Marokko. Trotz der politischen Unruhen in anderen nordafrikanischen Ländern ist Marokko immer noch ein beliebtes Ziel für deutsche Urlauber. Tourismusminister Lahcen Haddad erklärt im Interview, wieso es in Marokko bisher vergleichsweise ruhig blieb und was deutsche Besucher über die marokkanische Kultur lernen können.
Marokko ist wie kein anderes Land in Nordafrika ein Garant für Stabilität und Sicherheit. Über die Gründe dafür sprachen wir mit dem Tourismusminister des Landes, Lahcen Haddad.
Herr Haddad, anders als in Ägypten und Tunesien gab es in Marokko keinen revolutionsartigen Umbruch des Staatssystems. Das hat in den letzten Jahren für steigende Urlauberzahlen aus Deutschland gesorgt. Woher kommt diese politische Stabilität?
Lahcen Haddad: Dass es gar keine Revolution gab, ist so nicht richtig. Wir hatten eine stille Revolution, eine friedliche. Es gab in den vergangenen 20 Jahren immer wieder nach vorne gerichtete Reformen und Änderungen unserer Gesetze. Zum Beispiel wurden neue Parteien zugelassen. Und unser König hat Macht an Minister und das Parlament übertragen. Die Länder, die gegen den Willen ihres Volkes und gegen die Zeichen der Zeit kämpfen, haben heute die größten Probleme. Marokko dagegen hat den Arabischen Frühling nicht gefürchtet. Wir haben ihn mit offenen Armen empfangen.
Macht Ihnen der Konflikt in Mali, das wie Marokko ein an die Sahara grenzendes Land ist, in Hinblick auf Ihre Stabilität und Sicherheit Sorgen?
Haddad: Nein. Erstens haben Marokko und Mali keine gemeinsame Grenze. Zweitens ist die Grenze zu Algerien gut gesichert. Aber was viele Menschen nicht wissen: Um das Einsickern von Terroristen aus den südöstlichen Grenzgebieten zu unterbinden, gibt es einen 2700 Kilometer langen, von Soldaten bewachten Wall. Er reicht von der marokkanisch-mauretanischen Küstengrenze im Südwesten bis zum marokkanisch-algerisch-mauretanischen Dreiländereck im Nordosten des Landes.
Die Besucherzahlen aus Deutschland steigen seit Jahren kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr kamen vier Prozent mehr Gäste als noch 2011. Wie wollen Sie denn diese Entwicklung weiter befeuern?
Haddad: Nach wie vor sind Agadir mit seinen Stränden und Marrakesch als Kulturmetropole unsere größten Zugpferde. Seit es 2010 die Autobahn zwischen beiden Städten gibt, kombinieren immer mehr Menschen diese Angebote miteinander. Sei es für einen Tagesausflug oder für mehrere Nächte. Doch die Infrastruktur vor Ort ist nur ein Aspekt: Mindestens genauso wichtig ist, dass Veranstalter und Airlines mehr Flüge nach Marokko anbieten. Denn Angebot schafft Nachfrage. Erst dann können wir vor Ort mit unserem Angebot überzeugen.
Apropos Angebot: Wie kommt der Ausbau der neuen Strand-Resorts voran?
Haddad: In zwei Jahren wird das Resort „Oued Chbika“ in der Tan Tan Region südlich von Agadir eröffnen. Zur gleichen Zeit soll nördlich von Agadir das Taghazout-Resort fertig sein. Dort wollen wir mit günstigeren Angeboten als heute punkten. Die Auswahl wird also künftig größer.
Marokko hat in Deutschland gerade erst eine neue Kampagne gestartet. Eine, die anders ist als die meisten.
Haddad: Das ist unbedingt gewollt. Die neue Kampagne dient nicht dem Verkauf von Hotelzimmern. Es geht darin um Menschen. Unsere Menschen. Marokkaner, die sich vielfältigst kulturell einbringen und ein Abbild unserer Gesellschaft darstellen. Ich denke, darüber weiß man in Deutschland noch zu wenig. Marokko hat eine Jahrtausende alte Geschichte, beeinflusst vom Islam, Berber- und Judentum, von Afrika, von Iberern und Franzosen. Dieses kulturelle Erbe hat sich wie Schichten über unser Land und unsere Medinas gelegt. Um im Bild zu bleiben: Je tiefer man gräbt, desto mehr Schönes kommt zum Vorschein.