Essen. Krieg, Inflation, Energiekrise - diese Themen beschäftigen die Menschen. Die Landespolitik rückt in den Hintergrund - mit Folgen für die Wahl.

Wenige Tage vor der Landtagswahl am Sonntag überlagern der Ukraine-Krieg und seine Folgen viele landespolitische Themen. Dies könne nach Ansicht von Wahlforschern und Politikexperten die Wahlentscheidung vieler Menschen beeinflussen. Landesspezifische Themen wie Bildung, innere Sicherheit oder Verkehr rückten angesichts des Krieges, der drohenden Energiekrise und der Inflation in den Hintergrund. „Die Menschen interessieren sich derzeit für Themen, die in NRW gar nicht zur Wahl stehen“, sagt Prof. Achim Goerres, Politikwissenschaftler an der Uni Duisburg-Essen.

Der Ukraine-Krieg sei in den Köpfen der Menschen derzeit sehr präsent, „und diese Gedanken sind auch mit Emotionen und Angst verbunden“, so Goerres. Solche Krisenzeiten seien für die jeweiligen Amtsinhaber oft von Vorteil. „Auf der Suche nach Stabilität und Stärke suchen die Menschen Sicherheit.“ Dies könnte dem amtierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) in die Karten spielen, glaubt Goerres. Allerdings sei Wüst noch nicht lange genug im Amt, um von diesem „Landesvater-Bonus“ deutlich zu profitieren, gibt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Prof. Stefan Marschall zu bedenken.

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    Landtagswahl in besonderen Zeiten

    Auch nach Ansicht des Politikforschers Marschall steht diese Landtagswahl unter besonderen Vorzeichen. „Die Menschen haben andere Dinge im Kopf als die Frage, wer der nächste Ministerpräsident wird“, sagte er dieser Redaktion. „Die Wählerinnen und Wähler denken an den Krieg und seine Folgen. Da taucht die Landespolitik nur am Rande auf.“ Dafür spreche auch, dass die Bedeutung der Corona-Pandemie bei vielen Menschen in den Hintergrund gerückt sei.

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    Das zahle auf das Konto der CDU ein, mit deren Pandemie- und Schulpolitik viele Wahlberechtigte unzufrieden sind. Auch die Mallorca-Affäre der CDU spiele angesichts der Krisensituation keine große Rolle mehr. „Ohne den alles beherrschenden Ukraine-Konflikt wäre die schwarz-gelbe Koalition wegen der Unzufriedenheit mit ihrer Corona- und Schulpolitik von den Wählern abgestraft worden“, glaubt Goerres.

    Weniger Aufmerksamkeit für Landespolitik

    „Für die Kandidaten ist es derzeit schwer, mit landespolitischen Themen Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt Stefan Marschall. Das mache es für die Wählerinnen und Wähler schwerer, Unterschiede zwischen den Parteien zu erkennen. „Insofern fällt die Polarisierung weg, die man braucht, um Menschen zu mobilisieren.“ Dies werde sich voraussichtlich an der Wahlbeteiligung ablesen lassen, meint Marschall. „Das Rennen ist vollkommen offen.“

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    Achim Goerres verweist indes auf das hohe Politikinteresse vor allem junger Menschen. „Viele von ihnen haben das Gefühl, dass sie in einer Epoche leben, in der es um etwas geht: Klimawandel, Corona, nun auch ein Krieg in Europa. Das könnte dazu führen, dass sich mehr Leute für die Wahl interessieren.“

    Die Stimmung: Keine Experimente

    Nach Ansicht von Prof. Norbert Kersting, Wahlforscher an der Uni Münster, werden bei diesem Wahlgang die zur Wahl stehenden Personen sowie bisherige Parteibindungen der Wähler wieder wichtiger. „Der Krieg dominiert derzeit die Landespolitik. In Krisenzeiten rücken die Wähler mehr in die Mitte, was die politischen Ränder rechts und links schwächt.“ Die Wähler könnten in der Wahlkabine nach dem Motto entscheiden: Keine Experimente.