Essen. Neuer Fördertopf des Landes soll privaten Immobilienkäufern helfen. Eine Absenkung der hohen Grunderwerbsteuer in NRW ist aber nicht in Sicht.

Das Kaufobjekt wird angepriesen als „perfektes Familienzuhause“. Das „gut gepflegte Reihenhaus“ mit 146 Quadratmetern Wohnfläche ist 34 Jahre alt und liegt im bürgerlichen Essen-Überruhr. 490.000 Euro muss man laut Inserat auf den Tisch legen, um das Häuschen samt seinem 186 Quadratmeter großen Grundstück zu erwerben. Doch damit nicht genug. Der Käufer muss weitere rund 56.000 Euro parat haben: für Makler-, Notar- und Gerichtskosten, vor allem aber für die Grunderwerbsteuer.

Geld fehlt für Investitionen

Meist ist die Tinte unter dem Notarvertrag noch nicht ganz trocken, da flattert frisch gebackenen Haus- oder Wohnungseigentümern üblicherweise schon der Steuerbescheid für diese Abgabe ins Haus. Knapp 32.000 Euro wären das im Fall Überruhr – Geld, dass für die eigentlichen Investition in die Immobilie fehlt oder für die neue Küche. Und das man möglichst auf der hohen Kante haben sollte. Denn Banken gewähren für die flüchtigen Kaufnebenkosten in der Regel keine Kredite.

Steuersatz in NRW zweimal erhöht

Die hohe Grunderwerbsteuer ist für Immobilienkäufer in NRW seit Jahren ein Ärgernis. Unter Rot-Grün hat das Land die Abgabe zweimal erhöht, seit 2015 sind an Rhein und Ruhr 6,5 Prozent fällig. Nur noch vier weitere Bundesländer nehmen so viel. Vor der Reform der Grunderwerbsteuer 2006 lag der Steuersatz bundeseinheitlich bei 3,5 Prozent. Nur die Bayern und die Sachsen sind dabei geblieben.

Bayern nimmt nur 3,5 Prozent

CDU und FDP hatten die Erhöhung als Opposition einst scharf kritisiert. Als Schwarz-Gelb 2017 dann selbst an die Macht kam, passierte in Sachen Grunderwerbsteuer aber nichts. Auch die neue schwarz-grünen Landesregierung setzte bislang keine Signale ab, die auf eine Absenkung des Steuersatzes hindeuten. NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) richtete im Interview mit dieser Redaktion jüngst den Blick lieber nach Berlin. Falls der Bund es ermöglichen sollte, dass die Länder die Grunderwerbsteuer für bestimmte Gruppen wie etwa Familien absenken können und nicht flächendeckend, werde Nordrhein-Westfalen diese Möglichkeit nutzen, sagte Optendrenk.
Tatsächlich trägt sich die Berliner Ampel mit dem Gedanken einer Freibetragsregelung für die Grunderwerbsteuer. Konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Komplett absenken könnte NRW den Steuersatz dagegen ganz einfach selbst.

Neue Förderung bis maximal 10.000 Euro

Immerhin setzt das Land jetzt ein Versprechen aus schwarz-gelber Regierungszeit um, das Hauskäufer freuen dürfte. Wer ab dem 1. Januar 2022 ein Eigenheim, eine Eigentumswohnung oder ein Grundstück in NRW gekauft hat oder dies bis zum 31. Dezember 2022 umsetzt, kann beim Land eine Förderung in Höhe von zwei Prozent des Kaufpreises beantragen – bis maximal 10.000 Euro. Die Bedingung: Es muss sich um selbstgenutztes Wohneigentum handeln. Und es muss ein Grunderwerbsteuerbescheid vorliegen, was ein wenig an das Rechte-Tasche-linke-Tasche-Prinzip erinnert.

Verband Wohneigentum begrüßt Fördertopf

Der Fördertopf wurde Ende August scharfgeschaltet. Dass das Angebot vom Land breit beworben wird, kann man zwar nicht behaupten, doch ab sofort kann der Zuschuss bei der landeseigenen NRW.Bank beantragt werden. Ausschließlich online übrigens. Vorsorglich weist die Homepage der Bank auf Probleme mit Bestätigungsmails hin.
„Viele frischgebackene Eigenheim-Besitzer haben auf diese Nachricht gewartet. Wir freuen uns, dass die Förderbedingungen endlich bekanntgegeben wurden“, sagt Peter Preuß, Vorsitzender des Verbandes Wohneigentum NRW. Immobilienkäufer, die in diesem Jahr ohnehin von teils absurden Kaufpreisen, Verzögerungen und steigenden Zinsen geplagt seien, bekämen zumindest in dieser Frage Planbarkeit und könnten sich auf eine spürbare Entlastung freuen, so Preuß.

"Summe reicht nur für etwas mehr als die Hälfte der Fälle"

Allerdings rät der Verband, Anträge zügig zu stellen. Denn das Förderprogramm ist nicht nur zeitlich begrenzt, sondern auch auf 400 Millionen Euro gedeckelt. „Das ist zwar eine stattliche Summe, reicht womöglich aber nicht für alle nordrhein-westfälischen Eigenheim-Käufe in diesem Jahr“, fürchtet Preuß. Intern hat der Verband berechnet, dass damit 50.000 bis 60.000 Förderungen möglich sind. In der Regel wechseln in NRW jährlich rund 90.000 selbstgenutzte Immobilien die Besitzer. Die Summe würde also nur für etwas mehr als die Hälfte der Fälle reichen.

Der Verband sieht das Förderprogramm denn auch lediglich als Übergangslösung an. „Dauerhaft fordern wir, dass für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum – zumindest bis zu einem bestimmten Kaufpreis – gar keine Steuer anfällt“, betont Preuß. Schließlich wollten selbstnutzende Eigentümer mit ihrer Immobilie ja keinen Gewinn erzielen.

Land nahm im vergangenen Jahr 4,1 Milliarden Euro ein

Die jetzt freigeschaltete Fördersumme für Wohneigentum kostet das Land rund ein Zehntel dessen, was die Grunderwerbsteuer 2021 in die Landeskasse gespült hat. 4,1 Milliarden Euro knöpfte NRW im vergangenen Jahr Immobilienkäufern ab - so viel wie noch nie. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Einnahmen um 447 Millionen Euro. Der Anteil der Grunderwerbsteuer am gesamten Steueraufkommen in NRW hat sich laut Wohneigentümer-Verband seit 2005 auf inzwischen sechs Prozent mehr als verdoppelt.