Köln/Essen. Seit vier Wochen dauert der Streik an den Unikliniken in NRW an. Verdi wehrt sich gegen Vorwürfe und lässt auch Patienten für sich sprechen.

Sie nennt nur ihren Vornamen: Desiree, eine junge Frau aus dem Kölner Raum, die von dem seit einem Monat andauernden Streik an den sechs Unikliniken im Land in besonderem Maße betroffen ist. Sie habe zwei Hirntumore, die operativ entfernt werden müssen, berichtet die Mutter eines vierjährigen Mädchens. Drei Stunden vor der Operation sei diese wegen des Streiks abgesagt worden. „Ich war am Boden zerstört“, sagt die Frau.

Dass sie dennoch, trotz ihrer Verzweiflung, wenige Tage später auf einem Podium der Gewerkschaft Verdi NRW in Köln direkt neben streikenden Uniklinik-Beschäftigten sitzt, ist für sie kein Widerspruch: Sie könne nicht glauben, dass bereits seit vier Wochen gestreikt werde und bislang „kein Dialog“ mit den Arbeitgebern stattfinde, sagt die Krebspatientin und mahnt Tempo an: „Wir alle können Patienten werden.“

Verdi-Landeschefin: Verhandlungen bislang enttäuschend

Seit Mai streiken Beschäftigte der Unikliniken in NRW für einen sogenannten Tarifvertrag Entlastung – darunter Pflegekräfte, aber auch Servicekräfte in der Küche, Reinigungspersonal oder Fahrdienste. Sie fordern konkrete Personalschlüssel, bessere Ausbildungsbedingungen und Ausgleich fürs Arbeiten in unterbesetzten Schichten. Nach vier Gesprächen mit den Klinikleitungen kritisiert Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt den Fortschritt als „enttäuschend“.

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Es sei höchste Zeit, dass die Gegenseite ein eigenes Angebot vorlege. Sie appelliert auch an die Verhandelnden einer möglichen Landes-Koalition aus CDU und Grüne: Zusagen aus dem Wahlkampf, aus dem Tarifvertrag entstehende Kosten zu übernehmen, müssten eingehalten werden. Denn nur ein Teil der Forderungen wird laut Verdi von den Krankenkassen refinanziert – mehr Personal außerhalb der Pflege etwa nicht.

Erst für den 9. Juni, fünf Wochen nach Beginn des für die Unikliniken gravierenden Streiks, erwartet Verdi ein Angebot. Die Gewerkschaft hatte immer wieder betont, der Streik dauere so lange an, bis es ein für die Beschäftigten faires Verhandlungsergebnis gebe.

Beschäftigte fordern mehr Personal: Normalzustand gefährde die Patienten

Vorwürfe, dass die Patientenversorgung gefährdet werde, weist Schmidt indes vehement zurück: „Wir gefährden keine Patienten, der normale Alltag gefährdet Patienten.“ Mit allen Kliniken seien Notfallvereinbarungen geschlossen worden. Jeden Morgen werde mit den Kliniken über nötiges Personal verhandelt und auch Streikende zurück an die Arbeit geschickt.

Zu den konkreten Forderungen gehören Personalmindestgrenzen, die die Streikenden verschiedenster Krankenhausbereiche erarbeitet haben. In einer Uniklinik-Betriebskita soll sich eine Fachkraft nicht mehr um 25, sondern maximal um fünf Kinder über drei Jahren kümmern. Im Kreißsaal brauche es eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen für die gebärdenden Mütter. Transportdienste wollen nicht mehr als 25 Routen pro Schicht fahren, Fachkräfte der Logopädie 300 Therapieminuten für nicht mehr als acht Patientinnen und Patienten verwenden.

Unikliniken zwischen den Stühlen – Gesetzesänderung steht aus

Die Universitätskliniken im Land stecken derweil in einem Dilemma. Denn bislang dürfen sie offiziell noch gar nicht mit Verdi NRW über einen Tarifvertrag Entlastung verhandeln. Zuständig ist nach Lesart der bisherigen schwarz-gelben Landesregierung die Tarifgemeinschaft der Länder, in der die Unikliniken als Einrichtungen des Landes Mitglieder sind. Damit sie austreten können und selbst verhandeln dürfen, muss der Landtag NRW das Hochschulgesetz ändern.

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Allerdings: Auf der Tagesordnung des neu gewählten Parlaments könnte das erst Ende Juni stehen – kurz vor der Sommerpause. Dass die Gesetzesänderung dann auch in einem Rutsch beraten und verabschiedet wird, wäre äußerst ungewöhnlich gilt.

Verdi sieht darin keinen Hinderungsgrund für Verhandlungen. Landesleiterin Schmidt betonte, die Landesregierung habe die Unikliniken ja bereits bevollmächtigt, mit der Gewerkschaft zu sprechen.