Essen. Die Krise von Abellio und Keolis kann noch große Probleme bereiten. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt vor Fehlentwicklungen.

Die Krise der beiden großen privaten Bahnunternehmen Abellio und Keolis sorgt im NRW-Regionalverkehr für ungewohnte Turbulenzen. Beide Unternehmen bedienen zentrale Bahnverbindungen in NRW: Abellio etwa die RRX-Linien 1 (Aachen-Köln-Duisburg-Essen-Hamm) und 11 (Düsseldorf-Essen-Kassel) sowie diverse S-Bahnen, Keolis unter anderem die vielfrequentierten Linien RE 3 (Hamm-Düsseldorf) und RE 13 (Hamm-Venlo). Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn steht der regionale Schienenverkehr an Rhein und Ruhr künftig aber noch vor weit größeren Herausforderungen.


Worum geht es?

Im Sommer war bekannt geworden, dass Abellio und Keolis, die unter dem Namen Eurobahn vor allem im westfälischen Landesteil fährt, in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten stecken. Beide Bahngesellschaften begründeten das mit stark gestiegenen Personalkosten und vermehrten Strafzahlungen für Verspätungen infolge der vielen Baustellen. Die NRW-Strecken seien nicht mehr wirtschaftlich. Das Ergebnis: Abellio landete im Schutzschirmverfahren des Insolvenzrechtes, Keolis will sich komplett aus dem deutschen Markt zurückziehen, die Deutschlandtochter der französischen Staatsbahn soll an einen Investor verkauft werden. Beide Firmen verhandeln derzeit mit den NRW-Verkehrsverbünden über Lösungen.

Womit müssen Bahnkunden rechnen?

Bahnkunden werden nach Einschätzung des Fahrgastverbandes Pro Bahn vorerst wenig bis nichts von den Umbrüchen merken. Auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) betonte in einer Stellungnahme, „trotz der schwierigen Bedingungen“ mit Keolis eine belastbare Lösung gefunden zu haben, die den „zu leistenden Verkehr langfristig absichert.“ Heikler ist die Situation bei Abellio. Das Verlustgeschäft ihrer deutschen Tochtergesellschaft setzt die niederländische Staatsbahn im eigenen Land auch politisch unter Druck. Sollte Abellio in die Insolvenz rutschten, können die Strecken in der Regel aber zunächst über Notvergaben schnell von der Konkurrenz übernommen werden.

Welche Folgen hat die Krise der beiden Privatbahnen für die Zukunft des NRW-Schienenverkehrs?

Zumindest dürfte der Betrieb von Regionalbahnen langfristig teurer werden. Schon jetzt ist klar: Die NRW-Verkehrsverbünde müssen ihre Verträge mit den Unternehmen nachbessern. Andernfalls droht Abellio und Keolis der Kollaps. Bezahlen soll es der Steuerzahler. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) hatte schon im Sommer im Landtag signalisiert, das Land werde entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Pro Bahn-NRW-Sprecher Lothar Ebbers wies im Gespräch mit unserer Redaktion daraufhin, dass auch andere Bahnunternehmen unterm Strich profitieren werden. „Gibt es neue Vertragsbedingungen mit Keolis und Abellio, müssen sie aus vergaberechtlichen Gründen auch anderen Bahnunternehmen wie zum Beispiel der DB oder National Express angeboten werden“, sagte Ebbers.

Fährt bald nur noch die DB?

Auch auf den Wettbewerb um künftige Ausschreibungen regionaler Bahnlinien droht sich die Krise auszuwirken. „Für internationale Investoren gilt der deutsche Markt schon jetzt als unkalkulierbar“, warnt Lothar Ebbers. Gingen bei künftigen Ausschreibungen nicht mehr genügend Angebote ein, stünde der Regionalverkehr wieder vor der Fast-Monopolisierung durch den „Platzhirsch“ Deutsche Bahn. Dabei gilt das Wettbewerbsmodell im NRW-Bahnverkehr als vorbildlich. Kosten konnten gedrückt, die Position der kommunal kontrollierten Verkehrsverbünde gegenüber den großen Bahnunternehmen verbessert werden. Der Marktanteil der Bahn in NRW sank unter 50 Prozent. Beim Rhein-Ruhr-Express sicherte sich der VRR zudem über langfristige Wartungsverträge mit dem Hersteller Siemens ab. Die Züge sind Eigentum des Verbundes. Bei einem Ausstieg von Abellio würde der VRR also nicht mit leeren Händen dastehen.

Was fordert der Fahrgastverband Pro Bahn?

Ein Eingreifen der neuen Bundesregierung. Wenn der Bund die Verkehrswende ernst meine, müsse er den regionalen Bahnverkehr attraktiver machen, sagt Lothar Ebbers. Etwa über eine deutliche Absenkung der Trassenentgelte, die private Bahnbetreiber an die DB zahlen. „Die Trassen- und Stationspreise machen 50 Prozent der Betriebskosten der Bahnunternehmen aus. Das könnte der Bund ändern. Die Bahn ist ja ein Staatsunternehmen.“