Essen. Die NRW-Landesregierung droht Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen Priesterausbildung mit einem Vertragsverletzungsverfahren beim Vatikan.
Als hätte Rainer Maria Woelki nicht schon genug Probleme: Missbrauchsskandale, Vertrauenskrise, Austrittswelle, Rücktrittsforderungen – und nun eskaliert zudem der Streit um die Priesterausbildung an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Bei dem Lieblingsprojekt des Kardinals geht es um den Ausbau der vom Erzbistum mit Millionenbeträgen finanzierten Hochschule. Kritiker werfen Woelki vor, die Hochschule gezielt als konservative Konkurrenz zur traditionsreichen und renommierten Theologischen Fakultät der Universität Bonn in Stellung bringen zu wollen.
Nach vielen Auseinandersetzungen und schwerwiegender Kritik an dem Vorhaben hat die NRW-Landesregierung nun die Reißleine gezogen. In ungewöhnlich scharfer Form hat das Land der Hochschule untersagt, weiter Priester des Erzbistums Köln auszubilden. Sollten an der Hochschule neue Priesterkandidaten eingeschrieben werden, drohte Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) mit einem Vertragsverletzungsverfahren beim Vatikan.
Angehende Priester sollen nach Bonn wechseln
Dies geht aus einem Bericht der Ministerin an den Wissenschaftsausschuss des Landtags hervor, der sich am Mittwoch mit dem Thema befasste. Darin heißt es: Die Theologie „ist auf Austausch und Kooperationen mit anderen Wissenschaften und gesellschaftlichen Akteuren angewiesen“. Dazu gehöre auch „die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit, die sich bestenfalls durch eine Einbindung in das umfassende Spektrum einer Volluniversität eröffnet“.
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Klarer kann man die Ablehnung einer theologischen Hochschule, die sich zentral mit der Priesterausbildung befasst und nicht in ein breites geisteswissenschaftliches Fächerspektrum eingebettet ist, kaum formulieren. Der Bericht fordert die Hochschule auf, allen nach dem Wintersemester 2019/20 eingeschriebenen angehenden Priestern den Wechsel an die Uni Bonn nahezulegen.
Das Preußenkonkordat von 1929
Brandes begründet das Aus für die Woelki-Hochschule mit einem alten Vertrag, dem im Jahr 1929 abgeschlossenen „Preußenkonkordat“. In diesem Staatskirchenvertrag zwischen Preußen und dem Vatikan wurde festgelegt, dass die Ausbildung der Priester im Erzbistum Köln an der Universität Bonn zu erfolgen habe. Das Konkordat ist weiterhin in Kraft, Rechtsnachfolger Preußens ist das Land NRW.
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„Aus Sicht der Landesregierung besteht kein Anlass, die Bestimmungen des Preußenkonkordats in Frage zu stellen“, heißt es in dem Bericht. Bei einer „weiteren und fortgesetzten Einschreibung von Priesteramtskandidaten“ wurde der Hochschule wegen Verstoßes gegen das Konkordat „die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren beim Heiligen Stuhl in Aussicht gestellt“.
Nach Ansicht von Kirchenrechtlern ist dies eines der schärfsten Mittel einer demokratischen Regierung bei Streitigkeiten mit der katholischen Kirche. Brandes verweist in dem Bericht allerdings auch darauf, dass Woelki mittlerweile in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA gesagt habe, dass „die Priesteramtskandidaten des Erzbistums Köln ihr Studium zum Wintersemester in Bonn“ beginnen werden.
Woelkis theologische Vision
Woelki, Großkanzler der Hochschule, verknüpft den Aufbau einer bistumseigenen Ausbildungsstätte offenbar mit hohen theologischen Erwartungen. Es brauche eine Theologie, die „eine große Strahlkraft“ entwickelt, sagte er bei einer Tagung zur katholischen Bildung im Mai. Eine Theologie, die wieder in den Feuilletons aber auch in den Gesprächen der Menschen breiten Raum einnimmt und die zu einer „Evangelisierung“ führen und Menschen davon überzeug kann, „dass Gott mit uns und bei uns ist“. Dies könne der derzeitigen „Krise des Glaubens“ entgegenwirken.
Ein Studium an der weltoffenen und liberalen Uni Bonn kann nach Einschätzung des Kardinals diese Anforderungen offenbar nicht im gleichen Maße erfüllen. Zuletzt hatte Woelki seine Pläne mit dem Hinweis verteidigt, wegen der stetig sinkenden Zahl an Christen müsse die Kirche darauf vorbereitet sein, dass staatlich finanzierte theologische Fakultäten schließen könnten.
Scharfe Kritik aus den Universitäten
Auch innerkirchlich ist die Hochschule umstritten. „Es ist kein Mangel zu erkennen, der eine kirchliche Hochschule in Köln rechtfertigt“, ließen die katholischen Stadtdechanten aus Köln, Düsseldorf, Bonn und Wuppertal jüngst ausrichten. Auch der Diözesanrat, die Laienorganisation auf Bistumsebene, läuft nicht zuletzt wegen offener Finanzierungsfragen Sturm gegen das Vorhaben.
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In der akademischen Welt trifft Woelki ebenfalls auf Widerstand. Neben der Uni Bonn lehnt auch die Landesrektorenkonferenz (LRK) die Pläne strikt ab. Befürchtet wird, dass am Ende die öffentliche Hand und damit der Steuerzahler einspringen müsse, um den Lehrbetrieb der kirchlichen Hochschule zu sichern.
Rektoren begrüßen Verbot
Die LRK begrüßte daher jetzt die Entscheidung des Landes, die Priesterausbildung in der Hoheit der Universitäten zu belassen. „Das Verbot der Priesterausbildung in Richtung des Erzbistums Köln und die damit verbundene Interpretation des Konkordats von 1929 im Sinne der Trägerschaft der Universitäten sendet ein klares Signal“, sagte der neue LRK-Vorsitzende und Rektor der Uni Münster, Johannes Wessels, dieser Zeitung.
Das Votum aus Düsseldorf stärke zudem die „hervorragende Priesterausbildung“ an der Universität Bonn, so Wessels weiter. Eine zusätzliche theologische Ausbildungsstätte sei schlicht überflüssig. Die vorhandenen Studienplatzangebote seien ausreichend, vielfältig, hochwertig und nachgefragt.
Die KHKT bestätigte auf Anfrage, dass für das Wintersemester keine neuen Priesteramtskandidaten eingeschrieben würden. Zu den Vorgängen äußerte sich die Hochschule nicht, man wolle den Gesprächen mit dem Land nicht vorgreifen, teilte ein Sprecher mit.
>>>> Die KHKT:
Anfang 2020 hatte das Erzbistum Köln die frühere Ordenshochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin übernommen und baute diese als Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) neu auf.
Schon 2020 hatte das Wissenschaftsministerium die Hochschule darauf hingewiesen, dass die staatliche Anerkennung nur für bereits eingeschrieben Studenten gelte, damit diese ihr Studium beenden könnten. Neueinschreibungen seien von dieser Anerkennung nicht erfasst. Ein besonderer Schwerpunkt der KHKT liegt nach eigenen Angaben auf dem Austausch mit anderen Religionen und Kulturen.