Düsseldorf. Der Arbeitsminister sieht die DNA der Sozialen Marktwirtschaft in Gefahr - und verweist auf konkrete Folgen etwa fürs Weihnachtsgeld.

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat die Tendenz zur Tarifflucht in einigen Unternehmen und Branchen scharf kritisiert. „Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Tarifbindung in Nordrhein-Westfalen“, schrieb Laumann in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung der Landesregierung. Die meisten Rechte von Arbeitnehmern stünden nicht in Gesetzbüchern, sondern seien in der sozialen Marktwirtschaft auf Augenhöhe ausgehandelt zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften.

„Es muss in der Öffentlichkeit wieder klar sein, dass kollektive Verhandlungen auf der Ebene der Tarifvertragsparteien einfach zur DNA unserer Sozialen Marktwirtschaft gehören und es nicht in Ordnung ist, wenn Unternehmen meinen, sie bräuchten das alles nicht mehr“, so Laumann weiter.

Nur noch 51 Prozent der Beschäftigten bundesweit tarifgebunden

Hintergrund der Mahnung sind neue Zahlen, die eine weiter rückläufige Tarifbindung aufzeigen. Aktuell arbeiten bundesweit nur noch 51 Prozent der Beschäftigten für tarifgebundene Unternehmen. NRW steht mit einer Tarifbindung von 57 Prozent zwar noch deutlich besser da, aber auch an Rhein und Ruhr schreitet die Tarifflucht voran. 2018 profitierten noch 60 Prozent der Arbeitnehmer von tariflich vereinbarten Gehältern und Sozialleistungen. Die Tarifbindung ist zudem sehr unterschiedlich auf die Branchen verteilt: Sie reicht von 34 Prozent im Einzelhandel bis zu 97 Prozent in der öffentlichen Verwaltung.

Arbeitsminister Laumann, der zugleich den Sozialflügel CDA in der CDU führt, wies darauf hin, dass etwa ein verbindliches, an Lohsteigerungen gekoppeltes Weihnachtsgeld vor allem in Tarifunternehmen üblich sei. In einigen Branchen wurden die Prozentsätze zuletzt noch einmal angehoben. So sei beispielsweise das Weihnachtsgeld für Angestellte im Baugewerbe von 66 Prozent auf 72 Prozent des Monatseinkommens gestiegen, bei den Arzthelferinnen und Arzthelfern von 65 auf 70 Prozent. Nach wie vor kein Weihnachtsgeld gibt es im Fleischerhandwerk, im Konditorenhandwerk und im Erwerbsgartenbau.

Zusammenhang zwischen Weihnachtsgeld und Tarifbindung

„Das Beispiel Weihnachtsgeld verdeutlicht wieder einmal, dass Tarifbindung gerade in Zeiten des Fachkräftemangels im Werben um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Auszubildende ein ganz wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist“, erklärte Laumann. Die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Anja Weber, hat zuletzt in der Sachverständigenanhörung zum Landeshaushalt der schwarz-grünen Koalition mehr Entschlossenheit im Kampf gegen Tarifflucht eingefordert. „Denn durch fehlende Tarifbindung entgehen dem Land jährlich hunderte Millionen Euro an Steuern“, so Weber. Der DGB schlägt etwa einen neuen Umgang mit Förderprogrammen vor: Staatliche Gelder dürften dann nicht mehr an Firmen ohne Tarifbindung und Mitbestimmung fließen.

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