Düssedorf. Mitarbeiter von Duisburger SPD-Landtagsabgeordneter Philipp wollte Heinen-Esser-Tochter ausspähen. Ex-Umweltministerin in Tränen vor U-Ausschuss.

Die frühere NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hat im Untersuchungs-Ausschuss zur Aufarbeitung der Flutkatastrophe am Freitag sehr emotional auf Berichte über die Ausspähung ihrer Tochter durch einen Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion reagiert. Unter Tränen sagte sie, es sei „eine Grenze überschritten worden, als tatsächlich über Instagram meine Tochter angegriffen wurde“.

Zuvor war bekannt geworden, dass im Zuge der „Mallorca-Affäre“ der Ex-Ministerin ein Mitarbeiter der Duisburger Landtagsabgeordnete Sarah Philipp versucht hatte, den Instagram-Account der 16-jährigen Tochter Heinen-Essers auszuspähen. Philipp bestätigte Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeigers“. Die SPD-Politikerin hatte nach eigenen Angaben keine Kenntnis von dem Vorgang und entschuldigte sich bei Heinen-Esser und ihrer Tochter.

Mallorca-Reise während Flutkatastrophe: Zahlreiche Erinnerungslücken bei Heinen-Esser

In ihrer zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss bezeichnete Heinen-Esser ihren Aufenthalt auf Mallorca im Sommer 2021, als in NRW wegen der Flutkatastrophe mit 49 Toten viele Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz standen, als „moralischen Fehler“. Fachlich habe sie sich aber nichts vorzuwerfen, weil sie auch auf Mallorca stets erreichbar und „voll arbeitsfähig“ gewesen sei. Daher spiele auch die Diskussion über ihre Urlaubsvertretungen keine Rolle.

Zahlreiche Erinnerungslücken zeigte Heinen-Esser, als es um die Dokumentation der Dauer ihres Mallorca-Aufenthaltes ging und mit wem und wann der Aufenthalt mit der Staatskanzlei abgesprochen war. Über die Geburtstagsfeier für Heinen-Essers Ehemann am 23. Juli 2021, an der mehrere Kabinettsmitglieder teilnahmen, habe sie den Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, erst Ende März 2022 informiert.

Neue Wendung in der "Mallorca-Gate"-Affäre

Laut Philipp habe es am 6. April im NRW-Landtag erste Gerüchte „über eine vermeintliche Geburtstagsfeier von Frau Heinen-Esser und anderen Regierungsmitgliedern“ gegeben. Aus „Neugierde“ habe der studentische Mitarbeiter Heinen-Essers 16-Jähriger Tocher auf deren Instagram-Kanal Kontaktanfragen gestellt, weil ihr Kanal nur für bestätigte Kontakte einsehbar ist. Tatsächlich war die Jugendliche ebenfalls auf Mallorca - wie Heinen-Esser zuvor schon öffentlich gesagt hatte. Der Mitarbeiter wollte offenbar nach Fotos der Geburtstagsfeier suchen.

Philipp-Mitarbeiter wollte Heinen-Essers Tochter ausspähen

Philipp erfuhr nach eigenen Angaben erst am Donnerstag durch eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“ von dem Vorgang. Sie habe ihrem Mitarbeiter „deutlich gemacht, dass sein Verhalten inakzeptabel ist.“ Der Mitarbeiter sei sich seines Fehlers bewusst und bedauere ihn.

Kutschaty: Ausspäh-Versuch hat arbeitsrechtliche Konsequenzen

Der nordrhein-westfälische SPD-Partei- und Fraktionschef Thomas Kutschaty hat den Versuch eines Mitarbeiters der SPD-Abgeordneten Sarah Philipp verurteilt, den Instagram-Account der Tochter von Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) auszuspähen. „Das war dumm und unsensibel, weshalb es bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen gegeben hat“, sagte Kutschaty dem „Westfalen-Blatt“.

Wenige Stunden nach dem Versuch, die Fotos der Tochter auf Instagram zu sehen, hatte Ursula Heinen-Esser die Geburtstagsparty für ihren Mann selbst bestätigt: Auch Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) und die damalige Staatssekretärin Serap Güler (CDU) seien dabei gewesen. Am nächsten Tag, dem 7. April, trat Heinen-Esser als Ministerin zurück.

CDU unterstellt SPD Spionage-Methoden

Die Landesregierung will sich in der „Mallorca-Affäre“ um die Ex-Umweltministerin offenbar nicht länger von der Opposition in die Enge treiben lassen. Einen Fragenkatalog der SPD-Landtagsfraktion zum genauen Kenntnisstand von Ministerpräsident Hendrik Wüst zu Heinen-Essers Geburtstagsfeier mit mehreren Kabinettsmitgliedern auf der Baleareninsel im Flutsommer 2021 ließ Staatskanzleichef Nathanael Liminski (beide CDU) zuletzt unbeantwortet.

Die CDU könnte den Spieß zudem jetzt umdrehen. So sagte der Abgeordnete Matthias Kerkhoff dem „Stadt-Anzeiger“: „Das Ausspähen von Kindern ist inakzeptabel und eine absolute Grenzüberschreitung. Familien müssen auch in Wahlkampfzeiten streng tabu in der politischen Auseinandersetzung sein.“ SPD-Chef Thomas Kutschaty müsse „unverzüglich“ zu den Methoden seiner Partei Stellung beziehen.

Ministerpräsident Wüst hatte in der vergangenen Woche erklärt, er habe von der Balearen-Party erst „jetzt im Rahmen der letzten Tage“ erfahren. Die Süddeutsche Zeitung berichtete hingegen: „Indizien sprechen dafür, dass Wüst davon um den 24. März erfuhr.“

Noch am 29. März stützte Wüst Heinen-Essers Verteidigungslinie

Der zeitliche Unterschied gilt als bedeutsam, da Wüst noch am 29. März bei einem Besuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in den Flutgebieten von Bad Münstereifel die später zusammengefallene Verteidigungslinie von Heinen-Esser ausdrücklich gestützt hatte. Die Mallorca-Party wurde erst am 7. April durch Enthüllungen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ öffentlich.

„Ministerpräsident Wüst drückt sich vor der Antwort auf die einfache Frage, wann genau er von der Geburtstagsfeier seiner Kabinettskollegen erfahren hat. Die Salami-Taktik der Landesregierung geht also weiter“, kritisierte damals Sarah Philipp, die fehlenden Antworten der Staatskanzlei.

Die Vertretungsregeln der Regierung im Flutsommer bleiben unklar

Unklar ist weiterhin, wer die abwesende Heinen-Esser in den Tagen nach der Flutkatastrophe eigentlich vertreten hat. In einem Schreiben an den damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) vom 16. Juni 2021 hatte die Umweltministerin ihren Urlaub vom 5. bis 21. Juli angezeigt und hinzugefügt: „Die Vertretung übernimmt freundlicherweise Frau Ministerin Scharrenbach.“ Als herauskam, dass Heinen-Esser noch bis 25. Juli auf Mallorca geblieben war, wurde die falsche Urlaubsanzeige mit einem „Büroversehen“ erklärt.

Ab 23. Juli aber kann Kommunalministerin Scharrenbach die Stellung in Düsseldorf nicht mehr gehalten haben - an diesem Tag ist sie selbst zum Feiern nach Mallorca geflogen. Scharrenbachs Staatssekretär und Stellvertreter Jan Heinisch (CDU) wiederum befand sich bis 25. Juli in einem dreiwöchigen Frankreich-Urlaub. „In den Tagen der Hochwasserkatastrophe herrschte offenbar organisierte Nicht-Zuständigkeit in der Landesregierung. Auch bei den Vertretungsregelungen muss es drunter und drüber gegangen sein“, kommentierte Philipp nach Heinen-Essers Rücktritt.

„Mallorca-Affäre“: Staatskanzlei-Chef teilt gegen Kutschaty aus

Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) hat im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe dem SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty einen Seitenhieb verpasst. Dieser sei in seiner Zeit als NRW-Justizminister mehrfach zur selben Zeit wie sein Staatssekretär im Urlaub gewesen, sagte Liminski am Freitag.

Er reagierte damit auf die Kritik der Opposition an dem Umstand, dass die inzwischen zurückgetretene Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) beim Ausbruch der Flutkatastrophe zeitgleich mit ihrem Staatssekretär in Urlaub gewesen und die Ministeriumsspitze damit verwaist gewesen sei.

Der Umwelt-Staatssekretär sei Mitte Juli vergangenen Jahres tatsächlich „wegen Rekonvaleszenz“ außer Dienst gewesen, sagte Liminski. Dass er dafür Urlaub genommen habe, anstatt sich krank zu melden, sei „honorig“.

Er habe von der Geburtsfeier für Heinen-Essers Ehemann erst Ende März dieses Jahres erfahren. Heinen-Esser habe ihn darüber unterrichtet. „Wann genau, kann ich nicht sagen“, sagte Liminski. Er habe danach auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) darüber informiert. Zuvor hatte auch Heinen-Esser Ende März als Zeitraum genannt, an dem sie Liminski über die Feier informiert habe.

Die Ex-Landesminister Ralf Jäger (SPD) und Johannes Remmel (Grüne) warfen Liminski und Wüst vor, Öffentlichkeit und Parlament die „hochbrisante Information“ über die Mallorca-Geburtstagsparty tagelang verschwiegen zu haben.

Reul zu SPD-Ausspähversuch bei Heinen-Essers Tochter: „Sauerei“

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich entsetzt über die Instagram-Ausspähversuche der SPD bei der minderjährigen Tochter von Heinen-Esser gezeigt. „Ich halte es politisch für außerordentlich verwerflich“, sagte Reul am Freitag in Düsseldorf. Wenn Menschen andere Menschen ausspähten, sei das bereits ein „Stoff für große Skandale“. Stecke dahinter auch noch eine politische Absicht, „ist es eine noch größere Sauerei“, sagte Reul. „Und wenn das bei Minderjährigen passiert, finde ich das moralisch eine ganz üble Veranstaltung.“ (mit dpa)