Düsseldorf. Die NRW-Opposition fordert eine langfristige Strategie in der Corona-Politik. Der Vorschlag findet in einer hitzigen Debatte keine Mehrheit.
Bevor sich am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder trifft, hat die Opposition in NRW einen langfristigen Plan für die Corona-Politik gefordert. Zudem wollen die Parlamentarier mehr in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich zu seiner Zielsetzung für das Treffen mit der Kanzlerin geäußert: „Kita und Schule sind morgen die entscheidenden Themen.“ Man könne so viele Tablets anschaffen wie man wolle: „Das Homeoffice für Kinder ist kein guter Lernort“, sagte Laschet. „So zu tun, als könne man Kinder digital erziehen, ist eine schlicht falsche Herangehensweise und Unsinn.“ Mit welchen konkreten Forderungen er in die Verhandlungen geht, wollte er aber nicht sagen. „Ich halte das nicht für klug, dass sich 16 Ministerpräsidenten in ihrem Landtag festlegen“, sagte Laschet.
Wenn der Landtag am Donnerstag wieder zusammenkommt, müsse er sich dann dafür rechtfertigen, warum seine Ankündigungen nicht umgesetzt worden seien. Es sei nicht gut „hier“ – im Landtag – „vor der nordrhein-westfälischen Öffentlichkeit herumzuspekulieren“.
„Ich tue alles, dass Geschäfte möglichst bald wieder offen sind, aber es muss verantwortlich bleiben, diese Verantwortungen liegt bei uns allen“, sagte der Ministerpräsident.
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Die Oppositionsfraktionen von SPD, Grünen AfD brachten jeweils einen eigenen Entschließungsantrag ein. Zudem hatten SPD und Grüne bereits am Vortag einen gemeinsamen Antrag veröffentlicht. Letztlich fand jedoch keines der vier eingebrachten Papiere im Parlament eine Mehrheit.
SPD-Fraktionsvorsitzender Kutschaty: „Wegkommen von der Schluckauf-Politik“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty eröffnete die Plenardebatte. Die Pandemie ende erst mit flächendeckender Impfung, sagte der Essener. Man müsse von der „überhöhten Erwartungshaltung“ an die Treffen mit der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin wegkommen.
Eine langfristige Corona-Strategie sei wichtig – ein „Wegkommen von der Schluckauf-Politik“ mit Ungewissheit für die Bürgerinnen und Bürger, wie Kutschaty es nannte. „So können die Menschen mit Maßnahmen leben, weil sie nicht alle 14 Tage gespannt auf den einen Gipfel warten müssen, um zu erfahren, was dann gilt.“
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte sich am Montag eher ablehnend gegenüber solcher Pläne geäußert: Es habe sich in dieser Krise bewährt, „auf Sicht zu fahren“.
Kutschaty zu Impfterminvergabe: Lehren aus Chaos ziehen
Die nordrhein-westfälische Teststrategie müsse angepasst werden, sagte Kutschaty. Jeder positive Test müsse auch auf die neuartigen Mutationen untersucht werden, wie es bereits in einigen Städten wie Köln passiert. Der Sozialdemokratie sagte, die Landesregierung müsse „Lehren aus dem Chaos der bisherigen Impfterminvergabe ziehen“. Er schlug vor, die Terminvergabe nach Jahrgängen zu staffeln.
Der SPD-Politiker dankte Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) für seinen Vorschlag für einen Stufenplan. In einem „Debattenbeitrag“ hatte dieser ein Fünf-Phasen-Modell ins Spiel gebracht, das eine schrittweise Rückkehr zur Normalität ermöglich soll. Noch besser hätte es Kutschaty jedoch gefallen, wenn dieser Vorschlag direkt von der Landesregierung gekommen wäre. In der Landtagsdebatte nannte Ministerpräsident Laschet den Fünf-Punkte-Plan seines Vize Stamp „sehr gut“.
Grüne: Beschäftigte in Kitas und Schulen bei Impfungen hochstufen
In einigen Punkten deckten sich die Anträge der SPD und Grünen. So fordern beide Fraktionen, dass es bei der Terminvergabe Reservelisten geben soll. So könnten Menschen nachrutschen, wenn jemand seinen Impftermin nicht wahrnimmt.
Ein Stufenplan müsse Szenarien für „verantwortungsvolle Öffnungen“, aber auch für „notwendige Verschärfungen“ enthalten, sagte die Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul. Sie sprach sich zugleich für die Verlängerung des derzeit bis 14. Februar befristeten bundesweiten Lockdowns aus.
Aus dem schriftlichen Antrag der Grünen gingen außerdem diese Forderungen hervor:
- Die Lizenz zur Produktion der zugelassenen Impfstoffe solle für andere Unternehmen freigegeben werden, um die Kapazitäten zu erhöhen.
- Beschäftigte in Kitas und Schulen sollen in der Prioritätenliste in die zweite Gruppe hochgestuft werden.
- Die Nachverfolgung in den Gesundheitsämtern müsse ausgebaut werden. Die Kommunen sollen flächendeckend die Software „Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System“ nutzen.
Für die CDU-Fraktion entgegnete Bodo Löttgen, dass Fünf-Punkte-Pläne nicht weiterhelfen würden: „Stufenpläne wären eine lineare Antwort auf ein dynamisches Problem.“ Die Antwort dürfe nicht aus Bürokratie bestehen: „Der Virus kennt keinen Dienstweg.“ In Hinblick auf den Infektionsschutz müsse neu über den Datenschutz gesprochen werden. Auch andere Grundrechte wie die Freizügigkeit oder Ausübung des Berufs dürften dem Virus zum Opfer fallen. Das müsse bei der Bewertung des Datenschutzes bedacht werden.
FDP-Fraktions Chef Rasche: Stimmung in der Bevölkerung „ändert sich“
Für die FPD sprach Fraktionschef Christof Rasche. Bei anzustrebenden „verantwortungsvolle Öffnungen“ müssten Grundschulen Vorrang haben. Aber auch bestimmte Dienstleistungen gehörten in die erste Öffnungsphase. Es sei auch nicht verständlich, dass bestimmte Sportarten in Niedersachsen oder Hessen unter Auflagen erlaubt seiden, in NRW aber verboten. Die Akzeptanz der Menschen im Lockdown schwinde. Die Stimmung in der Bevölkerung „ändert sich“.
Das Wort für die AfD ergriff Martin Vincentz das Wort. Er zweifelte an der Aussagekraft der Daten (wie R-Wert und Todeszahlen) aufgrund derer politische Entscheidungen getroffen werden. Für seine Rede wurde Vincentz, der im Hauptberuf Arzt ist, von Bodo Löttgen (CDU) angegangen. Löttgen warf ihm vor, die Folgen des Virus zu „leugnen oder zu relativieren“. Das sei ein Schlag ins Gesicht des medizinischen Personals. Vincentz entgegnete, dass nicht die Rede davon sein könnte, dass er „seiner Fürsorgepflicht als Arzt“ nicht nachkomme.
NRW-Opposition fordert mehr politische Teilhabe
Künftig solle die NRW-Landesregierung vor den Verhandlungen dem Düsseldorfer Landtag ihre Ziele mitteilen, heißt es seitens der Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen. Das geht aus dem vorab veröffentlichten Antrag der beiden Parteien hervor.
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In Hinblick auf eine mögliche Lockerung des Lockdowns sei die Frage „von parlamentarischem Interesse, welche Linie der Ministerpräsident und die Landesregierung bei dieser Frage für unser Land verfolgen“, heißt es in dem Papier. Die schwarz-gelbe Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet sei sich in der Pandemie bislang „sichtbar uneinig über die zu verfolgende Strategie“ gewesen. NRW brauche eine „verlässliche Perspektive“, fordern unter anderem die Parlamentarier Thomas Kutschaty (SPD) und Verena Schäffer (Grüne).