Hamburg. Dr. Matthias Riedl gibt Tipps für gesunde Lebensmittel. Sie helfen den Bakterien in unserem Körperinneren. Denn die wollen Vielfalt.
Dr. Matthias Riedl hat gesunde Ernährung zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Vor allem die Bedeutung der Darmflora für die Gesundheit sei nicht zu unterschätzen, sagt er: „Darüber muss man sprechen, weil wir in den letzten zehn Jahren eine Explosion an Studien und Forschungsergebnissen haben, die den Darm und seine Flora in das Zentrum unserer Gesundheit rücken. Und man muss ohne Übertreibung sagen, tatsächlich gibt es fast keine Krankheit, die nicht irgendwie davon auch beeinflusst wird“, sagt Dr. Matthias Riedl, der ärztliche Direktor des Medicum Hamburg. „Geht es der Darmflora gut, geht es uns auch gut, so viel wissen wir.“
Aber bedauerlicherweise gebe es eine Verarmung der Arten. „Wir erleben in den westlichen Industrienationen eine Art Armut, so wie in einem sterbenden Ökosystem, und das betrifft schon gut ein Viertel der Bevölkerung“, so der Ernährungsmediziner im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung.“
Podcast: Warum die Darmflora für die Gesundheit so wichtig ist
Diese Entwicklung sei beängstigend. Naturvölker auf der ganzen Welt hätten noch eine völlig gesunde Darmflora, sie hätten alle die Zivilisationskrankheiten nicht, sagt der Ernährungs-Doc. „Und wer jetzt glaubt, das hängt miteinander zusammen, der liegt vollkommen richtig.“
Kinder erhalten laut Riedl ihre Darmflora durch den Geburtskanal, beim Saugen an der Brust bekämen sie noch Hautflora mit, und so bilde sich die Darmflora – von der Mutter übergeben ans Kind. Vor diesem Hintergrund sei es auch beängstigend, dass immer mehr Kinder per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Das könne das Risiko für Diabetes, Übergewicht und Krankheiten auch im späteren Leben leicht erhöhen. „Man kann das zum Teil wieder aufholen, da wird intensiv geforscht.“
Fertiggerichte wirken sich negativ auf die Darmflora aus
Frühe Gaben von Antibiotika seien schlecht für die Darmflora von Kindern. „Dann kommt noch die ganze Batterie von Fastfood dazu. Wir wissen, dass die ganze Chemie nicht nur die Darmflora stört, sondern sogar auch die Darmschleimhaut“, so der Ernährungsmediziner. „Wir kennen auch viele Zusatzstoffe in der Ernährung wie zum Beispiel die Süßstoffe, die allesamt im Verdacht stehen, die Darmflora zu schädigen. Sie verliert ihre Balance, und damit werden wir nachgewiesenermaßen anfälliger für Krankheiten.“ Je früher die Entwicklung der Darmflora gestört werde, desto schlechter sei es.
Deshalb sei es so wichtig, den Bakterien im Darm, die uns helfen, gesund zu bleiben, genau das Futter zu bieten, das sie brauchen, um uns widerstandsfähig zu machen: „Sie hilft beispielsweise dabei, manche Salmonelle, die sich einnisten will, wieder rauszuschmeißen.“
Welche Lebensmittel der Darmflora besonders schaden
Riedl hat konkrete Tipps, wie man die Darmflora unterstützen kann: So solle man zu viel Fleisch vermeiden. „Das liegt daran, dass viel Fleisch einfach nicht unsere normale Ernährung ist. Auch Alkohol ist in größeren Mengen nicht gut, ebenso wie Stress. „Man merkt, dass sich die Darmflora bei Stress verändert. Und Fertigprodukte sind tatsächlich das größte Übel mit all der Chemie.“
Das Thema Fertigprodukte sei ein ganz wichtiger Punkt, weil die Bundesbürger im Schnitt von fünf bis 50 Prozent von solchen hoch verarbeiteten Produkten ernährten, sagt der Ernährungsmediziner. In Amerika ernähre sich die Jugend sogar schon zu 75 Prozent von hoch verarbeiteten Fertigprodukten, die zudem viel Salz enthielten. „Das bleibt für die Darmflora nicht ohne Folgen, und das verändert auch den ganzen Menschen. Es hat Auswirkungen auf die Psyche, auf die Gesundheit, auf die Infektanfälligkeit. Die neueste Forschung sagt auch ganz klar: Parkinson nimmt seinen Ausgang im Darm.“ Inzwischen wisse man auch, dass schwerwiegende Erkrankungen wie Multiple Sklerose auch mit der Darmflora zusammenhingen.
Eine verarmte Darmflora kann Beschwerden auslösen
Eine verarmte Darmflora merke der Betroffene nicht sofort, sagt Riedl, aber er könne beispielsweise mit Bauchschmerzen oder Blähungen reagieren. Auch leichte Veränderungen in der Psyche könne es geben: „Ich rate einfach mal einmal darauf zu achten: Wenn ich eine wirklich ganz tolle Gemüsemahlzeit gegessen habe, dann geht es mir ganz anders als wenn ich in irgendeinem Restaurant war, wo das Essen alles andere als gesund war.“
Die Zusammensetzung der Darmflora entscheide nachweislich sogar über die Lust am Sport und könne sogar unsere Intelligenz beeinflussen, sagt der Ernährungs-Doc. „Das ist für Europäer jetzt nachgewiesen worden. Also wer da eintaucht, der kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, und der kann einfach gar nicht mehr anders, als seine Darmflora zu pflegen und sie nicht unnötigerweise mit Chemie, Alkohol, Stress und viel Fleisch zu quälen.“
Ernährungs-Doc: So kann man seinen Darm unterstützen
Bei einem Versuch mit Mäusen habe man festgestellt, dass jene, die mit gesundem Essen gefüttert wurden, weniger infektanfällig waren und ihre Infekte weniger schwer verliefen.
- Ratgeber – Schwangerschaft & Diät: Ernährungs-Doc macht klare Ansage
- Ratgeber – Ernährung: Warum Zahngesundheit so wichtig ist
- Ernährung: Wie sich Thomas Müller ernährt – und was er mit dem Ernährungsdoc gemein hat
Und jeder könne für sich etwas tun: Ideal, um die Darmflora zu unterstützen, sind laut Riedl ballaststoffreiche Lebensmittel mit vielen sekundären Pflanzenstoffen wie beispielsweise der leicht bittere Chicoree. Sehr gesund seien außerdem zuckerarme Beeren, aber auch vergorene fermentierte Lebensmittel wie selbst gemachtes Sauerkraut.
Auch resistente Stärke wie beispielsweise in erkalteten Kartoffeln oder Nudeln sei gutes Futter für die Darmflora. Auch Espresso sei wegen seiner Ballaststoffe gesund für den Darm.
Riedl: Man kann jederzeit anfangen, seine Darmflora aufzupäppeln
Wer seinen Darm aufpäppeln möchte, könne jederzeit damit anfangen, sagt der Ernährungs-Doc. „Das, was die Bakterien brauchen, sind Ballaststoffe, und zwar möglichst vielfältige, und sie stellen dann daraus die Substanzen her, die bei uns antientzündlich wirken. Also, Ballaststoffe werden in antientzündliche Substanzen umgebaut.“ Das Minimum seien 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag. „Das erreichen 80 Prozent der Bevölkerung nicht, die Deutschen lieben im Schnitt bei unter 20 Gramm. Also, da ist viel Nachholbedarf.“
Rezept für Erdbeer-Chiapudding
Für 2 Personen, pro Portion: ca. 475 kcal, 17 g EW, 18 g F, 51 g KH, 19 g BST, 2 g Beta-Glucan, Zubereitungszeit: 15 Minuten, Quellen: 6 Stunden (über Nacht)
Zutaten: 200 g Erdbeeren, 100 ml Milch (1,5 % Fett), 100 g kernige Haferflocken, 200 ml ungesüßter Kokosdrink, 2 TL flüssiger Honig, 1 TL Limettensaft, 40 g Chiasamen, 1 Kiwi, 2 EL Kokoschips
Zubereitung: Am Vorabend die Erdbeeren waschen und putzen, die Hälfte der Beeren zum Garnieren beiseitelegen. Die übrigen Beeren grob zerteilen und mit der Milch in einem hohen Rührbecher mit dem Stabmixer fein pürieren. Die Haferflocken unterrühren. Den Erdbeermix auf hohe Gläser verteilen und etwa 10 Minuten quellen lassen.
Inzwischen für den Chiapudding Kokosdrink, Honig, Limettensaft und Chiasamen in einer Schüssel verrühren und etwa 10 Minuten quellen lassen. Dann nochmals durchrühren und vorsichtig auf dem Erdbeermix in die Gläser verteilen und zugedeckt mindestens 6 Stunden, am besten über Nacht, im Kühlschrank quellen lassen.
Am nächsten Tag die übrigen Erdbeeren je nach Größe halbieren oder vierteln. Die Kiwi schälen und in kleine Würfel schneiden. Früchte auf dem Flocken-Chiapudding verteilen und mit je 1 EL Kokoschips bestreuen.
Dr. Riedls Gesundheitstipp: Chiasamen und Haferflocken enthalten lösliche Ballaststoffe, die im Magen und Darm aufquellen und eine Art Gelschicht bilden, die zu einem angenehmen Sättigungsgefühl führt und sich wie ein Schutzfilm über die Magen- und Darmschleimhäute legt. Perfekt bei Magen-Darm-Beschwerden, Reizmagen oder Sodbrennen.