Düsseldorf. Könnten wieder eröffnete Impfzentren in NRW das „Boostern“ beschleunigen und mehr Menschen zur Erstimpfung motivieren?

Bund und Länder wirken angesichts der Besorgnis erregenden Entwicklung der Pandemie ratlos. Der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dringt auf ein schnelles Treffen der Länderchefs und der Bundesregierung. Ein Überblick. 

Wie ist die Lage?

Der Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland hat sich am Dienstag nicht fortgesetzt. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 153,7 an – 1,1 weniger als am Vortag. In NRW ging die Inzidenz ebenfalls leicht zurück auf 106,9. Der Rückgang dürfte aber mit Meldeverzögerungen am Feiertagswochenende zu erklären sein.

Die Zahl der Covid-19-Patienten in den NRW-Kliniken stieg laut NRW-Gesundheitsministerium von Freitag bis Dienstag um 39 auf 1327.

Warum der Ruf nach Wiedereröffnung von Impfzentren?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhofft sich davon, dass mehr Menschen schnell ein Angebot zur Auffrischungsimpfung („Booster“) gemacht werden könne und sich insgesamt mehr Menschen impfen lassen. Der Deutsche Städtetag hält diesen „Richtungsumschwung“ des Bundes für „nicht nachvollziehbar“. Man könne nicht Impfzentren einfach so schließen und wieder eröffnen, steht in einem Brief an die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, der dieser Zeitung vorliegt. Das NRW-Gesundheitsministerium stellte zuletzt klar, dass es keine Impfzentren mehr „in alter Form“ geben werde.

Der Verband der Hausärzte in NRW argumentiert ebenfalls gegen einen Neustart der Impfzentren. Die Räume dafür seien nur vorübergehend angemietet gewesen, ebenso wie die gesamte Ausstattung. Die Impfzentren würden häufig schon als Turnhallen oder Messehallen genutzt. Auch die Impfteams können nicht so einfach wieder aktiviert werden.

Die SPD-Landtagsfraktion forderte aber am Dienstag in einem Eilantrag die Reaktivierung der Impfzentren in NRW. Die Schließung sei ein „falsches Signal“ gewesen. „Das niedrigschwellige Angebot der Impfzentren ist weiterhin notwendig, um mehr Menschen zu erreichen“, erklärten Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat und SPD-Gesundheitsexperte Josef Neumann. Es müssten aber nicht exakt die gleichen 53 Standorte sein.

Immer mehr Kommunen in NRW haben schon kleinere, zentrale „Impfstellen“ eröffnet oder offengelassen, zusätzlich zu ihren anderen Impf-Angeboten. In Düsseldorf gibt es zum Beispiel gleich zwei „Mini-Impfzentren“: am Hauptbahnhof und an der Heinrich-Heine-Allee. Bürger können sich dort montags bis freitags zwischen 10 und 17 Uhr impfen lassen – ohne Termin. Duisburg ermöglicht montags bis samstags Erst-, Zweit- und Drittimpfungen in einem Zelt am Hauptbahnhof.

Wie positioniert sich der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)?

Er deutete am Dienstag an, dass er die Corona-Politik in Deutschland künftig aktiv mitgestalten will: Wüst forderte als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ein rasche Bund-Länder-Runde, um auf die Pandemie-Risiken in diesem Herbst reagieren zu können. Wo weniger geimpft werde, könne das Virus leichter um sich greifen. Daher sollten sich Bund und Länder auf eine gemeinsam abgestimmte Booster-Strategie einigen.

Welche Pläne hat der Bund für die Auffrischungsimpfungen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will allen Bürgern, deren Impfung mehr als ein halbes Jahr zurück liegt, eine Auffrischungsimpfung anbieten: Solche „Booster“-Impfungen könnten im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und nach ärztlicher Beurteilung „grundsätzlich allen Personen angeboten werden, die diese nach Ablauf von sechs Monaten nach Abschluss der ersten Impfserie wünschen“, heißt es im Beschlussentwurf des Bundesgesundheitsministers für die Ende der Woche tagende Gesundheitsministerkonferenz, der dieser Redaktion vorliegt.

Nach Spahns Willen sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder sowie die an der Impfkampagne beteiligten Mediziner aktiv über die Empfehlung und das Angebot von Auffrischimpfungen informieren. Zudem sollen die Länder „alle über 60-jährigen Bürgerinnen und Bürger über die Empfehlung zur Auffrischimpfung informieren“, heißt es im Entwurf. NRW hat Woche angekündigt, zunächst die Bürger ab 70 Jahren anzuschreiben.

Wie passt das Ende der Maskenpflicht im Unterricht zur Corona-Lage?

Nach Einschätzung mehrerer Lehrer- und Elternverbände gar nicht. „Das Ende der Maskenpflicht bringt viel Unruhe und Verunsicherung mit sich, ist verfrüht und daher riskant“, sagte zum Beispiel die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ayla Çelik, dieser Zeitung.  „Das kann Schule absolut nicht gebrauchen", so Çelik. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Gesundheitsminister Laumann halten den Schritt nach Abwägung von Nutzen und Risiken für vertretbar.

Wie reagieren Unternehmen?

Sie probieren eigene Corona-Regeln. Große Unternehmen in NRW wie Alltours, Bayer und EON prüfen laut „Rheinischer Post“, ob sie Kantinen nur für Geimpfte und Genesene (2G) einrichten sollten. RWE hatte zuletzt eine 3G-Regel in seiner Firmenzentrale in Essen eingeführt. Nur Geimpfte, Genesene und negativ Getestete dürfen zur Arbeit. (mit dpa)