Essen. Das Aus für die Bahnfirma Abellio scheint besiegelt. Das Land sichert den Verkehrsverbünden einen Verlustausgleich in Millionenhöhe zu.
Für das angeschlagene Bahnunternehmen Abellio gibt es in NRW absehbar keine Zukunft mehr. Die drei NRW-Verkehrsverbünde (VRR, NWL und NVR) haben am Donnerstag das vor knapp einer Woche nachgebesserte Angebot des Regionalbahnbetreibers für die Übernahme erwarteter Mehrkosten durch eine vorzeitige Vertragsauflösung zurückgewiesen. „Insgesamt weicht dieses Angebot so evident von unseren Prämissen ab, dass wir es schlechterdings nicht akzeptieren können“, betonte VRR-Geschäftsführer Ronald Lünser.
16 statt 13 Prozent
Nach VRR-Angaben bietet Abellio zwar nun 16 statt vorher 13 Prozent der erwarteten Mehrkosten als Kompensation an. Doch von einer „signifikanten Abstandszahlung“ könne leider nicht die Rede sein, betonte der VRR-Chef. Die Positionen beider Seiten liegen weit auseinander. Dem Vernehmen nach schwebte den Verbünden ein Verlustausgleich von bis zu 90 Prozent vor. Abgesegnet werden müssen die Beschlüsse noch von den politischen Aufsichtsgremien der Verkehrsverbünde. Entsprechende Entscheidungen werden aber spätestens in der kommenden Woche erwartet.
Lage spitzt sich seit Tagen zu
Mit der Absage der Verkehrsverbünde endet ein beispielloser Verhandlungspoker um die Zukunft des zweitgrößten Regionalbahnbetreibers an Rhein und Ruhr. Schon am vergangenen Freitag hatte sich die Lage zugespitzt, weil die Deutschland-Tochter der niederländischen Staatsbahn NS nur Stunden vor Ablauf einer von den Verbünden gesetzten Frist ein nachgebessertes Angebot vorlegte – allerdings zunächst nur den Medien. Den Verbünden stieß dieses Verhalten erkennbar sauer auf. Abellio habe den Eindruck hinterlassen, die Bekanntmachung der Abgabe sei wichtiger als das Angebot selbst, so VRR-Vorstandssprecher Lünser.
1000 Mitarbeiter betroffen
Wie es nun weitergeht, steht für die Verkehrsverbünde außer Frage. Oberste Priorität habe die Sicherung des Zugverkehrs der Abellio-Linien in NRW und der Erhalt der Arbeitsplätze des Bahnunternehmens, bekräftigten VRR, NWL und NVR in der gemeinsamen Mitteilung. Abellio NRW beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit rund 1000 Mitarbeiter. Im Falle der Direktvergaben der Linien an andere Bahnunternehmen sollen keine Arbeitsplätze verloren gehen, sicherten die Verbünde zu. Beobachter gehen davon aus, dass Abellio NRW beim Komplettausstieg unmittelbar vor der Pleite steht. Kommt es soweit, würde erstmals seit der Liberalisierung des Bahnmarktes vor etwa zwei Jahrzehnten ein Zugunternehmen in NRW den Markt verlassen.
Land will 380 Millionen Euro zahlen
Unterstützung erhalten die Verkehrsverbünde aktuell auch vom Land. Die Landesregierung sicherte den Verbünden zu, für finanzielle Folgeschäden des Abellio-Ausstiegs geradzustehen. „Mögliche finanzielle Schäden“, werde das Land in den kommenden Jahren „vollständig bis zu einer Gesamthöhe von maximal 380 Millionen Euro“ ausgleichen, heißt es in einem aktuellen Brief des NRW-Verkehrsministeriums an die Verbünde, der dieser Redaktion vorliegt. Allein aus den laufenden Zuschüssen für den regionalen Schienenverkehr sei die Finanzierung dieser Mehrkosten nicht möglich, heißt es in dem Schreiben. Bedingung sei allerdings, dass die Verbünde einen möglichst reibungslosen Übergang der von Abellio gefahrenen Linien auf andere Betreiber sicherstellten.
Konkurrenz wartet schon
Helfen dürfte den Verbünden auch, dass das Interesse der Konkurrenz am Abellio-Netz offenbar groß ist. Nach Informationen dieser Redaktion gibt es für alle Abellio-Linien Bewerber, für einige Strecken sogar mehrere. Genannt wurden unter anderem die DB Regio und National Express.
Abellio NRW fährt seit Jahren Verluste ein. Die Bahngesellschaft begründete das stets mit stark gestiegenen Personalkosten und vermehrten Strafzahlungen für Verspätungen durch immer mehr Baustellen. Die NRW-Strecken seien nicht mehr rentabel. Den Vorwurf, Hauptgrund für die desolate Finanzlage seien eigene Dumpingpreise bei den Ausschreibungen der Strecken, wies Abellio zurück. Derzeit steckt Abellio in einem sogenannten Schutzschirmverfahren, einer Vorform des Insolvenzverfahrens. Mit den NRW-Verkehrsverbünden VRR (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr), NWL (Westfalen-Lippe) und NVR (Rheinland) einigte man sich unlängst auf eine Fortführungsvereinbarung, die den Zugbetrieb zunächst bis Ende Januar sicherstellt.