Berlin. Oft merkt man selbst gar nicht, wie sehr einem toxische Menschen schaden. Wie sie sie erkennen – und was sie dann tun sollten.
- Der Kontakt zu anderen Menschen kann uns guttun – aber auch schaden
- Wie erkennt man toxische Menschen in seinem Umfeld?
- Ein Experte erklärt, auf welche unterschwelligen Zeichen Sie achten müssen
Ob Partner, guter Freund oder Kollege – das Urteil „toxisch“ ist heute schnell gefällt. Doch was macht einen toxischen Menschen wirklich aus? Ein Psychologe und Paartherapeut und eine psychologische Psychotherapeutin erklären, an welchen Merkmalen man Toxizität, also potenziell schädliches Verhalten oder Eigenschaften mit negativen Auswirkungen, eindeutig erkennen kann und ob es toxische Menschen überhaupt gibt.
Toxische Menschen erkennen: Was bedeutet „toxisch“?
Der Begriff „toxisch“ hat in jüngerer Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. Ursprünglich bezeichnete das aus dem Griechischen stammende Wort „toxikòn“ eine Art „Pfeilgift“, denn „toxikòn phármakon“ war das Gift, in das die Krieger ihre Bogenspitzen tauchten, um ihre Feinde zu vergiften. Heute wird das Adjektiv häufig im übertragenen Sinn verwendet, etwa als Bezeichnung für Verhaltensweisen, von denen eine Gefahr ausgeht, wie „toxische Männlichkeit“ oder „toxisches Arbeitsklima“. Auch das Begriffspaar „toxische Beziehung“ hat sich etabliert, mit dem in der Psychologie eine dysfunktionale, destruktive Beziehung beschrieben wird.
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Was zeichnet einen toxischen Menschen aus?
Zudem werden mit dem Wort „toxisch“ aber auch Menschen in Verbindung gebracht, die Verhaltensweisen an den Tag legen, die sich wie Gift auf die Beziehung zu anderen auswirken. Der Psychologe, Paartherapeut und Gründer der Online-Selbsthilfe-Plattform „couch:now“, Stefan Junker aus Oftersheim, hält das für problematisch: „Der Begriff ‚toxisch‘ suggeriert ein Schwarz-Weiß-Denken, das der Komplexität menschlicher Beziehungen nicht gerecht wird“. Probleme in Beziehungen seien oft vielschichtig und bedürften einer differenzierten Betrachtung statt einfacher Etikettierungen. Zudem verleite das Adjektiv dazu, für Probleme aller Art einen Schuldigen zu suchen.
Wer einen Menschen als toxisch bezeichnet, stempelt ihn also ein Stück weit ab. Verena Düttmann, psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Therapieplattform „HelloBetter“, empfiehlt daher, den Begriff „toxisch“ eher auf das Verhalten einer Person zu beziehen und nicht auf die Person selbst. Menschen mit toxischen Anteilen verhielten sich oft antisozial: Sie versuchten, ihre Interessen durchzusetzen, auch wenn dies auf Kosten ihrer Mitmenschen gehe. Damit einher gehe außerdem die Unfähigkeit, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und andere für die eigenen Probleme verantwortlich zu machen.
Weitere Anzeichen für toxisches Verhalten sind laut Psychotherapeutin Verena Düttman:
- Schuldumkehr: Schuld und damit Verantwortung für die Tat wird von den Tätern auf die Betroffenen verlagert
- Gaslighting: gezielte Manipulation durch Lügen
- Doppelmoral: die Partner werden bis ins Detail kontrolliert, während sich die Täter alle Freiheiten herausnehmen
- Love Bombing: unverhältnismäßige Überhäufung mit Liebesbekundungen sehr kurz nach dem Kennenlernen
Toxische Menschen: Wer ist stärker von toxischen Merkmalen betroffen?
Toxisches Verhalten machte keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern – Männer und Frauen könnten gleichermaßen betroffen sein, so Verena Düttmann. Die Art und Weise, wie toxisches Verhalten gezeigt und erlebt wird, könne jedoch variieren. Männer zeigten beispielsweise eher dominantes und aggressives Verhalten, während Frauen eher subtilere Formen wie emotionale Manipulation nutzten.
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Was ist am toxischen Partner so anziehend?
Manche Menschen verlieben sich immer wieder in „den Falschen“ oder „die Falsche“. Sie lassen sich wieder und wieder auf Beziehungen ein, die von Lieblosigkeit geprägt sind oder in denen sie entwertet und gedemütigt werden. Dafür gibt es laut Psychotherapeutin Düttmann mehrere Gründe. So würden toxische Menschen zu Beginn einer Beziehung oft ein Übermaß an Liebesbekundungen zeigen, auch „Love Bombing“ genannt.
Doch schon nach kurzer Zeit zeigten sich negative Dynamiken wie Abwertungen oder ständige Kritik, so die Expertin. „Das Wechselspiel von Verletzungen und anschließenden intensiven Versöhnungen kann leidenschaftlich und anziehend sein – regelrecht süchtig machen“, erklärt Düttmann. Solche Hochs könnten sich dann besonders hoch anfühlen, weil die Tiefs in toxischen Beziehungen besonders tief seien.
Anziehung zu toxischen Menschen kann aus früheren Erfahrungen herrühren
Wer häufig mit Menschen zu tun hat, die ihm oder ihr nicht gut tun, sucht vielleicht aber auch unbewusst nach einem Pendant, das sich so verhält, wie man es gewohnt ist: „Die Anziehung zu toxischen Menschen kann aus früheren Erfahrungen herrühren“, erklärt Psychologe Junker. Demnach würden Betroffene Partnerinnen oder Partner bevorzugen, die sich so verhalten, wie sie es aus ihrer Kindheit kennen – einfach, weil es ihnen vertraut ist.
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Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Wahl nicht nur eine Frage der Gewohnheit ist. Vielmehr sei ein psychologischer Effekt für die toxische Partnerwahl verantwortlich, der in der Fachwelt als „Selbstbestätigung“ („self verification“) bekannt ist: Die Theorie besagt, dass Menschen Partner oder Partnerinnen suchten, die ihr Selbstbild bestätigen. So zeigte eine Studie aus den USA, dass sich Menschen mit geringem Selbstwertgefühl und unsicheren Bindungsstilen stärker zu potenziellen Partnern hingezogen fühlten, die ihr negatives Selbstwertgefühl bestätigten.
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Warum verhalten sich Menschen toxisch?
Die Gründe für einen toxischen Beziehungsstil liegen oft tief in der Vergangenheit, etwa wenn die Beziehung zu den eigenen Eltern vergiftet war, erklärt Psychotherapeutin Düttmann. Dann könnten sich Menschen auch in anderen Beziehungen ähnlich toxisch verhalten. „Sie zeigen, was ihnen vorgelebt wurde und was ihnen vertraut ist. Sie kennen Beziehungen einfach nicht anders“, sagt Düttmann.
Auch ungelöste persönliche Konflikte, fehlende Bewältigungsstrategien für Stress oder Traumata könnten Gründe für toxisches Verhalten sein, ergänzt Psychologe Junker von der Online-Selbsthilfe-Plattform „couch:now“. In den meisten Fällen gehe es aber darum, Macht über andere auszuüben, etwa um eigene Unsicherheiten zu kompensieren. „Eine pauschale Bezeichnung als ‚toxisch‘ übersieht diese Hintergründe und die Möglichkeit der Veränderung“, so Junker.
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