Essen. In Hamburger gelten ab diesem Samstag 2G-Sonderregeln. In NRW beobachtet die Gastro- und Veranstaltungsszene den Testlauf genau.

Als Chef des Gelsenkirchener Kulturveranstalters und Spielstättenbetreibers „Emschertainment GmbH“ hat Helmut Hasenkox naturgemäß das Ruhrgebiet besonders im Blick. Doch dieser Tage schaut der 62-jährige Veranstalter mit mindestens einem Auge auch auf Hamburg. „Was da jetzt passiert, kann exemplarisch für unsere Branche werden“, sagt Hasenkox.

Seit Samstag, 28. August, dürfen Betreiber unter anderem von Restaurants und Kulturstätten ungeimpfte Getestete ausschließen und im Gegenzug von bestimmten Corona-Lockerungen profitieren. „Wenn dieses Modell gut geht, könnte das ein Vorreiter für die ganze Branche werden“, glaubt der Geschäftsführer der Emschertainment, die als Tochterunternehmen der Stadtwerke in Gelsenkirchen in normaleren Zeiten über 200 Veranstaltungen im Jahr organisiert. „Wir alle beobachten das sehr genau.“

Hamburg geht als erstes Bundesland mit einer 2G-Option voran

Im Kampf gegen das Corona-Virus hatte sich NRW zuletzt mit den anderen Ländern und dem Bund auf die 3G-Regel verständigt, nach der Freizeitangebote nur noch Geimpften, Genesenen oder negativ Getesteten zugänglich gemacht werden sollen.

Vor dem Hintergrund der wieder steigenden Corona-Fallzahlen geht Hamburg als erstes Bundesland mit seinem „2G-Optionsmodell“ einen Schritt weiter: Nach Anmeldung bei den Behörden können Publikumseinrichtungen wie Restaurants oder Theater Angebote allein für Geimpfte und Genesene machen. Unter diesen Voraussetzungen entfallen dann Abstandsvorgaben, Teilnehmerbegrenzungen und Anmeldepflicht. Die geltenden Regeln zum Tragen medizinischer Schutzmasken entfallen nicht.

Lambrecht in der ARD: Gastwirte üben Hausrecht aus

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) findet diese Regelung unproblematisch. Wenn zum Beispiel Gastronomen künftig ausschließlich Geimpfte und Genesene in ihren Lokalen zuließen, werde das Hausrecht ausgeübt, sagte die Ministerin am Freitag im ARD. Bei der 2G-Regelung bestehe die Chance auf weniger Ansteckungsgefahr in den Lokalen.

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Wissenschaftler werben durchaus für Beschränkungen für Ungeimpfte. Wenn erneut eine Überlastung des Gesundheitssystems droht, sei die Anwendung der 2G-Regel für Veranstaltungen in Innenräumen sinnvoll, sagte Carsten Watzl, Immunologe an der TU Dortmund. „Wir dürfen nicht in den Bereich einer Inzidenz von 400 oder 500 kommen, dann sind die Kliniken genauso belastet wie in den Corona-Wellen zuvor.“ Watzl schlägt zudem ab einem bestimmten Grenzwert eine Testpflicht für Geimpfte vor.

Veranstaltungsbranche fordert einheitliche Regeln und hofft auf Hamburger Blaupause

In der Veranstaltungsbranche wird intensiv über eine 2G-Regel diskutiert. Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, forderte bundesweit einheitliche Vorgaben für seine Branche. „Wir hoffen, dass das Hamburger 2G-Modell eine Blaupause für alle anderen Bundesländer ist“, sagte Michow.

In Gelsenkirchen will Emschertainment-Chef Hasenkox seinen Veranstaltungsbetrieb erst im Oktober wieder hochfahren. Durchaus mit Unsicherheiten: „Uns melden namhafte Künstler zurück, dass bei einem Abend mit 1000 verkauften Karten nur 150 Leute aufkreuzen“, sagt er. Das etabliertere Publikum ab 35, 40 Jahren sei weiterhin eher zurückhaltend – auch bei Theater- und Kulturbesuchen. „Ich erwarte, dass eine 2G-Regel für mehr Sicherheit bei den Gästen sorgen würde.“ Auch er warb für eine einheitliche Regelung: „Im Alleingang wird das kaum ein Haus machen.“

NRW-Gastro-Branche wartet ab und beobachtet „ergebnisoffen“

Gewerkschaften kritisieren, die 2G-Regel komme einer indirekten Impfpflicht für Mitarbeitende gleich. Das sehen auch Arbeitgeber hinter vorgehaltener Hand durchaus als ein Problem an. Es gebe auch Beschäftigte, die nicht geimpft seien – sie nach Hause zu schicken, sei aber keine Option, heißt es.

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Die Gastro-Branche in NRW übt sich noch in Zurückhaltung. Man wolle die Entwicklung in Hamburg ergebnisoffen beobachten, teilte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands in NRW mit. Eine generelle 2G-Regel lehnt der Dehoga in NRW ab. „Wir sind Gastgeber und wollen niemanden ausschließen“, so der Sprecher.

NRW-Ministerium verweist auf strikte 3G-Regel im Land

Trotz der in NRW stark steigenden Fallzahlen auch auf den Intensivstationen sieht die Landesregierung keinen Anlass, dem Hamburger Beispiel zu folgen. Das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass in NRW mit die strengste 3G-Pflicht bundesweit gelte. Negative Corona-Tests müssen in fast allen Freizeitbereichen vorgelegt werden, der zuverlässigere PCR-Test ist in Clubs, Diskotheken oder bei Partys mit Tanz notwendig. Die aktuelle Corona-Schutzverordnung sei zudem erst seit sieben Tagen in Kraft. „Das Ministerium beobachtet die weitere Entwicklung sehr genau“, heißt es weiter. Darüber hinaus bleibe es Veranstaltern, Fußballvereinen oder Gastronomen unbenommen, in ihrer Verantwortung eine 2G-Regel einzuführen.

Andere Länder gehen weiter: Baden-Württemberg plant bei einer dramatischen Zunahme von Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen Einschränkungen für Ungeimpfte.