Düsseldorf. Kam das Aus der Maskenpflicht an den NRW-Schulen verfrüht? In einer Aktuelle Stunde im Landtag prallten die Meinungen aufeinander.
In einer emotional geführten Debatte hat der NRW-Landtag am Freitag über das Aus der Maskenpflicht an Schulen gesprochen. Grund war der Antrag der SPD-Fraktion zu einer "Aktuelle Stunde", nachdem seit dem 2. November die Maskenpflicht an den NRW-Schulen gelockert ist und im Unterricht keine Maske mehr getragen werden muss. Die NRW-SPD bezeichnet diesen Schritt als "verfrüht, riskant und gefährlich".
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) erklärte, die Corona-Pandemie sei "keine Pandemie der Schulkinder, sondern eine Pandemie der Erwachsenen, und dort vor allem der ungeimpften Erwachsenen." Schülerinnen und Schüler hätten "von Anfang an am meisten verzichten müssen", die Kinder der zweiten Schulklassen würden "ein Leben außerhalb der Pandemie bisher nicht kennen." Gesundheitsschutz an den Schulen werden "groß geschrieben", sagte Gebauer. Die Entscheidung, die Maskenpflicht am festen Sitzplatz in den Schulen aufzugeben, sei "verantwortungsvoll und angemessen und auch mutig", sagte Gebauer.
Gebauer: Booster-Impfung für Lehrkräfte möglichst schnell
"Die Zeit jetzt ist mit dem Beginn der Pandemie nicht mehr zu vergleichen", argumentierte Gebauer, weil es nun Impfstoffe gibt. Aktuell seien in den Universitätskliniken keine Kinder im schulpflichtigen Alter wegen Covid-19 in Behandlung, das Pandemie-Geschehen an den Schulen sei "stabil und unter Kontrolle", erklärte die Ministerium. Dies liege auch daran, weil NRW auf flächendeckende und regelmäßige Corona-Tests in den Schulen setze. Gebauer plädierte aber dafür, auch die Lehrkräfte an den Schulen "möglichst schnell" mit einer dritten Impfung "zu boostern".
Zuvor hatte für die FDP die Abgeordnete Franziska Müller-Rech die Ministerin in Schutz genommen: "Kinder erkranken nicht schwer an Covid, Kinder gehören nicht zu den vulnerablen Gruppen, die Schulen sind nicht der Pandemietreiber", sagte Müller-Rech. In einer kämpferischen Rede warf sie der SPD vor, sie wolle Schüler nicht die Normalität im Unterricht gönnen, die nach mehr als eineinhalb Jahren Pandemie nun aber notwendig sei. Regelmäßige Corona-Tests in den Schulen würden die notwendig Sicherheit geben, dass die Pandemie nicht in den Schulen um sich greife.
SPD wirft NRW-Landesregierung "schweren Fehler" vor
Für die SPD-Fraktion kritisierte Jochen Ott zum Auftakt der Aktuellen Stunde, "die Kinder in NRW übernehmen mehr Verantwortung als die gesamte Landesregierung", denn "die meisten Kinder tragen die Masken freiwillig weiter." Angesichts der deutlich steigenden Zahlen der Neuinfektionen warf Ott der schwarz-gelben Landesregierung vor, der Wegfall der Maskenpflicht in den Schulen sei "ein schwerer Fehler", der die Pandemie in den Schulen anheizen werde. Ott sprach sich zudem im Namen seiner Fraktion dafür aus, dass auch Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden sollten.
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Für die CDU hob die schulpolitische Sprecherin Claudia Schlottmann hervor, durch den Wegfall der Masken hätten die Kinder in den Schulen nun endlich "die Möglichkeit zum Leben", denn das Tragen von Masken sei für die Schülerinnen und Schüler in den Schulen eine "enorme Belastung" gewesen. Mit der Bemerkung "zum Donnerwetter" warf sie der SPD vor, sie würde die Debatte um die Maskenpflicht letztlich als Wahlkampfthema missbrauchen. Es sei jedoch ein Zeichen von Freiheit, wenn es den Schülerinnen und Schülern nun selbst anheim gestellt sei, ob sie im Unterricht Maske tragen oder nicht. Die Maskenpflicht am Platz im Unterricht sei nicht mehr angemessen, der Anstieg des Infektionsgeschehens steige derzeit nicht in einem Maße, dass eine Maskenpflicht auch im Unterricht noch notwendig sein, erklärte Schlottmann. Sollte sich die Lage verschlechtern, müsse man die Maßnahmen neu bewerten. Schlottmann plädierte dafür, "vom Guten auszugehen."
Grünen-Abgeordnete: Schulen als "Drehscheibe" der Pandemie?
"Wer Präsenzunterricht will, darf die Schutzstandards nicht herunterfahren", sagte Sigrid Beer, Schulexpertin der Grünen im Landtag NRW. Vor den Herbstferien seien 11.940 Schülerinnen und Schüler in NRW in Quarantäne gewesen, in der Woche nach den Herbstferien sei die Zahl auf 21.025 angestiegen. Die zum Teil stark gestiegenen Inzidenzwerte in den Kommunen gerade in den schulpflichtigen Altersgruppen zeigten, dass das Infektionsrisiko in den Schulen nach wie vor hoch sei. Beer mahnte an, es mache keinen Sinn, jetzt "die mildeste Form des Infektionsschutzes" - nämlich die Maskenpflicht im Unterricht - abzuschaffen, da Schulen dadurch "zu einer Drehscheibe des Pandemie-Geschehens" geworden seien.
Die AfD mahnte der Abgeordnete Helmut Seifen in zwei Redebeiträgen an, es fehlten Zahlen zu den Schulen, die zeigten, wieviele der als infiziert gemeldeten tatsächlich erkrankt seien. Er sprach von Zwangsmaßnahmen, auch durch "manipulative Berichterstattung der Medien", die tatsächlich nicht begründet seien. Der Antrag der SPD zeige, "die Kräfte der Zerstörung" trieben in NRW "ihr Unwesen", die Bevölkerung werde durch die Politik "manipuliert". Der SPD hielt er vor, sie setze einzig und alleine "auf Zwang", um die Bevölkerung zu knechten. Die AfD sehe sich im übrigen mit Blick auf die Argumente von CDU und FDP, die nun die Abschaffung der Maskenpflicht im Unterricht nun rechtfertigen, bestätigt: Die negativen Folgen des "Maskenzwangs" an Schulen seien seit einem Jahr bekannt, CDU und FDP würden nun der seit Monaten vorgebrachten Haltung der AfD entsprechen.
Mitschuld an neuen Covid-Kranken? FDP fordert Entschuldigung
Emotional ging es in der "Aktuellen Stunde" auch nach Gebauers Rede weiter. So kritisierte Mehrdad Mostofizadeh, Gesundheitspolitiker der Grünen, begleitet von erregten Zwischenrufen, die FDP mache sich durch ihre Einschätzung, die Pandemie gehe dem Ende zu, "mitschuldig" daran, "wenn jetzt noch weitere Menschen an Covid erkranken." Bei der FDP löste das Missmut aus, der Abgeordnete Henning Höne forderte in seinem Redebeitrag im Anschluss von Mostifizadeh eine Entschuldigung vom der Grünen-Fraktion. Mostifizadeh habe mit seinem Beitrag "billigsten Populismus abgeliefert", auch weil die FDP in keinster Weise die Haltung verbreite, wie es Mostofizadeh darstelle, dass die Pandemie nicht mehr ernst zu nehmen sei.
Zu den von Gebauer gefordeten Booster-Impfungen für Lehrkräfte hielt Mostofizadeh der Schulministerin vor, bis dato kein Konzept für diese Impfungen der Lehrkräfte zu haben. Er forderte von der schwarz-gelben Landesregierung, sie solle "alsbald ein umfangreiches Konzept zum Schutz der Bevölkerung vorlegen."
Nach einem weiteren Beitrag des AfD-Abgeordneten Seifen, der inhaltlich seit erstes Statement wiederholte, endete die Debatte zur Aufhebung der Maskenpflicht im Schulunterricht.
(dae)