Essen. Die Grundsteuerreform hat einen Ansturm auf Hotlines der Finanzämter ausgelöst. Die FDP übt derweil Kritik am NRW-Modell.

Eine Woche nach dem Start der Bearbeitungsfrist am 1. Juli hat die Grundsteuerreform einen regelrechten Ansturm auf Info-Portale und Servicetelefone der NRW-Finanzbehörden ausgelöst. Die Grundsteuer-Hotlines der 104 Finanzämtern in Nordrhein-Westfalen laufen derzeit heiß. Vor allem am Vormittag ist der Andrang der Bürgerinnen und Bürger groß. „Wir empfehlen den Anruf nach 13 Uhr“, teilte das NRW-Finanzministeriums am Donnerstag auf Anfrage dieser Redaktion mit.

Auch das digitale Informationspaket der Finanzbehörden (www.grundsteuer.nrw.de) werde täglich geklickt, sagte ein Behördensprecher. Allein das Erklär-Video für das Online-Steuerportal „Elster“´, über das die Grundsteuererklärung abgegeben werden muss, wurde bereits über 100.000 Mal auf Youtube aufgerufen. Laut Auskunft des Ministeriums wurden sogar schon die ersten fertigen Grundsteuererklärungen eingereicht.

„Wir empfehlen den Anruf nach 13 Uhr“

Erst im Mai und Juni hatte die Finanzverwaltung individualisierte Info-Schreiben über die Eckdaten der Immobilien und Zugangsvoraussetzungen für die Steuererklärung an die Eigentümer von rund sechs Millionen Grundstücken und Immobilien sowie weiteren 500.000 land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften in NRW verschickt. Die Schreiben sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die Grundsteuererklärung einreichen zu können. Zeit dafür haben die betroffenen Bürger noch bis zum 31. Oktober. Wer das Schreiben verlegt hat, könne die Daten auch im digitalen Grundsteuerportal abrufen, so das Ministerium.

Scharfe Kritik an dem in Nordrhein-Westfalen gültigen Reformmodell kommt unterdessen von der FDP. Die bei der Landtagswahl Ende Mai aus der Regierung gewählten Liberalen haben sich schnell in der Rolle der Oppositionspartei eingefunden und wollen die für Millionen NRW-Bürger relevante Reform der Grundsteuer zur Nagelprobe der neuen schwarz-grüne Regierungskoalition machen.

Vereinfachte flächenbasierte Grundsteuerberechnung

Als ersten Gesetzesentwurf der neuen Wahlperiode überhaupt hat die FDP ein Papier auf den Weg gebracht, das die Umsetzung eines vereinfachten flächenbasierten Grundsteuermodells in NRW vorsieht. Pikant: Der FDP-Entwurf basiert auf dem Grundsteuermodell der hessischen Landesregierung, die wie in NRW von einer schwarz-grünen Koalition getragen wird.

In NRW gilt in Sachen Grundsteuerreform hingegen Bundesrecht. Im Mai 2021 hatte der vor wenigen Tagen abgelöste NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) im Landtag verkündete, NRW werde keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel machen, die den Bundesländern bei der 2025 rechtskräftig werdenden Grundsteuerneuberechnung vom Bund zugestanden worden war.

Modell mit einer „eingebauten kontinuierliche Steuererhöhung“

Das Bundes-Modell aus dem Hause des damaligen Bundesfinanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) ist freilich hoch umstritten. „Das Scholz-Modell ist unnötig bürokratisch, hat eine eingebaute kontinuierliche Steuererhöhung, birgt rechtliche Bewertungsrisiken und verhindert eine Planungssicherheit für Wohneigentümer, Mieter und Betriebe“, sagte dazu Ralf Witzel, Vizefraktionschef der FDP im Düsseldorfer Landtag, dieser Redaktion. Auch Steuerzahlerbund und der Grundeigentümerverband Haus & Grund lehnen das Scholz-Modell als „zu bürokratisch“ ab.

Kritik am Scholz-Modell

Mit dem Gesetzentwurf wollen die Landtagsliberale die neue Regierungskoalition und insbesondere den alten Koalitionspartner unter Druck setzen. „Es ist uns ein völliges Rätsel, warum die CDU in unserem Bundesland anders als in vielen Nachbarländern rein gar nichts an dem Scholz-Modell verbessern will und all dessen Nachteile seit zwei Jahren verteidigt“, so Ralf Witzel. Als Regierungspartner hatte die FDP bis zuletzt vergeblich versucht, die CDU zu einem eigenen NRW-Modell zu bewegen, wollte aber ein Jahr vor der Landtagswahl keinen Koalitionskrach riskieren.

Hauptkritikpunkt der Liberalen an dem Modell Scholz: Bodenrichtwert und Verkehrswert der Immobilie als zentrale Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer werden alle sieben Jahre neu bewertet. Bei absehbar weiter steigenden Immobilienpreisen führe das zu einer automatischen Steuererhöhung, die am Ende jeden treffe.
Die FDP schlägt nun ein vereinfachtes Reformmodell vor, das ausschließlich die Flächengröße von Grundstück und Immobilie berücksichtigt.

Für rechtlich problematisch halten die Liberalen zudem den im Bundesmodell verankerten 25-Prozent-Rabatt für Wohnungsgenossenschaften. Witzel: „Das kann dazu führen, dass Mieter einer Wohnungsgenossenschaft deutlich weniger Grundsteuer zahlen müssen als ihre Nachbarn in vergleichbarer Wohnlage und Wohnungsgröße, die keinen genossenschaftlichen Vermieter haben.“