Essen. 114 neue Stationen, Züge im 15-Minuten-Takt: Die Grünen wollen den Nahverkehr im Ruhrgebiet metropolentauglich machen.

114 neue Stationen, sechs zusätzliche Linien und ein durchgehender 15-Minuten-Takt auf allen Strecken zwischen 6 und 20 Uhr: Mit einem komplett runderneuerten S-Bahn-Netz wollen die Grünen den Nahverkehr im Ruhrgebiet metropolentauglich machen – und wohl auch um Wählerstimmen für die kommende Landtagswahl am 15. Mai werben.

Bestandteil möglicher Koalitionsverhandlungen

Das ambitioniert klingende Konzept „S-Bahn 2.0“ – geschrieben von den Grünen im Ruhrparlament – wird von der Landespartei intern hoch gehandelt und hat ausdrücklich den Segen der grünen Landtagsfraktion. Steht nach dem Urnengang am 15. Mai eine grüne Regierungsbeteiligung in Aussicht, soll es als Pfund in die anstehenden Koalitionsverhandlungen eingebracht werden.

60 Seiten Konzeptpapier

60 Seiten dick ist die Broschüre, die eine Arbeitsgruppe um die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Ruhrparlament, Birgit Beisheim und Patrick Voss, erarbeitet hat. 60 Seiten voller Tabellen, Skizzen und Netzplänen. Sachkundig wird erläutert, wie man die Fahrtzeiten der Pendler von Tür zu Tür durch engere Taktung, höhere Stationsdichte und häufigere Umsteigemöglichkeiten auf diversen Linien spürbar verbessern kann.

Von den 114 neuen Stationen sollen 72 komplett neu entstehen, andere aufgerüstet oder reaktiviert werden. Neu gebaut werden sollen S-Bahn-Halte unter anderem in Oberhausen-Kaisergarten, Oberhausen-Altstaden, Mülheim-Winkhausen sowie den Essener Stadtteilen Huttrop und Frillendorf.

Sprockhövel soll wieder ans Bahnnetz angeschlossen werden

Doch es geht nicht nur um neue Stationen, sondern auch um einen Ausbau des bestehenden Gleis-Netzes. Zwischen Hattingen und Hagen wollen die Grünen die Ruhrtalbahn als verlängerte S3 reaktivieren – mit neuen Haltepunkten unter anderem in Blankenstein, Wetter-Volmarstein und Hagen-Vorhalle. Sprockhövel soll über Hattingen wieder ans Bahnnetz angeschlossen werden. Dafür sollen zwischen Hattingen und Schwelm neue Gleise verlegt werden.

Neue Linie S36 zwischen Haltern, Oberhausen und Moers

Die S9 soll zwischen Recklinghausen und Wuppertal nicht mehr in einzelne Linienäste aufgeteilt, sondern durchgehend im 15-Minuten-Takt befahren werden. Das, sagen die Autoren, würde auch die Verbindung zwischen Essen und Bottroper erheblich beschleunigen. Dafür allerdings müsste der eingleisige Engpass in Essen-Dellwig beseitigt werden. Neue Halte soll es im weiteren Streckenverlauf am Bottrop Tetraeder und in Recklinghausen-Hochlar geben. Geplant ist zudem die neue Linie S36 zwischen Haltern, Oberhausen und Moers mit einer neuen S-Bahn-Station unter anderem in Duisburg-Beeckerwerth.

Ratinger Weststrecke

In das Konzept flossen auch Pläne ein, die der eigentlich für die S-Bahnen zuständige Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) schon auf seiner Agenda hat, etwa die Reaktivierung der Ratinger Weststrecke als neue S61 zwischen Wesel, Oberhausen, Duisburg und Düsseldorf.

Polyzentrische Siedlungsstruktur

„Im Ruhrgebiet wohnen die wenigsten Menschen in unmittelbarer Nähe der Hauptbahnhöfe“, sagt Mitautor Patrick Voss. Auch wegen seiner polyzentrischen Siedlungsstruktur brauche das Ruhrgebiet daher ein leistungsfähiges S-Bahn-System, so der Grünen-Fraktionschef im Ruhrparlament. Ziel sei es, die S-Bahn dort halten zu lassen, „wo die Menschen wohnen, arbeiten, zur Schule gehen, einkaufen oder ihre Freizeit verbringen.“

Die S-Bahn sei dafür das Mittel der Wahl und ein wichtiges Bindeglied zwischen dem örtlichen Nahverkehr und Regionalbahnsystemen wie dem RRX. Im Vergleich zu anderen Ballungsräumen sei das bisherige Angebot im Ruhrgebiet allerdings ungenügend.

Gegenentwurf zur Ruhr-Konferenz

Über die Finanzierbarkeit der S-Bahn-Pläne und die Dauer einer möglichen Realisierung gibt das Konzept keinerlei Auskunft. Um die Klimaziele im Verkehrssektor erreichen zu können, müsse aber ohnehin viel Geld investiert werden, sagt Verena Schäffer.
Die Fraktionschefin der Grünen im NRW-Landtag will das Konzept aus dem Revier denn auch ausdrücklich als politisches Papier und Gegenentwurf zur Ruhr-Konferenz der amtierenden Landesregierung verstanden wissen. „Die schwarz-gelbe Ruhr-Konferenz ist ein Sammelsurium an Projekten geblieben“, sagt Schäffer, die aus Witten stammt und als eine von insgesamt zwei Grünen aus dem Ruhrgebiet im Landtag sitzt. „S-Bahn 2.0“ solle den Alltag der Menschen an der Ruhr dagegen konkret verbessern.