Essen/Düsseldorf. „Wir müssen um jeden, der sich impfen lassen will, werben“, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Ärzte fordern mehr mobile Impfaktionen.

Die Verfügbarkeit von Impfstoff ist in NRW kein Problem mehr, aber die Impfbereitschaft geht spürbar zurück. Und das, obwohl Impfbusse unterwegs sind „Pop-Up-Impfstationen“ aufgebaut werden und vielerorts auch noch zu später Stunde immunisiert wird. Die Bilanz der von der Landesregierung ausgerufenen „Woche des Impfens“ fällt daher durchwachsen aus.

„Es ist schön, zu sehen, wie viele unterschiedliche Impfangebote in den Kommunen vor Ort geschaffen werden“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Montag dieser Redaktion. Die Impf-Angebote seien bisher gut angenommen worden, und man brauche derzeit jedes niedrigschwellige Impfangebot.

Minister: Wir müssen um jeden Menschen werben

„Klar ist aber auch: Wir sind an der Stelle, an der wir um jeden Menschen, der sich impfen lassen will, werben müssen“, so der Minister. „Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass wir diese Menschen vom Nutzen der Impfung überzeugen können.“ Es sei ausreichend Impfstoff vorhanden, an vielen Stellen könnten sich die Menschen den Impfstoff aussuchen. Es werde weiterhin Impfungen ohne Termin in den Impfzentren und viele lokale Aktionen geben.

Insgesamt wurden in NRW laut Robert-Koch-Institut 811.801 Impfungen zwischen dem 12. Und dem 18. Juli verabreicht. Zwischen dem 5. Und dem 11. Juli waren es 1.091.204. Die Quote der vollständig Geimpften stieg in der „Woche des Impfens“ um 2,7 Prozent auf 49 Prozent. Zum Vergleich: Im Juni und in den ersten Julitagen lag der wöchentliche Zuwachs zwischen 3,5 und 4,5 Prozent. Die Kurve flacht sich also ab.

Im Wettlauf mit dem Virus

Verena Göppert, Vize-Geschäftsführerin des Städtetages NRW, sagte dieser Redaktion: „Die Impfung ist unser stärkstes Mittel gegen das Coronavirus. Eine Impfmüdigkeit können wir uns nicht leisten. Denn wir haben die Herdenimmunität noch lange nicht erreicht. Wir brauchen eine deutlich höhere Impfquote als bisher.“ Dafür müssten so viele Menschen wie möglich für eine Impfung motiviert werden. Göppert: „Der Sommer mit niedrigen Inzidenzen ist unsere Chance. Jetzt müssen wir mit vielen weiteren Impfungen für einen sicheren Herbst trotz neuer Virusvarianten sorgen.“

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Die Städte hatten sich viel einfallen lassen, um die Bürger zum Impfen zu motivieren. Mit unterschiedlichem Erfolg. Im Herner Impfzentrum ist man zum Beispiel zufrieden mit der Resonanz, in Duisburg und Gelsenkirchen weniger. Bei einer Sonderimpfaktion an der Uni Köln ließen sich am Freitag nur 100 von möglichen 500 Studenten impfen, vor dem Kölner Hauptbahnhof bildeten sich aber Schlangen an einer mobilen Impfstation.

Inzidenzwerte in NRW steigen weiter an

Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner ist inzwischen landesweit wieder auf 12,1 gestiegen. Der Landtagsabgeordnete und Bochumer SPD-Chef Serdar Yüksel forderte wegen der zunehmenden Impfmüdigkeit eine Impfpflicht für medizinisches Personal, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrpersonal und andere, die mit gefährdeten Menschen in Kontakt seien. „Wer glaubt, wir würden mit dem bisherigen Impffortschritt die Herdenimmunität erreichen, der glaubt auch an den Weihnachtsmann“, sagt Yüksel dieser Redaktion.

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Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ziehen eine gemischte Bilanz. Die Anzahl der Impfungen schwankte im Laufe der Aktionswoche leicht, blieb aber insgesamt etwa auf durchschnittlichem Niveau, teilt die KV Westfalen-Lippe mit. Ließen sich zu Beginn der Aktionswoche am vergangenen Montag 17.164 Menschen in den Impfzentren immunisieren, sank die Zahl im Wochenverlauf leicht ab auf 12.435 am Freitag. Darin sind die verschiedenen Sonderaktionen einbezogen.

Hausärzte: Mobile Impfangebote kommen an

Die KV begrüßt, dass viele Kommunen bei den Impfangeboten unkonventionelle Wege versucht haben, vom Impfen auf dem Wochenmarkt bis zu Impfpartys in den Zentren, sagte Sprecherin Vanessa Pudlo. Dem schloss sich die KV Nordrhein an. „Wir begrüßen generell alle Aktionen, durch die sich mehr Menschen, gerade auch Unentschlossene, impfen lassen“, sagt Sprecher Sven Ludwig. Ohne die „Woche des Impfens“ wäre der Rückgang bei den Impfzahlen wohl wesentlich deutlicher ausgefallen, so Ludwig.

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Auch die Hausärzte begrüßen unbürokratische Impf-Angebote. „In unserer Region zeigte sich, dass wir mit dem mobilen Impfen Menschen erreicht haben, die nicht in das Impfzentrum gekommen wären und auch nur dann eine Hausarztpraxis aufsuchen, wenn sie krank sind“, sagte Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe.

Kurze Wege zu den Impflingen

Sie sieht indes keinen Hinweis darauf, dass die Impfbereitschaft der Menschen nachlasse. Richter-Scheer: „Im Gegenteil. Wir haben schon sehr viele Menschen geimpft und jetzt gilt es, die Menschen zu erreichen, die es aus verschiedenen Gründen noch nicht geschafft haben.“

Zustimmung kommt vom Hausärzteverband Nordrhein: „Die Wege zu den Impflingen sollten so kurz wie möglich sein“, betont Sprecherin Monika Baaken. „Wir müssen mit mobilen Impfteams dahin gehen, wo die Leute sind.“ Das sei vor allem in Stadtteilen wichtig, wo die Impfquote niedrig sei. Sie fordert Vereine oder Initiativen auf, aktiv auf die Hausärzte zuzugehen, um gemeinsame Impfaktionen zu organisieren. „Viele Ärzte sind offen für solche Ideen.“