Essen. Botschafter Christoph Heusgen, langjähriger Berater von Angela Merkel, spricht als Gast des Politischen Forums Ruhr in der Messe Essen Klartext.

Früh trat er für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ein und verurteilte den russischen Angriffskrieg scharf. Putin habe sich von der zivilisierten Welt verabschiedet, wer die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren ersetzen will, dürfe nicht straflos davonkommen, forderte Botschafter Dr. Christoph Heusgen (67) mehrfach.

Der Außenexperte und neue Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz ließ auch als Redner beim Politischen Forum Ruhr am Dienstagabend in der Messe Essen keine Zweifel an seiner klaren Haltung gegenüber Russland aufkommen. Der Top-Diplomat, der jahrelang Angela Merkel in Fragen der Außenpolitik beraten und Deutschland bei den Vereinten Nationen vertreten hat, sprach vor mehr als 1100 Gästen über das Thema „Zeitenwende: Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik“.

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„ Ein Zivilisationsbruch in Europa“

Auch das Jahr 1989, das Deutschland die Wiedervereinigung brachte, sei eine Zeitenwende gewesen, betonte Heusgen. „Damals haben wir geglaubt, dass nun in Europa ein dauerhafter Frieden einkehren wird.“ Mit wirtschaftlichen und politischen Abkommen habe Deutschland eine Partnerschaft mit Russland gesucht. „Doch wir mussten erleben, dass Putin am 24. Februar 2022 diesen diplomatischen Weg verlassen hat“, so Heusgen. Die russische Invasion sei mit mittlerweile 13 Millionen Flüchtlingen „ein Zivilisationsbruch in Europa“.

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Zuvor hatte der Außenexperte aber auch eigene Fehleinschätzungen eingeräumt. An einen russischen Einmarsch habe er noch wenige Tage vor dem Einmarsch nicht geglaubt. Dabei sei in den Jahren zuvor zu beobachten gewesen, wie Putins Politik immer restriktiver wurde, was im Einmarsch auf der Krim 2014 gipfelte. „Hinzu kommt, dass Putin in den letzten zwei Jahren vollständig isoliert war. Er hat sich von der Realität verabschiedet“, so Heusgen. Und in den vergangenen Tagen sei deutlich geworden, dass Putin in der Folge an seinen eigenen Kriegszielen gescheitert sei.

„Wir können mehr tun“

Deutschland müsse die Ukraine auch in dieser Phase weiter unterstützen, forderte der erfahrene Top-Diplomat. „Wir können mehr tun und wir sollten mehr tun.“ Heusgen erwähnte mit „Leopard“ und „Marder“ konkret die deutschen Kampf- und Schützenpanzer, deren Lieferung die Ukraine immer wieder dringend angemahnt hat. Die Bundesregierung konnte sich bislang jedoch nicht zu einer Zustimmung durchringen.

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Der Krieg in der Ukraine fordere Europas Verteidigungsfähigkeit heraus, das gelte auch und insbesondere für Deutschland, sagte Heusgen. „Wenn Putin siegt, dann geht er weiter ins Baltikum. Und dann sind auch wir konkret bedroht.“ Europa muss auf eigenen Füßen stehen, forderte Heusgen. Auf den „großen Bruder“ USA könne man nicht unumschränkt zählen. „Wir müssen in Europa unsere Hausaufgaben machen.“

>>>> Zur Person:

Christoph Heusgen, am 17. März 1955 in Düsseldorf geboren, wuchs im nahe gelegenen Neuss auf, seine Eltern führten dort eine Apotheke. Nach dem Abitur 1973 zog es ihn aus der rheinischen Provinz zum Studium an die Universität St. Gallen (Schweiz), an die Georgia Southern University (USA) und später an die Sorbonne in Paris. 1980 begann seine diplomatische Karriere im Auswärtigen Dienst in Bonn. Als Berater von Bundeskanzlerin Merkel war er im Kanzleramt stets nah am Puls der Weltpolitik, auch als deutscher Vertreter bei den Vereinten Nationen.

Seit über 30 Jahren gehört das Politische Forum Ruhr zu den wichtigsten Debattenforen im Ruhrgebiet. Die aus einer Privatinitiative des Essener Rechtsanwaltes Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, bis 2022 NRW-Europaminister und bis heute Vorsitzender des Politischen Forums, hervorgegangene Kongressreihe zählt zu den gesellschaftspolitischen Veranstaltungsreihen mit der nach eigenen Angaben größten Publikumsresonanz in Deutschland.