partner erleichtert“, so Kabitzsch. Der perfekte Partner könnte nur einen Swipe entfernt sein – doch nur in der Theorie. In der Praxis habe die scheinbar kinderleichte Partnersuche auch negative Seiten: „Viele Nutzer glauben, dass sie nur lange genug swipen müssen, um den perfekten Partner oder die perfekte Partnerin zu finden“, sagt die Diplom-Psychologin.

Laut Kabitzsch sind Menschen zu sehr auf die Suche nach dem idealen Partner oder Partnerin fokussiert und lassen sich immer weniger auf Beziehungen ein. Da sie immer das Gefühl haben, mit ein paar Swipes mehr einen besseren Kandidaten zu finden, seien sie dadurch auch weniger kompromissbereit. Die Dating-Expertin hält es für problematisch: „Es geht nicht darum, den perfekten Partner zu finden, sondern gemeinsam eine Beziehung zu gestalten, die zu einem passt. Das erfordert Verbindlichkeit und Arbeit.“ Und sie ergänzt: „Es gibt nicht ‚The One‘, sondern viele Menschen, mit denen eine Beziehung erfüllt und glücklich sein kann.“

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Erfolg beim Online-Dating: Was heißt das wirklich?

Es gebe laut der Expertin eine weitere Schattenseite von Dating-Plattformen: Häufig überträgt sich der Misserfolg auf Dating-Apps auf das Selbstwertgefühl der User. „Die große Auswahl an Singles führt oft zu der Erwartung, dass alles schnell geht – Match, Date, Beziehung, Ehe“, so die Psychologin. In der Realität verlaufe es selten nach dem perfekten Muster: Die Suche nach dem richtigen Lebenspartner sei ganz individuell. „Manchmal gleicht sie einer Achterbahnfahrt“, sagt die Expertin. Sich mit anderen zu vergleichen sei wenig hilfreich.

Doch wie lange dauert im Durchschnitt die Dating-Reise, bis eine feste Partnerschaft entsteht? Eindeutig länger, als man gerne hätte: Das zeigt auch eine norwegische Studie. Meistens braucht es 57 Matches, um auf ein Date zu gehen, und durchschnittlich 291 Treffen bis eine feste Beziehung zustande kommt. Die Bestsellerautorin rät den Singles dazu, ihre Vorstellungen von erfolgreichem Online-Dating zu hinterfragen. „Erfolg fängt nicht erst an, wenn man seine Traumfrau oder seinen Traummann gefunden hat, sondern viel früher“, betont sie. „Ein Erfolg kann schon ein nettes Gespräch, ein Flirt oder ein schönes Date sein – oder die Erkenntnis, was man nicht will.“

Psychologin gibt Tipps gegen ein „Dating Burnout“

Einer Studie von Hinge zufolge fühlen sich 61 Prozent der Nutzer mit dem Online-Dating überfordert. Diesen Trend bestätigt auch eine US-amerikanische Studie: Die Ergebnisse zeigten, dass vier von fünf Usern von Dating-Apps „bereits irgendeine Form emotionaler Erschöpfung erlebt haben“. Laut Kabitzsch ist diese emotionale Erschöpfung die Folge von der ungesunden Art und Weise, wie Dating-Apps genutzt werden. „Viele gönnen sich keine Pause, obwohl sie frustriert sind, weil sie Angst haben, dann ‚The One‘ zu verpassen“, beobachtet die Diplom-Psychologin.

Sich zeitliche Limits für das tägliche Swipen zu setzen und die Profile der Matches genauer zu betrachten, könnte laut der Expertin der Schlüssel zum Erfolg sein. „Das macht das Online-Dating nicht nur weniger oberflächlich, sondern entlastet das Gehirn enorm und beugt Ermüdung vor“, betont sie.

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Diese Faktoren beeinflussen das Online-Dating negativ

Doch warum ist die emotionale Erschöpfung vom Online-Dating so hoch? „Die Informationsflut, der zunehmende Hass im Netz, der Einsatz von Beauty-Filtern und der Trend, dass alles ganz schnell gehen muss, prägen das heutige Internetzeitalter negativ“, so die Expertin. Das habe zur Folge, dass die digitale Partnersuche immer oberflächlicher wird – sie sei zudem an unrealistische Vorstellungen geknüpft und müsse immer so schnell wie möglich verlaufen.

Laut Kabitzsch könnten Aufklärungsarbeit und Sicherheitsfunktionen der Dating-Plattformen zu höherer Qualität des Online-Datings beitragen – einige Apps bieten unter anderem die Option, unerwünschte Nachrichten zu blockieren.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berliner Morgenpost.