Essen. Kleinstparteien gewinnen, das Revier ist stark vertreten, Plakate verschwinden in Rekordzeit: Was an Tag zwei nach der Wahl interessant ist

155 Abgeordnete schickt NRW in den neuen Bundestag, 13 mehr als bisher. Auch das Ruhrgebiet wird im neuen Parlament mit einem starken Kontingent von insgesamt 40 Abgeordneten vertreten sein - ein Plus im Vergleich zur letzten Wahl. Ein Überblick.

Die Direktmandate

Allein die SPD schickt 19 direkt gewählte Mandatsträger und Mandatsträgerinnen nach Berlin. Zwei Sozialdemokraten konnten der CDU auch die beiden Wahlkreise im Kreis Wesel abjagen, die vorher in CDU-Hand gewesen sind. Rainer Johannes Keller gewann den Wahlkreis Wesel I, Jan Ulrich Dieren den Wahlkreis Krefeld II/Wesel II. Als einziger Direktkandidat der CDU aus dem Ruhrgebiet konnte sich Matthias Hauer in Essen durchsetzen – mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,7 Prozent vor Gereon Wolters (SPD).

Rekorde

Der SPD gelang im Ruhrgebiet dagegen ein landesweiter Rekord. Sie holte in Herne-Bochum II mit 38,2 Prozent den höchsten Zweitstimmenanteil für die NRW-Partei. Und Michelle Müntefering sicherte sich in dem Wahlkreis mit 43,5 Prozent zudem das zweitbeste Erstimmen-Ergebnis der SPD an Rhein und Ruhr, nur für Karl Lauterbach lief es mit 45,6 Prozent in Köln/Leverkusen noch besser. Das landesweit beste Ergebnis aller NRW-Direktkandidaten erzielte allerdings nicht der populäre SPD-Gesundheitspolitiker, sondern ein CDU-Mann: Carsten Linnemann (CDU) wählten in Paderborn 47,9 Prozent der Stimmberechtigten. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion holte den dritthöchsten Wert aller 299 Wahlkreise in Deutschland.

Die Liste zieht

Neben den insgesamt 20 direkt gewählten Abgeordneten ziehen aus dem Ruhrgebiet weitere 20 Mandatsträger und Mandatsträgerinnen über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag: Für die CDU sind das Astrid Timmermann-Fechter (Mülheim), Sabine Katharina Weiss (Dinslaken) und Michael Breilmann (Castrop-Rauxel).

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Die Grünen sind vertreten mit Irene Mihalik (Gelsenkirchen), NRW-Landeschef Felix Banaszak (Duisburg), Janosch Dahmen (Hagen/Ennepe-Ruhr-Kreis) der bundesweit bekannten Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (Duisburg), Max Lucks (Bochum), Kai Gehring (Essen), Markus Kurth (Dortmund) und Michael Sacher (Unna). Die FDP kommt auf vier Abgeordnete: der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Marco Buschmann (Gelsenkirchen), schaffte es ebenso wie Bernd Reuther (Wesel), Katrin Helling-Plahr (Hagen) und Olaf in der Beek (Bochum). Für die AfD gehen Jörg Schneider (Gelsenkirchen), Matthias Helferich (Dortmund) und Stefan Keuter (Essen) nach Berlin. Die Linke ist dort künftig mit Christian Leye (Duisburg) und Sevim Dagdelen (Bochum I) vertreten.

Den Einzug verpasst hat Shoan Vaisi. Der 31-jährige Essener Sozialarbeiter wollte als erster ehemaliger Flüchtling ein Mandat im Deutschen Bundestag übernehmen. Die NRW-Landesliste der Linken zog nur bis Platz 6 – Vaisi stand auf Platz 12.

Die Wahlbeteiligung

Die höchste Wahlbeteiligung in NRW gab es im Wahlkreis Köln II mit 84,5 Prozent. Im Wahlkreis Duisburg II haben 63,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, der landesweit niedrigste Wert. Dort haben in einem einzelnen Wahlbezirk sogar nur 38 Männer und Frauen gewählt – so wenige, dass die Stimmen zusammen mit dem benachbarten Stimmbezirk erfasst worden sind.

Kleinstparteien auf dem Vormarsch

27 Parteien sind in NRW bei der Bundestagswahl angetreten. Von den Kleinstparteien hat es zwar keine ins Parlament geschafft – sie haben aber deutlich an Zustimmung gewonnen. 6,4 Prozent und damit knapp 640.000 der Wahlberechtigten haben am Sonntag ihre Stimme einer Splitterpartei gegeben – 2,6 Prozentpunkte bzw. über 260.000 Menschen mehr als vor vier Jahren. Die Tierschutzpartei etwa hat mit 136.171 Zweistimmen ihr Ergebnis fast verdoppelt.

Achtungserfolge gab es etwa unter den Direktkandidaten und -kandidatinnen der Satirepartei „Die Partei“. Marco Bülow, bis 2018 noch unter der SPD-Flagge im Bundestag, hat für Die Partei in Dortmund I 8,6 Prozent bzw. 13.361 Erststimmen geholt – mehr als die Kandidaten von Linke, AfD und FDP. 2017 holte Bülow, damals noch unter SPD-Flagge, 38,8 Prozent.

Landesweit zogen bei der Satirepartei besonders die Personen: Die Partei hat deutlich mehr Erst - als Zweistimmen erhalten.

Die Plakate

In wohl keiner Stadt sind die ersten Wahlplakate so schnell verschwunden wie in Mülheim: Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) ist auf die Idee gekommen, 101 Aufsteller im gesamten Stadtgebiet mit Plakaten zur Impf-Kampagne zu überkleben. Rund 5000 Euro hat die Aktion gekostet.