Berlin. Nicht nur eine Beziehung, auch eine Freundschaft kann man durch eine „Trennung“ beenden. Muss das sein? Expertinnen geben Tipps.

Laura und Marie (Namen von der Redaktion geändert) waren sechs Jahre lang beste Freundinnen. „Dann hat Marie die Freundschaft mit einem Gespräch beendet“, erzählt Laura. Der Grund: Unterschiedliche Freundeskreise, die beiden hatten kaum mehr Gemeinsamkeiten und sich nichts mehr zu sagen. Das ist jetzt rund neun Jahre her. Seitdem haben sie keinen Kontakt mehr.

Freundschaft steht vor dem Aus? Das sind Warnzeichen

Klar, nicht alle Freundschaften halten ein Leben lang. Doch soweit hätte es laut Expertinnen bei Marie und Laura nicht kommen müssen. Aber wie lässt sich die Verbindung mit einer Person, die einem lange wichtig war und mit der man viel geteilt hat, richtig beenden? Die Scheidung einreichen, wie in einer Ehe, geht ja nicht. „Gesellschaftlich fehlen oft klare Regeln für das Beenden von Freundschaften“, weiß Muriel Böttger, Psychologin aus Köln. Anders sei das bei Liebesbeziehungen. Da haben wir uns irgendwann darauf geeinigt, dass eine Partnerschaft zu beenden sei, wenn es nicht mehr funktioniere.

„Es ist normal, dass wir Menschen uns in verschiedene Richtungen bewegen – der eine bekommt Kinder, die andere macht Karriere“, betont Psychologin Ulrike Scheuermann. Das könne Freundschaften bereichern, aber eben auch dazu führen, dass man keine gemeinsamen Anknüpfungspunkte mehr findet.

Scheuermann rät, sich zu fragen, ob einem die Freundschaft guttut. Dass ein gemeinsames Treffen mühsam ist, sei ab und an noch normal. „Doch wenn sich das über mehrere Monate nicht gut anfühlt, deutet das auf grundsätzliche Probleme in der Freundschaft hin“, warnt die Expertin, die ein Buch über Freundschaften geschrieben hat. Auch körperliche Signale, wie Bauchschmerzen oder Erschöpfung während oder nach einer gemeinsamen Verabredung seien Warnzeichen.

Muriel Böttger
Freundschaften funktionierten anders als Liebesbeziehungen, sagt Psychologin Muriel Böttger aus Köln. © Muriel Böttger | Tim Höffken

Freundschaft beenden: Psychologinnen mit wichtiger Empfehlung

„Wer merkt, dass einem eine Freundschaft in einer bestimmten Lebensphase nichts mehr gibt oder viel Kraft kostet, kann sie ausschleichen lassen“, rät Scheuermann. Ausschleichen? Damit meint die Expertin: sich weniger melden, sich weniger treffen – kurzum, nach und nach auf Abstand gehen.

Psychologin Böttger empfiehlt ebenfalls, nicht voreilig Schluss zu machen: „Ich weiß, sich weniger zu melden mag erst einmal hinterhältig klingen. Aber es gibt viele enge Freundschaften, die entfernen sich über eine Phase und finden dann wieder zueinander.“ Wer mit einem Gespräch die Verbindung komplett aufgebe, verbaue sich diesen Weg. Soziale Beziehungen lebten von Spontanität und Intuition, findet Böttger. „Freundschaften sind anders als Liebesbeziehungen – wir müssen sie nicht bewusst beginnen oder beenden“, bekräftigt sie.

Auch Laura hätte sich damals gewünscht, von ihrer ehemaligen besten Freundin nicht mit so einem abrupten Ende konfrontiert zu werden: „Wir hatten trotz einiger Konflikte eine schöne Zeit – das hätte man auch so stehen lassen können“, sagt die 26-Jährige heute. „Vielleicht hätte sich die Freundschaft auch wieder eingerenkt“, überlegt sie. Ein Trennungsgespräch mit der besten Freundin oder dem besten Freund würde auch sie nach dieser Erfahrung nicht empfehlen. „Ich bin dafür, dass man ehrlich miteinander umgeht und Konflikte anspricht“, so Laura weiter, „aber eine Trennung muss man vielleicht nicht als solche benennen.“

Expertin: „Dürfen nicht zur Wegwerfgesellschaft für Beziehungen werden“

Konflikte ansprechen: Das ist in Freundschaften gar nicht mal so selbstverständlich. Böttger erklärt: „Oftmals muten wir unseren Freundschaften weniger zu als unseren Liebesbeziehungen – dabei können klärende Gespräche die Freundschaft noch einmal auf ein neues, besseres Level heben.“ Darum solle man vor einem Trennungsgespräch gut überlegen: Ist das gerade ein Konflikt, den man ansprechen kann oder ist es wirklich an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen? Es sei sinnvoll, ehrlich anzusprechen, was einen stört, oder mitzuteilen, dass man etwas Abstand braucht.

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„Ich habe das Gefühl, in der aktuellen Zeit ist Selbstoptimierung so ein Trend geworden, dass viele meinen, sie müssten auch ihre Beziehungen optimieren und begrenzen“, so die Expertin. Dabei gehe schnell etwas verloren. Böttger findet: „Wir dürfen nicht zu einer Wegwerfgesellschaft für unsere Beziehungen werden.“

Freundschaften trennen: Wann ein Gespräch notwendig ist

Natürlich solle man nicht in einer Freundschaft ausharren, wenn man sich darin nicht wohlfühle und auch Gespräche nichts geholfen haben, bekräftigt Böttger. Außerdem müsse das Ausschleichen etwas Einvernehmliches sein – suche eine Person weiterhin viel Kontakt, die andere könne diesen aber nicht geben, funktioniere das nicht.

In solchen Fällen könne ein Trennungsgespräch tatsächlich notwendig werden. „Das Skript eines freundschaftlichen Trennungsgespräches kann genauso aussehen, wie das einer Liebesbeziehung – wir stellen fest, es passt einfach nicht mehr, wir treffen uns mit der anderen Person, um ihr zu sagen, dass wir die Freundschaft so nicht mehr weiterführen können und wünschen ihr noch alles Gute“, beschreibt die Psychologin das Vorgehen.

Scheuermann gibt für das Trennungsgespräch diese vier Tipps:

  • Möglichst keine Vorwürfe machen, da die andere Person immer dagegenhalten wird
  • Stattdessen eigene Gefühle klar benennen
  • Alles, was man an Gründen für die Trennung nennen will, vorher überlegen und bestenfalls aufschreiben
  • Sich zu vergegenwärtigen, dass sich unsere Bedürfnisse mit der Zeit verändern und unsere soziale Zeit nun einmal begrenzt ist

Scheuermann ist wichtig: „Es ist in Ordnung, wenn Freundschaften auseinander gehen – das muss nicht das Aus für immer bedeuten.“

Psychologin Scheuermann
Psychologin Ulrike Scheuermann hat ein Buch über Freundschaften geschrieben: "Freunde machen gesund", erschienen im Knaur Balance Verlag. © Ulrike Scheuermann | Privat

Ob Ausschleichen, Trennungsgespräch oder der letzte Versuch, Konflikte zu lösen – all das lebt von Kommunikation. Was beiden Expertinnen zufolge gar nicht geht: sogenanntes Ghosting, also ein radikaler Kontaktabbruch. „Die Person wird völlig ratlos und möglicherweise in einem Schockzustand zurückgelassen, weil sie nichts darüber weiß, warum der Freund auf einmal weg ist“, mahnt Scheuermann. Auch Böttger warnt vor diesem No-Go: „Studien zeigen, dass das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, wie physischer Schmerz empfunden werden kann.“ Feedback sei eben in allen menschlichen Beziehungen wertvoll.