Essen. Polizeigewerkschafter Michael Maatz verteidigt die Beamten: „Das Leben auf der Straße ist rauer geworden.“ Doch Gewalt sei nur das letze Mittel.
Die Polizei weist den Vorwurf zurück, dass Beamtinnen oder Beamte häufig unrechtmäßige oder übermäßige Gewalt anwenden würden, um Konfliktsituationen zu lösen. Michael Maatz, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kritisierte die Studie zur Polizeigewalt des Kriminologen Tobias Singelnstein scharf. Sie sei unseriös und nicht repräsentativ.
„Ich empfinde die Ergebnisse als ungerecht, unseriös und einseitig“, sagte Maatz. Der Kriminologe arbeite „oft mit Vorurteilen statt mit Fakten“. Die Polizei wende körperliche Zwangsmaßnahmen nur als letztes Mittel an und greife nicht vorschnell zu Gewalt, betonte Maatz.
Große Studie aus Sicht der Betroffenen
Die Studie „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ hatte Singelnstein 2018 an der Ruhr-Uni Bochum begonnen und an der Uni Frankfurt fortgesetzt. Jetzt stellte er das 500-seitige Buch „Gewalt im Amt“ vor. Es soll erstmals aus Sicht von mutmaßlichen Betroffenen Befunde zu übermäßiger Gewaltanwendung durch Polizisten in Deutschland sowie zu ihrer strafrechtlichen Aufarbeitung liefern. Danach würden Verdachtsfälle übermäßiger polizeilicher Gewalt nur sehr selten juristisch aufgearbeitet, 90 Prozent der Fälle werden von der Staatsanwaltschaft eingestellt, nur in zwei Prozent wird Anklage erhoben, ergab die Untersuchung.
Polizeigewerkschafter Maatz warf den Studienautoren vor, einseitig gearbeitet zu haben und nur die Betroffenen berücksichtigt zu haben, die über übermäßige polizeiliche Gewalt geklagt haben. „Alle anderen Personen, die polizeiliche Gewalt erfahren und sie anschließend als angemessen und rechtmäßig beurteilt haben, kommen in der Studie nicht vor“, so der Polizeigewerkschafter. „Ich finde, das ist ein Zeichen von fehlender Seriosität.“
Mehr Gewalt gegen Einsatzkräfte
Die Beamtinnen und Beamten seien geschult darin, in kritischen Situationen deeskalierend zu handeln, Gewalt sei nur dann ein Einsatzmittel, „wenn es gar nicht mehr anders geht“, so Maatz. Dafür habe sie auch die rechtliche Befugnis.
In der Gesellschaft sei allgemein eine Zunahme von Gewalt zu beobachten, auch gegen Einsatzkräfte. Das sei früher anders gewesen, so Maatz. „Das Leben auf der Straße ist rauer geworden. Darauf müssen wir angemessen reagieren. Da kann man nicht weglaufen, sondern muss dagegenhalten. Das bringt der Beruf mit sich.“
Haltlose Vorwürfe
Die Studie erwecke zudem den Eindruck, dass der Einsatz unrechtmäßiger Gewalt für die Beamten meist folgenlos bleibe. „Der Eindruck, Polizei und Staatsanwaltschaft steckten unter einer Decke, ist abenteuerlich und entbehrt jeglicher Grundlage“, empört sich Maatz. Die hohe Zahl von Einstellungen der Verfahren oder Freisprüchen zeige vielmehr, dass die angezeigten Kollegen korrekt und richtig gehandelt hätten.
Eine unabhängige Aufklärungsinstanz für aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsätze sowie eine Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger hält die Polizeigewerkschaft für überflüssig. Maatz: „Es gibt bereits viele Möglichkeiten, um polizeiliches Handeln auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Da brauchen wir nicht noch eine zusätzliche Stelle.“