Düsseldorf. Es ist wieder Zeit für Grippe-Impfungen. Doch wie groß wird die Nachfrage diesmal? Nie gab es weniger Grippe-Fälle in NRW wie vergangene Saison.

Die Fragen „geimpft oder nicht geimpft“ ist im laufenden Jahr wohl eine der meist gestellten, wegen der Corona-Pandemie. Doch auch der Grippe-Impfung kam im vergangenen Winter eine besondere Bedeutung zu: Bund und Länder legten Risikogruppen die Grippeschutzimpfung verstärkt ans Herz, damit schwere Erkrankungen die Kliniken neben Covid-19-Patienten nicht zusätzlich stressen. In diesem Jahr scheint es anders. Dabei hat sich die Ausgangslage kaum verändert.

Mitte Oktober beginnt wieder die Grippe-Zeit und damit jetzt die Zeit gestartet, wo man sich wieder gegen Grippe impfen lassen kann. Als Grippe-Saison gilt der Zeitraum zwischen der 40. Kalenderwoche des aktuellen Jahres und der 15. bis 20. Kalenderwoche des Folgejahres.

Grippe-Impfung: Bis dato 10,7 Millionen Impfdosen beschafft

Welche Virus-Typen bei der neuen Grippewelle auf der Nordhalbkugel der Erde wahrscheinlich diesmal den Ton angeben werden, haben Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeitet (Siehe den Hintergrund am Ende dieses Berichts). Zahlreiche Pharmafirmen haben im Frühjahr die routinemäßige Impfstoffproduktion nach den neuen Vorgaben gestartet. Ende August waren laut dem Paul-Ehrlich-Institut, der zentralen Instanz für Impfstoffe und Arzneimittel in Deutschland, bereits 10,7 Millionen Impfdosen angeschafft.

26 Millionen Impfdosen waren es 2020 bundesweit - 20 Prozent mehr als in der Saison davor. Ärzte beobachteten zu Beginn der Grippe-Zeit eine verstärkte Nachfrage, auch in NRW. Zumal unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für die Grippe-Impfung geworben hat. Doch als sich die Corona-„Welle“ zum Jahresbeginn 2021 mächtig auftürmte und allerorten „Lockdown“ herrschte, ließ die Zahl der Grippeimpfungen stark nach. Im ersten Quartal 2021 zählte die Kassenärztliche Vereinigung 65 Prozent weniger Grippeimpfungen als im gleichen Quartal des Vorjahres. Zwischen Oktober und Dezember 2020 wiederum wurden noch 35 Prozent mehr Grippeschutzimpfungen registriert, als im gleichen Zeitraum 2019.

Corona- und Influenza-Impfung zeitgleich möglich?

„Prognosen zum Verlauf und zur Schwere der kommenden Grippewelle sind generell nicht möglich“, sagt eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts (RKI). Dort wirbt man auch für die anstehende Grippe-Saison dafür, dass sich vor allem Menschen aus Risikogruppen erneut impfen lassen - „gerade in Hinblick auf die zu erwartende Belastung des Gesundheitswesens“.

Wo womöglich eine „Boosterimpfung“ gegen Corona ansteht, sollte den derzeitigen Empfehlungen nach zwei Wochen Abstand zwischen Grippeimpfung- und Corona-Auffrischung liegen, raten Experten. Die Ständige Impfkommission (Stiko) beim RKI beschäftige sich derzeit „mit der Möglichkeit einer gleichzeitigen Gabe von Influenza- und Covid-19-Impfungen“, sagt die RKI-Sprecherin: „Relevante Studiendaten dazu werden im Laufe des Septembers erwartet.“

Rekord-Tiefstwert: 2020/21 wurden nur 97 Grippefälle in NRW registriert

Im NRW-Gesundheitsministerium gibt es unterdessen derzeit keine Anzeichen, erneut in besonderer Weise für die Grippe-Impfung zu werben. Denn auf die Frage antwortet eine Sprecherin des Ministeriums: „In der Saison 2020/21 hat sich weder in Deutschland noch in den anderen europäischen Staaten eine auf Bevölkerungsebene messbare Grippewelle aufgebaut. Ein Grund für die niedrigen Zahlen in dieser Saison sind sicherlich auch die Corona-Schutzmaßnahmen: Mindestabstände, Masken-Tragen oder Home-Office.“

Tatsächlich waren zum Ende der vergangenen Grippe-Saison NRW-weit nur 88 Grippefälle nach dem Infektionsschutzgesetz registriert worden, laut Medienberichten vom 13. April. In der Folge kamen ein paar Meldungen hinzu: Der „Influenza-Bericht“ (externer Link) des Landeszentrums für Gesundheit NRW (LZG) nennt für die Saison 2020/21 nun 97 Grippefälle. Dennoch ein Rekord-Tiefstwert. In der Vorsaison wurden fast 27.000 Fälle gezählt.

Die Zahl hat allerdings statistische Unwägbarkeiten. Während der Lockdowns hielten sich zum Beispiel viele Menschen von Arztbesuchen fern, selbst wenn sie kräftige Erkrankungssymptome hatten, die etwa auf Grippe hingedeutet haben könnten. Zudem könnte natürlich auch die Impfung selbst viele davor geschützt haben, schwer an Grippe zu erkranken.

Impf-“Muffel“: Grippeschutzimpfung nehmen viele nicht so wichtig

Dass auch in der kommenden Erkältungs- und Grippe-Zeit viele dabei bleiben werden, in der Öffentlichkeit Maske zu tragen und die „AHA“-Regeln beherzigen, könnte auch helfen, die anstehende Grippewelle 2021/22 im Zaum zu halten. Noch hinkt die Quote der Corona-Impfungen in NRW hinter den Erwartungen her: Rund zwei Drittel der Bevölkerung galten Ende der ersten Septemberwoche als „voll geimpft“. Weshalb die Maskenpflicht in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wohl auch über den Winter aufrechterhalten wird.

Gleichzeitig könnte das bedeuten, dass manche sich in diesem Jahr eine weitere Spritze in den Oberarm ersparen wollen - wenn die Sorge vor einer Erkrankung angesichts des milden Verlaufs der vergangenen Grippe-Welle womöglich nicht allzu groß ist. Zudem ist die Menge der Impf-“Muffel“ bei der Grippeschutzimpfung immer schon vergleichsweise groß gewesen: In der Grippesaison 2018/19 hatten sich laut Gesundheitsministerium NRW nur 35 Prozent bei den über 60-Jährigen, und 20 bis 50 Prozent bei den chronisch Kranken gegen Grippe impfen lassen. Im Jahr darauf dürften es zwar etwas mehr gewesen sein, aber wohl längst nicht so viele, wie derzeit bei der Corona-Impfung.

>> Hintergrund:

Milde Grippewelle erschwerte Suche nach neuem Grippe-Impfstoff

"Wegen des milden Verlaufs der Grippewelle in der vergangenen Saison war die Menge der verfügbaren Daten zu zirkulierenden Influenzaviren sowie deren geografische Repräsentation, auf die die WHO zur Erstellung der Grippeimpfstoffzusammensetzung zurückgreift, deutlich geringer als üblich", teilt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf Anfrage mit. "Dies führte zu Unsicherheiten bezüglich der Kenntnis über den vollen Umfang der genetischen und antigenen Vielfalt der aktuell und in der nächsten Saison zu erwartenden zirkulierenden Influenzaviren." Letztlich konnten aber neue Gruppen von A(H3N2)-Viren identifiziert wurden, von denen sich einige international verbreitet hatten, berichtet das PEI: "Nach Analyse aller zur Verfügung stehenden Daten wurde die Empfehlung bezüglich der A(H1N1)pdm09 und die A(H3N2)- Komponenten aktualisiert."