Dortmund. Ratten, Schimmel, defekte Heizung: Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) besuchte am Dienstag eine “Problemimmobilie“ in Dortmund.
Im Rahmen einer NRW-weiten Kontrollaktion wurden am Dienstag Häuser von Wohnungsunternehmen in elf Städten untersucht. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) machte sich persönlich ein Bild von der Situation in Dortmund.
Ina Scharrenbach ist zusammen mit Kontrolleuren der Stadt Dortmund am Dienstagmorgen in der nördlichen Innenstadt „Mietmissständen“ auf der Spur. In einem Gebäudekomplex mit 130 Mietparteien, der das volle Spektrum der Behörden-Wortschöpfung „Mietmissstand“ sicht-, greif und riechbar macht.
Ratten stromern zwischen Spielzeugautos herum
Da sind die Ratten, die morgens um neun auf ihrem Weg von einem Mülleimer zum nächsten einen Spielplatz queren, auf dem Kinder Spielzeugautos geparkt haben. Da sind die hüfthohen Gräser vor der Fassade, die mindestens in diesem Jahr noch keinen Gärtner gesehen haben. Da ist der mobile „Wärmewagen“, der eine seit Monaten kaputte Gasheizung ersetzen soll, aber „sehr störanfällig“ sei, wie Stefan Geide von der Dortmunder Wohnungsaufsicht erklärt. Da sind die vielen verbogenen Briefkästen, das mit einem Stift über Klingeln gekritzelte Wort „Defekt“ und Bretter, die an einer Haustür, die sich nicht mehr schließen lässt, Flächen bedecken, die einst aus Glas waren.
Ein Kontrolleur drückt neugierig auf den Aufzugknopf. Er wettet, dass sich nichts bewegen wird – und verliert. Der Lift kommt, die Tür fährt auf, und der Blick wird frei auf einen mit Dreck gedämmten Boden. Vis à vis hat die Hausverwaltung einen Zettel aufgehängt. Darauf steht die in diesem Ambiente des Niedergangs grotesk anmutende Aufforderung: „Wohnhaus sauber halten. Müll sofort wegräumen“.
Haustür und Wohnungstür gehen nicht mehr zu
Kleine und größere Details des Verfalls setzen sich hier an der Uhlandstraße, inmitten eines eigentlich gepflegten Wohnquartiers, zu einer Problemimmobile zusammen. Die Mieterinnen und Mieter geben bereitwillig Auskunft, wie es ist, hier zu wohnen. Eine junge Frau zeigt auf eine Telefonnummer über dem „Wohnhaus sauber halten-Befehl“. „Wenn Sie da anrufen, geht keiner dran, oder es kommt nie einer“, sagt sie.
Seit sechs Jahren lebt sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern in einer 72 Quadratmeter-Wohnung für aktuell 680 Euro warm. Mehrfach hat die Familie aus Protest gegen die kaputte Heizung keine Miete mehr überwiesen. Bedrückend sei nicht nur die feuchte Kälte im Winter und Frühjahr gewesen, schlimm sei auch die ständige Angst, in den eigenen vier Wänden nicht sicher zu sein. „Nicht nur die Haus-, sondern auch die Wohnungstür geht nicht mehr zu“, erzählt die Mieterin. Und niemand kümmere sich.
Wasserrohrbruch macht ganzen Gebäudeteil unbewohnbar
Einer ihrer Nachbarn hat monatelang und am Ende erfolgreich darum gekämpft, aus einer Wohnung mit Wasserschaden in eine andere umziehen zu dürfen. Er ist froh, der Ministerin zeigen zu können, was er ertragen musste: Wände und Decken schimmeln vor sich hin, und es riecht so muffig wie in einem Kanalschacht. „Fast alle Wohnungen in diesem Gebäudeteil sind nach einem Wasserrohrbruch feucht“, sagt Stefan Geide von der Stadt. Er spricht von „typischen Schäden“. Der Schimmel habe hier schon vor dem Wasserohrbruch ein perfektes Biotop gehabt.
Immer dann, wenn die Frage auftaucht, wer hier verantwortlich ist, werden die Damen und Herren vom Wohnungs- und vom Ordnungsamt etwas schmallippig, als wüssten sie es selbst nicht so recht. Das Geflecht aus Besitzern und Verwaltern ist kompliziert und ändert sich ständig. Die Landesregierung erklärt, es handele sich um einen Gebäudekomplex der früher von „Altro Mondo“ verwaltet wurde, dann von „Belvona“, die „DEGAG“ sei involviert gewesen, heute die „Lakonie-Gruppe“ sowie der Vermögensverwalter „Brookfield“. Verantwortliche der „Brookfield-Gruppe“ waren Ende März im Bauministerium, um dort mit Vertretern jener Städte zu sprechen, in denen sie Immobilien besitzen. Die Investoren hätten „Interesse an der Sanierung der Bestände“ geäußert, heißt es im Ministerium. Im Grunde sei der Eigentümer der Gebäude an der Uhlandstraße aber seit vielen Jahren derselbe, sagt Anja Laubrock vom Amt für Wohnen. Er besitze auch noch viele andere Mietshäuser.
Schwieriger Kampf gegen die Missstände
„Schreckliche“ Eindrücke nimmt Ministerin Scharrenbach an diesem Dienstag mit. Sie sagt, der Kampf gegen die Mietmissstände sei eine Mission mit dem Motto „Aufpassen, aufklären, aufräumen“. Die Städte hätten in diesem Kampf mit der Landesbauordnung und dem Wohnraumstärkungsgesetz „starke Instrumente“ in der Hand. Stefan Geide deutet allerdings in schönster Behördensprache an, dass es schwierig sei, mit den heutigen Instrumenten erfolgreich zu arbeiten: „Die Ertüchtigung einer solchen Immobile ist eine langfristige Aufgabe, die eine engmaschige Begleitung erfordert.“
Schlechtes und gutes Wohnen liegen an der Uhlandstraße übrigens dicht beieinander. Nur 50 Meter weiter, auf der anderen Seite eines mit Lavendel bepflanzten Kreisverkehrs, stehen Häuser der Wohnungsgenossenschaft „Spar- und Bauverein“. Die Fenster sind doppelt verglast, der Rasen ist akkurat gestutzt, die Hecke leuchtet zweifarbig und im Büro sitzt jemand, der sich kümmert.
Die dritte Kontrollaktion
Es handelte sich nach 2019 und 2020 um die dritte landesweite Kontrollaktion gegen „Mietmissstände“. Koordiniert wurde sie durch das NRW-Bauministerium. In Bergneustadt, Castrop-Rauxel, Dorsten, Dortmund, Duisburg, Herford, Herne, Kamen, Lemgo, Radevormwald und Werl wurden am Dienstag gezielt „problematische Wohnungsbestände“ ins Visier genommen. Im Einsatz waren unter anderem Bau- und Wohnungsaufsicht, Ordnungsämter, Umweltämter und die Feuerwehr. Die Auswertung wird mehrere Tage dauern.
"Wir schauen hin und handeln gemeinsam mit den Kommunen. Damit stärken wir den Mieterinnen und
Mietern den Rücken und machen deutlich, dass der Staat die Verwahrlosung von Wohnraum in NRW nicht hinnimmt", sagte Ina Scharrenbach.