Essen. Beschäftigte müssen ihren Betrieben derzeit nicht sagen, ob sie gegen das Coronavirus geimpft sind. Daran gibt es vom Arbeitgeberverband Kritik

Ob beim Restaurantbesuch, dem Gang ins Kino oder am Eingang zum Schwimmbad – der Corona-Impfnachweis schafft in vielen Bereichen des Lebens Erleichterungen. Im Arbeitsleben zwischen Großraumbüro und Fertigungshalle spielt er indes noch keine große Rolle. Arbeitgebervertretende wollen das ändern. Sie fordern, dass Unternehmen den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen dürfen – und argumentieren mit dem Gesundheitsschutz aller Mitarbeitenden.

NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff spricht von einer Unsicherheit, die ein Ende haben müsse. „Wir wollen unsere Belegschaften so gut es geht schützen“, sagte der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen dieser Redaktion. Deshalb brauche es eine Klarstellung der Bundesregierung, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten nach ihrem Impfstatus befragen darf, so Kirchhoff. Das sei auch nötig, weil sich der Staat aus den Bürgertests zurückziehen werde und in diesem Zuge die kostenlose Testangebotspflicht für Arbeitgeber enden müsse.

Beschäftigte müssen Impfstatus gegenüber Betrieben nicht erklären

Kirchhoff unterstützte damit einen Vorstoß der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mit dem Ziel, die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundes zu ändern. Darin soll ein Arbeitgeber bei Infektionsschutzmaßnahmen zwar „einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen“ dürfen. Bislang müssen Beschäftigte ihrem Unternehmen aber nicht mitteilen, ob sie gegen das Coronavirus geimpft sind.

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Impfen ist Privatsache: Selbst in jenen Unternehmen, die ihrem Personal Impfangebote gemacht haben, dürfen Betriebsärzte und Betriebsärztinnen die Namen der Geimpften nicht an die Firma melden. Zwar kann jeder offen und freiwillig über die Immunisierung sprechen - eine Verpflichtung dazu gegenüber dem Chef oder der Chefin gibt es aber nicht.

Ausnahmen gibt es in bestimmten Branchen. So erklärt beispielsweise der Kommunale Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern in einem Schreiben von Juli, dass Betriebe im Gesundheitswesen Beschäftigte zur Schutzimpfung befragen dürfen. Auf dieser Basis könne dann entschieden werden, ob und wie die Beschäftigten eingesetzt werden.

Evonik: Gesetzgeber muss Lücke erkennen und schließen

Der Chemiekonzern Evonik mit Sitz in Essen teilt mit, für eine notwendige Gefährdungsbeurteilungen sei das Wissen um den Impfstatus in Unternehmen im Kampf gegen die vierte Welle äußerst sinnvoll. „Wir erwarten, dass der Gesetzgeber die Lücke erkennt und schließt“, so ein Sprecher.

Evonik hat sich selbst engagiert an der Impfkampagne beteiligt und in eigenen Impfzentren rund 14.000 Personen geimpft – darunter nicht nur eigene Beschäftigte. Das Unternehmen hat Mitarbeitende auf freiwilliger Basis und anonym aber zum Impfstatus befragt. Es sei davon auszugehen, dass in Deutschland rund 80 Prozent der Beschäftigten geimpft seien.

Laumann unterstützt Vorstoß - mit einer Einschränkung

NRW-Gesundheits- und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält den Vorstoß der Arbeitgeberseite „aus Gründen des Infektions- und Arbeitsschutzes grundsätzlich für eine gute Idee“. Er mahnte gegenüber dieser Redaktion aber an, dass Fragen des Beschäftigtendatenschutzes geklärt werden müssten.

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Die neue Datenschutzbeauftragte in NRW, Bettina Gayk, blieb indes zurückhaltend. Einem pauschalen Abfragerecht stünde sie eher ablehnend gegenüber, sagte sie am Dienstag. Man müsse sich den erforderlichen Gesetzentwurf aber genau anschauen, so Gayk.

Betriebsärzte plädieren für differenzierten Blick, DGB lehnt Vorschlag ab

Betriebsärzte werben derweil dafür, bei der Impfstatusabfrage Unterschiede zu machen. Wolfgang Panter, Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, sprach sich gegenüber dieser Redaktion für einen differenzierten Blick etwa im Gesundheitswesen oder in pädagogischen Berufen aus: „Wo es Bereiche der besonderen Gefährdung gibt, ist es sinnvoll, dass Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Beschäftigten kennen.“ Der Mediziner verweist auf eine gesetzliche Ausnahme bei der Impffrage: Im Rahmen der Masernimpfpflicht hat der Gesetzgeber festgelegt, dass unter anderem Kita-Personal den Masern-Impfstatus offenlegen muss.

Gewerkschaften lehnen den Vorstoß der Arbeitgeber ab. Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, sagte, dass die Kontrolle des Impfstatus nicht generell auf die Betriebe und deren Beschäftigte abgewälzt werden dürfe. Gleiches gelte für Testnachweise. „Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand“, so Weber. Sie warnte vor einer Verunsicherung der Betriebsräte und der Beschäftigten.

Arbeitgeber-Präsident Kirchhoff geht inzwischen noch einen Schritt weiter. Er sprach sich im „Kölner Stadtanzeiger“ für eine 2G-Regelung auch in Betrieben aus. Unterstützung gibt es dafür auch vom Handwerk, sollte sich das Infektionsgeschehen weiter so dynamisch entwickeln.