Essen. Essens OB Thomas Kufen (CDU) ist neuer Vorsitzender des NRW-Städtetags und macht der künftigen Landesregierung “klare Angebote“.

Der neue NRW-Städtetagsvorsitzende, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), dringt auf eine schnelle Lösung für die milliardenschweren Altschulden der Städte im Land. „Das Zeitfenster schließt sich, die Zinsen steigen wieder“, sagte Kufen am Donnerstag nach seiner Wahl an die Spitze des Kommunalverbandes in der Essener Philharmonie. Die neue Landesregierung müsse sehr bald „erhebliche Mittel“ zur Unterstützung der Städte einsetzen. Eine Entscheidung müsse „bis spätestens Mitte nächsten Jahres“ her.

Eine Stimme von Gewicht in NRW

40 Städte mit insgesamt neun Millionen Einwohnern – damit vertritt der NRW-Städtetag die Interessen von ziemlich genau der Hälfte Nordrhein-Westfalens. Landespolitiker dürften bei so viel Gewicht kaum darüber hinweghören können, wenn und zu welchen Themen der kommunale Spitzenverband seine Stimme erhebt. Aus Sicht der Kommunen fügt es sich diesmal also gut, dass der Städtetag mitten in die laufenden Koalitionsgespräche in Düsseldorf hinein erstmals seit 2018 wieder in Präsenz tagt.

600 Delegierte sind dazu am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche in Essen zusammengekommen. Nachdrücklicher als sonst kann man den Vertretern von CDU und Grünen, die gerade um ein tragfähiges Papier für die erste schwarz-grüne Regierungskoalition in NRW ringen, so noch die eine oder andere „Zukunftsaufgabe“ mit auf den Weg geben.

Erfahrung als Krisenmanager

Der neue Städtetags-Vorsitzende Thomas Kufen (CDU) macht der künftigen Landesregierung jedenfalls ein „klares Angebot“, die kommunale Kompetenz zu nutzen und auf die Erfahrungen der Städte als Krisenmanager zu bauen. NRW sei ein Land der Städte, sagt der Essener Oberbürgermeister und fordert für die Kommunen erkennbar mehr Mitsprache in politischen Entscheidungsprozessen ein.

„Wir bieten uns sehr früh an, mit am Tisch zu sitzen“

„Wir bieten uns sehr früh an, mit am Tisch zu sitzen“, sagte Kufen auf der Tagung in der Essener Philharmonie. „Ob Flüchtlingsunterbringung, Pandemie. Klima-Krise oder jetzt der Ukraine-Krieg: Es ist immer effektiver, wenn die Städte bei der Bewältigung von Krisen frühzeitig eingebunden würden“, so der Rathauschef der viertgrößten NRW-Stadt, der Bielefelds OB Pit Clausen (SPD) an der Spitze des Verbandes ablöst.

Mehr Beinfreiheit für Zukunftsinvestitionen

Auch an deutlichen Forderungen der Städte an die zukünftige Regierungskoalition in Düsseldorf mangelt es in Essen nicht. „Die Städte brauchen mehr Beinfreiheit für Zukunftsinvestitionen“, so Kufen. Dafür müsse die neue Landesregierung mit den Städten „auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten und sie finanziell besser ausstatten. Als Beispiel strich Kufens ebenfalls neu gewählter Stellvertreter, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) heraus.

Eiskirch fordert eine Modernisierung des Gesetzes. Die Landeszuschüsse bei der Kita-Betreuung müsse dringend erhöht und der Trägeranteil abgeschafft werden. Kufen sieht die Städte zudem als „Experimentierfeld“. Bund und Land müssten den Kommunen erlauben, neue Weg zu gehen. „Was vor Ort umgesetzt werden kann, können die Städte am besten selbst entscheiden.

Lösung für Altschuldenproblem

Ums Geld dreht sich auch eine andere zentrale Forderung des Städtetags: die Lösung des kommunalen Altschuldenproblems. Wie Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy hervorhob, türmen sich in den NRW-Städten Altschulden in Höhe von insgesamt 21 Milliarden Euro auf. Ein Großteil davon steht bekanntermaßen in den Büchern der finanziell wenig auf Rosen gebetteten Ruhrgebietsstädte.

Fachleute sind sich einig, dass die Städte diese Kredite aus eigener Kraft nicht mehr tilgen können. Diskutiert wird deshalb seit Langem eine Teilkompensation der Schulden durch Bund und Länder. Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Zuschüsse in Höhe von bundesweit zehn Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung hatte eine Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe sich NRW an einem Schuldenschnitt beteiligen würde, immer wieder verschoben.

Angesichts aktuell steigender Zinsen dringt der NRW-Städtetag nun auf eine zeitnahe Klärung bis allerspätestens Mitte nächsten Jahres. Die künftige Landesregierung müsse das Altschuldenproblem „sofort anpacken“, betonte Thomas Kufen.

Doppelspitze aus dem Ruhrgebiet ist Besonderheit

Eine Besonderheit ist, dass der NRW-Städtetag mit Thomas Kufen und Thomas Eiskirch künftig von einer Doppelspitze aus dem Ruhrgebiet geführt wird. Die Delegierten wählten die beiden Stadtoberhäupter am Donnerstag mit großer Mehrheit in ihre Ämter. Kufen und Eiskirch beeilten sich auf Nachfrage dieser Redaktion, eine Schwerpunktverschiebung des Verbandes in Richtung Revier auszuschließen. Der Städtetag spreche für alle NRW-Mitglieder gleichermaßen, betonte Kufen. Dass das Ruhrgebiet die dichteste Stadtlandschaft NRWs ist, hinterlässt freilich Spuren im Verband: 16 der 40 Mitgliedsstädte liegen innerhalb der klassischen Grenzen des Reviers: Bochum, Bottrop, Castrop-Rauxel, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hagen, Hamm, Herne, Marl, Mülheim, Oberhausen, Recklinghausen und Witten.