Düsseldorf. NRW macht ernst: Polizei-Einsätze wegen Straßenblockaden werden in Rechnung gestellt. Aber nicht nur Öko-Aktivisten sind betroffen.

Normalerweise zeigt Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) wenig Scheu, die Rolle des „Mr. Null Toleranz“ mit markigen Sätzen und eingängigen Bildern zu unterlegen. Bei der jüngsten Änderung der Gebührenordnung des Landes jedoch, die saftige Einsatzrechnungen für „Klimakleber“ möglich macht, beließ er es bei einem schnöden Verwaltungsakt. Fast stillschweigend wurde das neue Regelwerk im Amtsblatt veröffentlicht.

Gewiss wollte Reul seinen Koalitionspartner nicht unnötig reizen. Er ertrug es sogar stoisch, dass die FDP-Opposition im Landtag der schwarz-grünen Landesregierung unterstellte, sie habe lange „Welpenschutz für radikale Klimagruppierungen“ gewähren wollen. Die NRW-Grünen distanzieren sich zwar von Straßen- und Rollfeldblockaden der „Letzten Generation“, tun sich aber deutlich schwerer im Umgang mit solchen Protestformen aus der Öko-Bewegung. Zugleich ist noch nicht vollends klar, wann und wie die NRW-Polizei Kosten auf die „Klimakleber“ abwälzen soll.

Auch Junggesellenabschiede könnten teuer werden

In der Gebührenordnung wurde ein Passus eingezogen, der einigen Spielraum lässt: Das „Tätigwerden der Polizei wegen einer öffentlichen Ansammlung auf Grund eines Aufrufes oder dessen Weiterverbreitung in einem sozialen Netzwerk“ werde dem Verursacher künftig in Rechnung gestellt, „wenn die Ansammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt“. Wenn man die Stundensätze hochrechnet, die für das aufwendige Loslösen mehrerer Hände vom Berufsverkehr-Asphalt anfallen, können überschlägig bis zu 50.000 Euro fällig werden.

Das NRW-Innenministerium erklärte am Montag auf Anfrage, dass man nun grundsätzlich eine Gebühr erheben könne, wenn ein Platzverweis mit „unmittelbarem Zwang“ durchgesetzt werden müsse. Dies gelte aber nicht nur bei Aktionen der „Klimakleber“, sondern „auch beispielsweise im Zusammenhang mit Fußballspielen und Junggesellenabschieden“. Mögliche Ausnahmen: Wenn der Ermittlungsaufwand zum Rechnungschreiben höher ist als die Kosten des eigentlichen Polizeieinsatzes, wird auch weiterhin darauf verzichtet. Bloße Bagatellfälle sollen ebenfalls nicht abgerechnet werden. Als Ausschlusskriterium gilt auch die „Unbilligkeit“, die Polizisten häufig im Einsatzalltag erleben: Wenn gegen eine offenkundig mittellose Person Gewalt angewendet werden muss oder gegen Menschen in psychischen Ausnahmesituationen.

Ob eine Einsatzrechnung kommt, entscheidet der Polizist im Einsatz

Ob eine Einsatzrechnung folgt oder nicht, soll nach den bisherigen Vorstellungen in Düsseldorf der Polizeivollzugsbeamte in der Einsatzsituation entscheiden. Nach der Erstbewertung würde er oder sie den Vorgang zur Bearbeitung an die zuständige Verwaltungsstelle in der Behörde weiterleiten. „Um die Bearbeitung einfach zu halten, wird derzeit ein Musterformular für die Kreispolizeibehörden erarbeitet“, erklärte das Innenministerium.

Ganz neu muss NRW das Rad nicht erfinden. Länder wie Hessen, Bayern, Sachsen-Anhalt und selbst das grün-regierte Baden-Württemberg stellen den Verursachern von Straßenblockaden schon länger die Kosten für die Polizeieinsätze in Rechnung. In der bundesweiten Perspektive ist es ohnehin nicht völlig unbekannt, dass Polizeikosten für Fehlalarme, Trunkenheitsgewahrsam oder Tierrettung dem Verursacher auferlegt werden. Der Umgang mit der Klima-Protestform des mutwilligen Störens stellt manchen Beamten auf der Straße dennoch vor Rätsel. Es fehlen etwa einheitliche Standards zur Rechnungslegung. „Derzeit werden weitergehende Anwendungshinweise zu der neuen Gebühr entsprechend der Regelungen der anderen Länder erarbeitet“, lässt Reul ausrichten.

Klar ist überall, dass Teilnehmer von angemeldeten Veranstaltungen, die unter das Versammlungsrecht fallen, nie mit Kosten belegt werden. Sie üben schließlich nur ihr Grundrecht aus. Die Länder wollen sich aber nicht länger auf die Logik von „Klimaklebern“ einlassen, die eine Blockade des öffentlichen Lebens mit einer Art Rechtsnotstand begründen. Weil sich die Politik nicht an die eigenen internationalen Klimaabkommen halte, müsse man Klima-Maßnahmen durch radikale Eingriffe ins öffentliche Leben erzwingen.

Polizeigewerkschaften begrüßen, dass künftigen Kosten auferlegt werden

Das Bundeskriminalamt hat in einem bundesweiten Lagebild seit Anfang 2022 bereits 580 Straftaten der „Letzten Generation“ zugeordneten. 740 Personen seien polizeilich in Erscheinung getreten. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) begrüßt, dass nun auch NRW andere Saiten aufzieht:

„Es ist der rechtstreuen Bevölkerung nicht zu verkaufen“, heißt es in einer BDK-Stellungnahme für den Landtag, „dass die Polizei personelle und sachliche Ressourcen einsetzen muss, um rechtswidrige Prozesse der politischen Willensbildung oder andere sozialschädliche Verhaltensmuster im Sinne des Gemeinwohls zu unterbinden, ohne dass es hier zu einer Rückforderung der eingesetzten Steuermittel kommt.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen berichtet, dass im NRW-Nachbarland das Hessische Polizeipräsidium für Technik in den vergangenen drei Jahren bereits zentral in 188 Fällen Polizeikosten gegenüber Klimaaktivisten erhoben habe. Mit Sorge betrachte man „den zunehmenden Fanatismus einzelner Gruppierungen aus der Klimabewegung“, so die GdP.