Lembach.. Der Unfallforscher Michael Weber analysierte schwere Unfälle mit Reisebussen. Technische Defekte scheiden seinen Ergebnissen zufolge aus als Ursache. Er fordert eine bessere Ausbildung mit Fahrsicherheitstraining.
Busse sind sichere Verkehrsmittel. Aber immer wieder schockiert die hohe Zahl von Toten und Verletzten, wenn diese mit vielen Menschen besetzten Fahrzeuge in Unfälle verwickelt werden. Schuld sind fast immer die Fahrer, und deshalb fordern Experten, dass die Politik eine bessere Ausbildung für sie vorschreibt.
Der schwere Busunfall am 13. März 2012 auf der A 95 im Schweizer Sierre-Tunnel lieferte das Thema für eine Tagung der Verkehrsrechtsanwälte im Deutschen Anwaltverein (DAV). Michael Weber vom Institut für Unfallforschung in Hamburg hat mehrere Busunfälle analysiert und nennt im elsässischen Lembach das Ergebnis: „Technische Fehler sind nicht die Ursache. Es sind die Fahrer, ihre Ausbildung wird vernachlässigt.“
Reisebusse gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln
Es wirkt wie ein Luxusproblem. Denn Reisebusse gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln. Das Risiko eines Unfalls ist im Auto weit größer. Aber bei Pkw ist die Zahl der Unfälle und der Toten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Bei den Bussen ist sie gleich geblieben.
Es ist eine Liste des Schreckens, die Michael Weber unter die Lupe nahm. Am 8. Dezember 1994 fährt in Bayern ein Reisebus mit Tempo 100 in einen Lkw mit Baumstämmen, die den Bus aufschlitzen. Sieben Menschen sterben, 20 werden schwer verletzt. Der Grund: Der Busfahrer hatte sich aufgeregt, dass der Reiseleiter das Sonnenrollo an der Frontscheibe abgerissen hatte.
22. Juli 2007 in den französischen Alpen: Ein Bus mit polnischen Pilgern kommt bei Tempo 80 von der Strecke ab und stürzt in die Tiefe – 26 Tote und 24 Schwerverletzte. Der Fahrer hatte eine für Autobusse gesperrte steile Gefällestrecke gewählt und sich laut Zeugen ein Rennen mit Motorrädern geliefert. Nach 55 Kurven waren die Bremsen an der letzten Serpentine überhitzt und funktionslos.
Der Fahrer war offenbar eingeschlafen
14. März 2010: Auf der A 8 bei Ulm landet ein Reisebus auf dem Acker, zwei Menschen sterben, 16 verletzen sich schwer. Der Unfalldatenschreiber zeigt, dass der Fahrer offenbar eingeschlafen war. Schließlich der Tunnel in der Schweiz, bei dem vor vier Monaten 28 Menschen starben. Erst zwei Minuten vor der Kollision hatte ein Fahrerwechsel stattgefunden. Offenbar war der Fahrer bei Tempo 100 im Tunnel kurz abgelenkt, touchierte den Bürgersteig und verlor die Kontrolle über seinen Bus, so dass dieser in einer Nothaltebucht gegen die Betonwand krachte.
Für Unfallforscher Michael Weber ergibt sich aus den Unfällen eine eindeutige Forderung an den Gesetzgeber: Busse darf nur der fahren, der sich fortbildet, der an Fahrsicherheitskursen teilnimmt. Extremsituationen zu kennen und zu wissen, wie man sie meistert, müsse für die Fahrer selbstverständlich sein. Die bisher gültigen Vorgaben reichten nicht aus.
Busunfall in der Schweiz
Ein weiteres Problem hat der Diplom-Ingenieur erkannt: In den Bussen schnallen sich zwar die Fahrer an, die Hälfte der Insassen legt den seit 1999 im Reisebus vorgeschriebenen Gurt dagegen nicht an. Weber: „Zu den Toten zählen in den meisten Fällen die Mitfahrer, die den Gurt nicht angelegt haben.“ Der Erfurter Rechtsanwalt Michael Burmann warnt auch vor finanziellen Folgen, falls Busreisende die Gurtpflicht ignorieren. Er verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az: I-6 U 187/11), das einer nicht angegurteten Mitfahrerin im Bus 30 Prozent Mitschuld gab. Burmann: „Das sind bei einem Schaden von 50 000 Euro genau 15 000 Euro, also ganz schön viel Geld.“
Unfallforscher Michael Weber räumt ein, dass Gurte nicht immer helfen. So sei beim Unfall der polnischen Pilger die Überlebenschance besser gewesen, wenn die Businsassen nicht angeschnallt waren und aus dem Bus geschleudert wurden. „Aber dieser Vorteil ohne Gurt“, so warnt er, „kommt nur bei einem von 100 Unfällen vor“.