Berlin. Während einer Studie zur Abnehmspritze Wegovy kam die Corona-Pandemie auf. Die Forscher reagierten und staunen nun über das Ergebnis.

Die sogenannten Abnehmspritzen haben in Deutschland noch einen schweren Stand. Kritiker sehen in den Medikamenten Ozempic und Wegovy vor allem Lifestyle-Produkte, die dabei helfen sollen, schneller schlank zu werden. Doch eine neue Studie liefert überraschende Erkenntnisse.

Die Select-Studie mit mehr als 17.600 Probanden, die im „Journal of the American College of Cardiology“ erschien, hat ergeben, dass der in den Spritzen enthaltende Wirkstoff Semaglutid, ein Antidiabetikum, offenbar die Sterblichkeitsrate senkt.

Studie über Abnehmspritze: Forscher von Corona-Pandemie überrascht

Dabei brachte die Studie Zusammenhänge hervor, die die Forscher ursprünglich gar nicht vorhergesehen hatten. Im Vordergrund stand zunächst die Frage, ob Semaglutid Auswirkungen auf die Lebensdauer von Patienten mit Herzerkrankungen hat. Die ausgewählten Probanden litten demnach alle unter einer kardiovaskulären Vorerkrankung und Übergewicht, jedoch nicht unter Diabetes.

Was die Forscher nicht ahnten: Mitten in der Studie brach die Corona-Pandemie aus, die Fortsetzung der auf mehr als drei Jahre angelegten Untersuchung stand auf der Kippe. Die Probanden zählten aufgrund der Vorerkrankungen und aufgrund der Tatsache, dass jeder Zweite 61 Jahre oder älter war, allesamt zur Covid-Risikogruppe.

„Wir mussten dramatische Änderungen vornehmen, um sicherzustellen, dass die Studie fortgesetzt wird und die Probanden weiterhin ihre Medikamente erhalten“, erklärte der Harvard-Professor Benjamin Scirica, einer der Hauptautoren der Studie, gegenüber der „New York Times“.

Patienten, die die Abnehmspritze erhielten, starben seltener

Doch aus rein wissenschaftlicher Sicht brachte das Auftreten der Corona-Pandemie spannende Erkenntnisse hervor:

  • Von den 17.604 Probanden erkrankten 4258 an Covid. Die Corona-Fälle verteilten sich dabei zu fast gleichen Anteilen auf die Placebo- und auf die Medikamenten-Gruppe.
  • Von den 184 Patienten, die an einer Covid-Erkrankung starben, hatten überproportional viele das Placebo erhalten. Das Sterberisiko jener, die Semaglutid erhalten hatten, war um 33 Prozent geringer.
  • Über alle Todesursachen hinweg war die Sterblichkeitsrate der Semaglutid-Empfänger 19 Prozent niedriger. Vor allem der Einfluss auf Todesursachen, die nicht kardiovaskulärer Art waren, überraschte die Forscher.

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Der Mediziner Dr. Jeremy Faust, der ebenfalls an der Harvard-Universität lehrt, aber nicht an der Studie selbst beteiligt war, sagte, er sei „geschockt“ gewesen von den Ergebnissen. „Diese Medikamente zeigen wiederholt und routinemäßig, dass sie Gamechanger sind“, so Faust.

Kann Semaglutid auch gegen andere Erkrankungen helfen?

Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die positiven Effekte allein durch die Reduzierung des Übergewichts zustande kamen, oder unmittelbar durch die Anwendung von Semaglutid. Der Mediziner Harlan Krumholz von der Yale School of Medicine glaubt, dass das Medikament in Zukunft gar zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden könnte, die mit Herzversagen, Alzheimer und sogar Krebs in Verbindung stehen.

„Es würde mich nicht überraschen, wenn die Verbesserung der Gesundheit der Menschen auf diese Weise tatsächlich den Alterungsprozess verlangsamt“, sagte Krumholz auf einer Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.

Deutsche müssen selbst für Abnehmspritze zahlen

Wer Semaglutid in Deutschland in Form einer Abnehmspritze einsetzt, um Gewicht zu verlieren, muss die Kosten dafür selbst tragen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte im Juli noch eine Indikationserweiterung zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Ereignissen bei Übergewichtigen und Adipösen abgelehnt.

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Wer auf Mittel wie Wegovy zurückgreift, muss zudem mit Nebenwirkungen rechnen. Zu den häufigsten zählen Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Verstopfung.

Warum die Abnehmspritze noch keine Kassenleistung ist und was er von von dem Mittel hält, erklärt Ernährungsdoc Dr. Riedl hier.