Düsseldorf. Die Ära Kutschaty geht zu Ende. Für die Fraktionsspitze im Landtag gibt es eine Handvoll Kandidaten. Mehrere kommen aus dem Ruhrgebiet.
Am heutigen Dienstag will die SPD-Landtagfraktion entscheiden, ob im Mai eine „Doppelspitze“ den scheidenden Fraktionschef Thomas Kutschaty ablöst. Die dafür nötige Zweidrittelmehrheit scheint allerdings nicht in Sicht. Hinter den Kulissen laufen sich die ersten Kandidatinnen und Kandidaten für den Chefposten warm. Einige von ihnen schickten sogar erstmals Ostergrüße an die Kolleginnen und Kollegen. Motto: Wer nach oben will, muss Freunde gewinnen.
Sarah Philipp:
Über die Duisburgerin soll Ex-NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gesagt haben, er würde es ungern mit ihr als Oppositionsführerin zu tun haben. Das war in der Zeit nach dem Machtwechsel 2017, als Philipp die Parlamentsbühne stürmte und die CDU-FDP-Landesregierung mit Anfragen zu Verkehrs- und Wohnungsthemen quälte. Die heute 40-Jährige stieg später zur Parlamentarischen Geschäftsführerin (PG) der SPD-Fraktion auf – und verschwand aus dem Rampenlicht. Als Fraktionsmanagerin wirkte sie mehr nach innen als nach außen. Nun kommt sie aus der Deckung. Ein Vorteil der Duisburgerin: Sie hat die Arbeitermentalität in Hochfeld und Ruhrort praktisch schon in der Wiege vorgefunden.
Jochen Ott:
Der erfahrene Fraktionsvize, Schulpolitik-Experte und Oberstudienrat ist selbstbewusst, ehrgeizig und gehört dem Landtag schon seit 2010 an. Er führte jahrelang die Kölner SPD und galt in der Domstadt als geschickter Strippenzieher. Als schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion setzte er einst die umstrittene FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) massiv unter Druck. Der 48-Jährige ist wegen seines Sendungsbewusstseins und seines Erfahrungsschatzes fast schon automatisch ein ernst zu nehmender Kandidat für den Fraktionsvorsitz. Ihm eilt allerdings der Ruf voraus, nicht immer ein perfekter Teamplayer zu sein. Eine Doppelspitze wäre mutmaßlich nicht sein Ding.
Alexander Vogt:
Als Nachwuchshoffnung gilt der Vize-Fraktionschef aus Herne seit Jahren. Aber hat er die Qualitäten eines Oppositionsführers? Eher leise trat der heute 44-Jährige als medienpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion auf. Umso überraschender war seine Rede Ende Januar im Landtag, als er sich im Zusammenhang mit dem Chaos an der A45-Brücke Rahmedetal den Ministerpräsidenten zur Brust nahm und ein „System Wüst“ anprangerte, das auf Vertuschung und Abwälzung von Verantwortung fuße. „Die Menschen müssen dank Ihnen jeden Tag in Wut und Verzweiflung ins Lenkrad beißen“, rief er Wüst zu. Eine Bewerbungsrede?
Stefan Kämmerling:
Könnte man einen Fraktionschef im Katalog bestellen, würde wohl ein Typ wie Stefan Kämmerling zugestellt: Eloquent, smart und mit jener Härte ausgestattet, die einen Oppositionsführer ehrt. Als früherer Sprecher der SPD im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe geriet der Mann aus Eschweiler wiederholt mit NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) aneinander. Eine kurze Zeit gehörte er dem Landtag nicht mehr an, rückte aber nach und kümmert sich als Landesgeschäftsführer um die kriselnde Landespartei. Die Vita des 47-Jährigen passt zum Anspruch der SPD, sich um normale Leute zu kümmern: Kämmerlings Mutter war Verkäuferin, der Vater Schlosser, er selbst Bankkaufmann bei der Sparkasse Aachen.
André Stinka:
„Routinier“ trifft es wohl am besten. 20 Jahre Landespolitik-Erfahrung, lange Generalsekretär der Landespartei und Mitglied in etwa einem Dutzend Organisationen von der Arbeiterwohlfahrt bis zur Westfalen-Initiative – der 57-Jährige Coesfelder wäre eine verlässliche Bank: Bodenständig und ausgestattet mit Sensoren, die für das Leben und Überleben im Politikbetrieb wichtig sind. Ein Schwenk hin zu Stinka wäre zwar kein Generationswechsel, aber der Altgediente widmet sich intensiv dem Zukunftsthema Klimaschutz. Stinka ist auch ein möglicher Kandidat für den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers, sollte dieser frei werden.
Lisa Kapteinat:
Neben Vogt und Philipp ist sie Kandidatin Nummer drei aus dem Ruhrgebiet. Die Juristin aus Castrop-Rauxel ist Vize-Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und hat die Regierenden in den zuletzt wiederholt gepiesackt. Zum Beispiel wirft sie dem Ministerpräsidenten vor, sich zwar nach außen hin um das Thema „Einsamkeit“ zu kümmern, aber nicht wirklich etwas dagegen zu unternehmen. Ob Kapteinat genügend Rückhalt in der Fraktion für einen Karrieresprung an die Spitze hätte, ist zu bezweifeln. Der Posten der Parlamentarischen Geschäftsführerin scheint für sie eher in Reichweite.
Serdar Yüksel:
Noch ein Ruhrgebietler. Der Wattenscheider (49) hat höchstens Außenseiterchancen, stünde aber für einen radikalen Neuanfang. Er passt in kein Schema, ist engagiert, angstfrei und bringt etwas mit, das in einer Zeit, in der sich im Politikbetreib vor allen Verwaltungsleute tummeln, selten ist: Malocher-Erfahrung. Yüksel war zehn Jahre Intensivpfleger im Krankenhaus, und Ersthelfer kann die angeschlagene NRW-SPD gerade gut gebrauchen.