Essen. Signale des Bundesfinanzministers nähren im Revier Hoffnungen auf eine Lösung der Altschuldenfrage. Experten fordern schnelles Handeln.

Der Plan von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Entschuldung hochdefizitärer Kommunen lässt im Ruhrgebiet Hoffnungen auf eine baldige Lösung des seit Jahren ungeklärten Altschuldenproblems keimen. Allerdings könnte der Entlastungsplan noch zum Wettlauf mit der Zeit werden.

"Die Zeit drängt"

„Die von Finanzminister Lindner erklärte Bereitschaft zur Mitfinanzierung der hohen Altschulden in NRW durch den Bund würde die Finanzierung für die Kommunen und das Land deutlich erleichtern. Mittlerweile drängt aber die Zeit erheblich“, sagte der renommierte Finanzexperte Prof. Martin Junkernheinrich dieser Redaktion. Junkernheinrich ist Autor des jährlichen Kommunalfinanzberichtes des Regionalverbandes Ruhr und warnt schon seit Jahren vor den Altschulden als „tickende Zeitbombe“ für die städtischen Haushalte.

Steigen die Zinsen für die Städte ab Sommer?

Auch Bochums Stadtkämmerin Eva Maria Hubbert glaubt, dass in der Altschuldenfrage eine „Lösung bis zum Sommer“ her muss. Hubbert geht von „sukzessiv steigenden Zinsen“ ab dem Sommer aus. „Dann würde es auch für Hilfen durch Bund und Land immer teurer werden“, sagte Hubbert dieser Zeitung. Hintergrund der Sorgen in den Rathäusern des Reviers ist die globale Zinsentwicklung. Viele Fachleute erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Inflation ihre Niedrig-Zins-Politik demnächst beendet. Zuletzt hatten die Notenbanken in den USA und in Großbritannien die Zinsen angehoben. Damit steigt auch der Druck auf die EU-Währungshüter.

Kredite könnten teurer werden

Würden in der Folge Kredite teurer, kämen auf die hoch verschuldeten Ruhrgebietsstädte neue, unkalkulierbare Belastungen zu. Derzeit zahlen die Revierkommunen für ihre Kredite fast nichts. Beispiel Bochum: Die Stadt steht mit 700 Millionen Euro an Kassenkrediten in der Kreide und zahlt laut Stadtkämmerin Hubbert dafür derzeit Zinsen in Höhe von durchschnittlich nur 0,75 Prozent. Je nach dem, wie schnell und wie hoch die Zinsen steigen, wüchse auch die Mehrbelastung für den städtischen Haushalt. Auch Hubbert spricht von einer „tickenden Zeitbombe“.

Nach früheren Berechnungen türmen sich in den Ruhrgebietsstädten insgesamt fast 15 Milliarden Euro an Kassenkrediten auf - fast ein Drittel aller kommunalen Dispokredite in Deutschland. Als Lösung des Problems wird seit Langem eine Teilkompensation der Schulden durch Bund und Länder diskutiert. Finanzminister Lindner hatte am Wochenende Zuschüsse in Höhe von bundesweit zehn Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Entsprechende Zusagen vom Land NRW gibt es bislang nicht.