Berlin. Toxische Chefs können krank machen. Wie man sie vor Vertragsschluss erkennt und sich gegen sie wehren kann, erklärt eine Expertin.
Am Montag auf dem Weg zur Arbeit grummelt der Bauch, man fühlt sich ständig unter Strom und hat Angst vor Gesprächen: Laut Psychologin und Coachin Fee Kalter sind das nur ein paar der möglichen Warnzeichen, die auf ein toxisches Verhalten von Führungskräften hindeuten können. Tatsächlich berichten Mitarbeitende in 85 Prozent der deutschen Unternehmen von einem feindseligen Führungsverhalten: Das stellte eine Studie der Universität Bielefeld in Kooperation mit der Hochschule Wirtschaft und Recht Berlin und der Universität Trier fest.
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Psychologin: Das sind Zeichen für toxischen Chef
Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, im Beruf auf toxische Führungskräfte zu treffen. Schon vor Vertragsunterzeichnung sollte man daher laut Kalter Warnzeichen ernst nehmen. Für sie eine zentrale Frage: „Wie bildet das Unternehmen Führungskräfte aus?“ Oft würden Personen aufgrund von großer fachlicher Leistung oder langer Zugehörigkeit eine Führungsposition erhalten, obwohl sie das Führen nicht gelernt haben. Laut Kalter kann man das Unternehmen fragen, ob es eine Anleitung dafür habe. Auch könne man nachhaken, ob man das Team vorher kennenlernen kann. Die Psychologin rät: „Dann kann ich auf folgendes achten: Wie gehen sie miteinander um, wird in der Interaktion miteinander gelacht? Wie erzählen sie, dass sie sich gegenseitig unterstützen?“
Doch wie bekommt man Gewissheit, ob die eigene Beziehung zum Chef toxisch ist? „Toxische Beziehungen sind vor allem eine Beziehungsdynamik – ein Mensch per se ist nicht toxisch. Er kann aber sehr wohl toxische Verhaltensweisen haben“, erklärt Kalter. Laut ihr ist eine toxische Beziehung im Arbeitskontext unter anderem durch Angst, Unsicherheit und Misstrauen geprägt. „Toxische Vorgesetzte geben nicht klar vor, was sie von einem erwarten. Stattdessen drehen und wenden sie eine Zielsetzung, die vorher zusammen erarbeitet wurde, im Nachhinein immer zu ihren Gunsten“, meint die Psychologin.
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„Am bedeutendsten, um sich der toxischen Dynamik bewusst zu werden, sind die eigenen Gefühle – vor allem die Angst vor der Unberechenbarkeit des Chefs“, sagt Kalter. Man könne sich zum Beispiel fragen: „Stresst es mich, wenn ich mich mit der Person treffen muss, oder zweifle ich sehr stark an mir?“ Allerdings solle man ehrlich zu sich sein, ob Gefühle von Stress durch eigene Selbstzweifel oder Probleme kommen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, so die Expertin.
Psychologin verrät: So kann man sich gegen toxischen Chef wehren
Doch was kann man tun, wenn man zu dem Schluss kommt, dass man wirklich in einem toxisches Verhältnis zum Chef feststeckt? Laut der Psychologin besteht trotzdem Grund zur Hoffnung: „Ein Mensch kann sein toxisches Verhalten verändern – wenn er es denn will“, sagt Kalter. Vielleicht fühle es sich wegen des Machtverhältnisses so an, als hätte man weniger Möglichkeiten, die Beziehung zu gestalten. Trotzdem gebe es Wege: „Man kann sich fragen: Kann ich etwas dafür tun, dass sich die Beziehung in eine positive Richtung entwickelt? Oder im schlimmsten Fall: Wie kann ich diese Beziehung verlassen?“, fasst die Expertin zusammen.
Die Probleme ansprechen sei der erste Schritt. „Das muss man mit Vorsicht genießen“, meint Kalter. Denn: Oft könne das Gespräch persönlich werden, weil Äußerungen als Bedrohung oder Herausforderung vom Vorgesetzten wahrgenommen werden könnten. Deshalb sei ein Moderator hilfreich.
Fee Kalters Tipps für schwierige Gespräche:
- Sachliche Darstellung: Schildern Sie die Situation so objektiv wie möglich, ohne die Führungskraft persönlich anzugreifen. Nutzen Sie konkrete Beispiele und beschreiben Sie deren Auswirkungen, ohne persönliche Vorwürfe zu formulieren.
- Perspektivwechsel: Zeigen Sie auf, wie das Verhalten der Führungskraft das Team oder die Arbeitsatmosphäre beeinflusst. Dies kann helfen, den Fokus auf die Auswirkungen für das Unternehmen zu legen.
- Vorbereitung und Dokumentation: Da solche Gespräche oft emotional aufgeladen sind, ist es ratsam, relevante Vorfälle schriftlich festzuhalten und das Gespräch im Vorfeld zu üben.
- Lösungsvorschläge einbringen: Bieten Sie konkrete Lösungsvorschläge an, statt nur die Probleme zu benennen. Dies signalisiert proaktives Handeln und ein Interesse an einer konstruktiven Lösung.
- Erwartungen und Grenzen klären: Definieren Sie für sich selbst klar Ihre Rolle und Erwartungen an die Arbeit. Kommunizieren Sie diese deutlich im Gespräch und überprüfen Sie gemeinsam mit der Führungskraft, ob sie im Einklang stehen.
Eine Klärung der Situation am Arbeitsplatz reicht am Ende allein jedoch nicht aus, um trotz toxischem Chef gesund zu bleiben. Laut Kalter sei es wichtig, sich auch auf andere Lebensbereiche zu fokussieren. Arbeit sei nur eine von vielen Quellen, aus denen man Kraft schöpfen solle: „Soziale Unterstützung, regelmäßige Selbstfürsorge, Aktivitäten außerhalb der Arbeit und ein positives Selbstbild helfen dabei, widerstandsfähig zu bleiben“, zählt die Psychologin auf.
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Toxische Beziehung zum Chef: Wann die Psychologin zur Kündigung rät
Doch wann ist es Zeit, zu gehen? Der dauerhafte Stress durch das toxische Arbeitsumfeld ist laut Kalter gefährlich, denn er kann krank machen. Sie sagt: „Stress ist einer der Hauptrisikofaktoren für jegliche Erkrankungen – körperlich und psychisch.“ Der Körper sage einem gut, wenn auch die Psyche nicht mehr mitmachen wolle. „Das kann sich durch langfristige Kopf- und Rückenschmerzen, Depressionen und Angsterkrankungen bemerkbar machen“, erklärt die Psychologin. Vor der Kündigung könne man sich aber überlegen, ob es trotz der schwierigen Beziehung vielleicht ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren sei, die sich über die Zeit wieder legen könnten, so Kalter.
Wenn man schon weiß, dass ein Gespräch mit dem Chef aussichtslos ist, kann der nächste Schritt die Kündigung sein. Laut der Psychologin solle man schließlich den Job wechseln, wenn die Arbeit chronischen Stress und gesundheitliche Probleme (körperlich oder psychisch) verursacht. Auch eine Blockade der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung sowie keine Aussicht auf Verbesserung seien ein Kündigungsgrund, sagt die Expertin.