Essen. Tanger war schon immer Tor zu Europa. Marokkos König knüpft an diese Tradition an und will die Stadt mit einem Jachthafen und neuen Hotels attraktiv machen für Touristen aus Europa. Tatsächlich sieht Tanger bereits aus wie ein Marseille ohne Müll. Dennoch schafft es die Stadt, Authentizität zu bewahren.

Inschallah. So Gott Will. Das ist das erste arabische Wort, das man in Marokko lernt. Erreichen wir den Bus? Kommen wir pünktlich zum vereinbarten Treffen? In der nordmarokkanischen Stadt Tanger, gegenüber der spanischen Küste gelegen, sind die Menschen vor allem eins: entspannt. Hektik findet hier nur im Feierabendverkehr statt – oder am Freitagabend, wenn die ganze 715.000-Einwohner-Metropole schnell nach Hause will. In den vergangenen zehn Jahren hat sich hier eine Menge verändert. Schon immer war das direkt neben der spanischen Enklave Ceuta gelegene Tanger international geprägt und galt als Tor zu Europa.

Doch seit König Mohammed VI. an der Macht ist, hat das Tempo der Entwicklungen deutlich angezogen. An der breit angelegten Strandpromenade soll ein riesiger, exklusiver Jachthafen entstehen und Tanger attraktiver für Kreuzfahrten machen. Ein Investor nach dem nächsten kauft Gebiete in Meernähe auf, unzählige Hotels entstehen. Und die Marokkaner sind stolz auf ihre Errungenschaften. Vor allem über all das, was nach Europa aussieht.

Wer sich ins Nachtleben von Tanger stürzt, der könnte meinen, er sei in einem aufgeräumten Südfrankreich, in einem Marseille ohne Müll und Dreck. Dabei ist es doch gerade das, was die übersättigten europäischen Touristenaugen sehen wollen: Authentizität. Und auch die findet man in Tanger.

Ein Frischer Minztee im Café mit Meerblick

Das Café Hafa war schon in den 20er Jahren ein beliebter Inspirationsquell für Künstler, Literaten und Musiker. Bei einem „Thé à la menthe“, einem frischen Minztee, mit grünem Tee und jeder Menge Zucker aufgegossen, genießt man hier seit Jahrzehnten den Blick aufs Meer. Auch heute noch treiben sich einige merkwürdige Gestalten herum, der Geruch von Cannabis liegt in der Luft. Trotzdem: Ein Unwohlsein kommt hier nicht auf, nur sehr selten werden europäische Frauen hier schräg angeguckt.

Das Schönheitsideal ist etwas anders

Unzählige kleine Gassen schlängeln sich durch das Zentrum. Katzen streunen herum und hoffen, dass den Fischhändlern die eine oder andere Sardine vom Handkarren fällt. Es riecht intensiv nach Leder und Gewürzen. Teuflisch süßes Gebäck und Joghurtgetränke mit Nüssen kaufen die Marokkaner vor allem vormittags – zum zweiten Frühstück. Viele Frauen und Männer sind hier recht wohlgenährt. Ein anderes Schönheitsideal? „Ja, wir Marokkaner mögen es gern, wenn die Frauen nicht so dürr sind“, erklärt Redouan. Bei all den Köstlichkeiten, von Lammtajine über Couscous bis zu allerlei Seefisch, fällt es sicher nicht leicht, die Linie zu halten.

Abtrainieren kann man die Kalorien bei einem Spaziergang durch die Herkulesgrotte. Der Sage nach soll Herkules hier Europa von Afrika getrennt und sich dann zur Ruhe gesetzt haben. Die riesigen Aushöhlungen sind durch den Wellengang entstanden. In der Grotte versuchen ältere Männer Berberhüte, bemalte Teller und andere Souvenirs an die Touristen zu bringen. Und die kommen häufig: Die Herkulesgrotte gilt als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Tanger. Hier hängen Postkarten, auf denen der König und seine Frau abgebildet sind. Der Monarch ist der erste Marokkos, der seine Gattin der Öffentlichkeit präsentiert. „Er ist bei uns sehr beliebt“, sagen die Souvenirverkäufer.

Projekt ist Prestigeobjekt des Königs

Weniger touristisch geht es am Hafen Tanger Med zu. Der Containerhafen zwischen Tanger und Ceuta soll einmal der größte Tiefwasserhafen Afrikas werden. Einige Bereiche sind bereits seit 2007 in Betrieb, auch eine Freihandelszone gibt es. Riesige Baukräne schmiegen sich in den typisch marokkanischen Landschafts-Mix aus Meer und Bergen. Langfristig soll der Hafen zahlreiche Arbeitsplätze schaffen, das Projekt ist eines der Prestigeobjekte des Königs. Die Initiatoren bekommen dafür nicht nur Applaus. So mancher hat Bedenken, Marokko baue sich seine Küste komplett zu. „Aber wir haben wirklich noch sehr viel freie Küstenfläche hier“, sagt Redouan lachend. Außerdem: Wer weiß, ob der Hafen wirklich im geplanten Tempo entsteht? Das weiß wohl nur Gott. Inschallah.