M'Hamid. Gibt es einen unwirtlicheren Ort zum Wandern als die Sahara? Keine Toiletten, sengende Sonne, Sand in den Ohren. Wer sich darauf einlässt, bemerkt die Widrigkeiten allerdings kaum. So sehr fesseln ihn Naturgewalten, Stille, Weite - und Teekünste.

Das sattgrüne Draa-Tal ist eine riesige Oase mit schwindelerregend hohen Dattelpalmen und dichten Getreidefeldern. Auf dem Weg in die Sahara dominiert schnell trockene Weite das Bild. Kilometerlang führt die Straße im südlichen Marokko durch spärlich besiedelte Gegenden, bis sie in M'Hamid endet. Einige Häuser trotzen dort der Trockenheit und bilden den Ausgangsort für Touren in die Wüste.

Ein Händler entdeckt die Touristen, die auf sein Geschäft zusteuern. "Willkommen am Ende der Welt!", ruft er grinsend und wedelt mit blauen Turbantüchern. Klar, die Welt hört hier nicht wirklich auf - die vertraute, zivilisierte Welt allerdings schon, wie das Kameltrekking in den nächsten Tagen zeigen wird.

Ein Sandsturm zieht auf

Der Start ist erst einmal mit Arbeit verbunden. Schließlich müssen die Kamele mit all den Dingen beladen werden, die die Reisenden für die Tour brauchen: Essen, ein Gaskocher, Zelte, Schlafsäcke und natürlich Wasserflaschen, mehrere Dutzend davon. Die Kamele scheint die Last nicht zu stören. Sie bleiben friedlich liegen, während die vollgepackten Körbe auf ihren Rücken verschnürt werden. Dann kann es losgehen. Über die asphaltierte Straße hinweg in den rötlich schimmernden Sand. Langsam verschwinden die Häuser aus dem Blickfeld, und vor einem liegt nichts als die Wüste.

Die Kamele sind hintereinander gebunden, sie bewegen sich gleichmäßig vorwärts. Es ist ruhig, nur die Schritte der Tiere und der Menschen sind zu hören und das Gluckern der Wasserflaschen in den Körben. Das erste größere Abenteuer kündigt sich kurze Zeit später aber schon am Horizont an, wie Abidin, einer der beiden Guides, bemerkt. "Ein Sandsturm kommt auf", sagt der junge Berber. Das ist nicht einfach ein Wind, der etwas Sand durch die Gegend pustet. Nein, der Himmel wird grau, von der eben noch grellen Sonne ist fast nichts mehr zu sehen.

Platz für ein ruhiges Nachtlager

Massenhaft Sand fliegt umher, wirbelt über den Boden, prescht durch die Luft und trommelt an den Körper. Reden ist kaum möglich. Das Sehen fällt schwer. Die Touristen wickeln ihre Berbertücher etwas fester um den Kopf und ziehen sie über Mund und Nase. Die Augen blicken nach unten, wo der Wind den Sand über den Boden scheucht. Es geht zügig voran, niemand spricht. Irgendwann ist der Wind so stark, dass die Augen besser fast ganz geschlossen bleiben. Jeder konzentriert sich auf seine Schritte und passt auf, die kleine Karawane nicht aus dem Blick zu verlieren.

Die Gruppe kommt an eine Düne. Gerade so hoch und breit, dass es hinter ihr etwas windstiller ist und es genügend Platz für ein Nachtlager gibt. Alle atmen auf. Als wenig später sogar ein Zelt aufgebaut ist, hockt sich die Gruppe hinein und Abidin beginnt, das Abendessen zuzubereiten. Der Wind, der am Zelt reißt, scheint ihn nicht mehr zu stören. Und während er in Kisten und Tüten kramt, Gemüse und Reis herausholt und mit einfachsten Mitteln kocht, kommen die Guides und die Reisenden ins Gespräch.

Abidin und Fouad sind in der Wüste aufgewachsen

Außer Abidin begleitet noch Fouad die Gruppe. Er ist der Schüchternere der beiden und lächelt meist verlegen, wenn er angesprochen wird. Dennoch kommt das Gespräch mit einer Mischung aus Französisch und Englisch langsam in Gang. Fouad ist 22, Abidin 25 Jahre alt. Sie sind beide in der Wüste aufgewachsen, wie sie erzählen. Sie kennen sich in dieser Gegend gut aus, arbeiten schon seit längerem als Tourguides.

Nicht nur in dieser Hinsicht werden die Unterschiede zum Leben der Touristen deutlich. Abidin und Fouad staunen ungläubig, als die Europäer berichten, dass sie keine Geschwister haben oder höchstens noch einen Bruder. Abidin hat sechs Brüder. Und Fouad? Nur vier Geschwister - "eine Kleinfamilie", sagt er lachend.

Auf den Dünen rauscht der Wind

Am nächsten Morgen hat sich der Sturm verzogen. Jetzt ist zwar alles voller Sand, im Mund knirscht noch das ein oder andere Sandkorn, und selbst in die Ohren hat sich Sand verirrt. Doch egal. Denn nun geht die Tour endlich weiter durch endlose Sandlandschaften. Vorneweg Abidin und Fouad, dahinter an einer Leine die Kamele mit den Körben auf dem Rücken. Ihre Körper schaukeln beim Gehen sanft hin und her.

Einer der nächsten Höhepunkte ist das Gebiet um die Sahar-Düne. Sahar heißt auf Arabisch so viel wie Rauschen, erklärt Abidin. "Denn oben auf den Dünen rauscht der Wind immerzu." Die höchste ist etwa 300 Meter hoch. Der Aufstieg auf eine dieser Dünen erfordert einige Kraft. War der Sand bei den kleineren oft relativ fest und gut begehbar, sacken die Füße hier tief ein, fast der halbe Unterschenkel ist bei jedem Schritt verschwunden. Die Schuhe in der Hand, stapft die Gruppe nur mit Socken weiter. Der Wind pfeift tatsächlich kräftig und weht eine feine Sandschicht über den Dünengipfel. Oben angekommen ist der Ausblick atemberaubend.

Es sind Momente wie dieser, die sich sofort ins Gedächtnis einbrennen und die Anstrengungen - sengende Sonne, Blasen an den Füßen, selten Möglichkeiten für die einfachste Hygiene - zur Nebensache machen.

Unvergessliche Momente

Von solchen unvergesslichen Momenten gibt es auf der Reise einige: Wie Fouad schon zum Frühstück unfassbare Mengen Zucker in die Kanne gibt und mit Tee aufgießt, um den sogenannten Berberwhiskey anschließend aus einigen Zentimetern Höhe in die kleinen Gläser fließen zu lassen. Wie sich Abidin freut, als sein Lieblingskamel, die helle Seram, ihm ein Küsschen auf die Wange gibt. Wie der Wind sanft durch die wenigen Bäume der kleinen, unbewohnten Oase streift, in der die Karawane mittags wegdöst. Und wie die Sonne abends hinter den Dünen verschwindet und alles in ein dunkelrotes Licht taucht.

Tagelang sind keine anderen Menschen zu sehen. Langeweile kommt aber nicht auf, da die Wüste nie gleich aussieht, sondern sich immer wieder verändert. Mal ist sie sandig und wirft Dünen auf, mal ist sie weich wie Gummi und gibt bei jedem Schritt leicht nach. Hin und wieder entdeckt man auch Spuren menschlichen Lebens: Die Mauerreste eines alten Gebäudes, Tonscherben und sogar menschliche Knochen. Immerhin ziehen Karawanen schon seit Jahrhunderten durch die Sahara.

Die Sterne scheinen greifbar nahe

Es ist wieder Zeit, das Nachtlager aufzubauen. Kurz vor Sonnenuntergang hat Fouad noch ein paar trockene Zweige und Äste für ein Lagerfeuer entdeckt. Die kleine Gruppe hockt sich um das wärmende Feuer - es ist ziemlich kalt geworden, seitdem die Sonne weg ist. Als die Flammen schon eine Weile lodern, kommt Abidin mit einem großen Teigfladen. Er holt Glut aus dem Feuer, verteilt sie mit einem Stock auf dem Wüstenboden, legt die runde Teigmasse darauf und bedeckt sie komplett mit noch mehr Glut.

Nach ein paar Minuten klopft der junge Berber mit einem Stock darauf - es klingt hohl. "Das Brot ist fertig", sagt Abidin und befreit den Fladen sorgfältig von der Asche. Er ist außen knusprig fest, und als sich jeder ein Stück abreißt, dampft das Brot. Das Innere schmeckt wunderbar weich und warm.

Etwas später ist das Feuer aus, im Camp wird es stockdunkel. Dafür strahlt der Himmel nun umso mehr: Hunderte, vielleicht Tausende Sterne funkeln dort, einige schwächer, andere stärker. Sie wirken viel näher als zu Hause, viel greifbarer. Das ist atemberaubend und unfassbar schön. So könnte jeder Abend enden. Nur schade, dass es morgen schon wieder zurück in die andere Welt geht.