Düsseldorf. Viele Ärzte sind unzufrieden und müssen mit frustrierten Patienten zurechtkommen. Kontingent der Impfzentren seit April “eingefroren“.
Zweieinhalb Wochen vor dem Ende der Impfpriorisierung zum 7. Juni läuft die Immunisierung gegen das Coronavirus in NRW noch nicht rund. „Wir brauchen endlich Planungssicherheit und – gerade im Hinblick auf den 7. Juni – deutlich mehr Impfstoff, um die Impfkampagne erfolgreich fortzuführen“, sagte Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, dieser Redaktion. Mit Blick auf die Impfzentren erklärt die Landesregierung, dass es seit Mitte April keinen Zuwachs bei den Impfstoffmengen gegeben habe.
„Von Zufriedenheit kann keine Rede sein“, versicherte Anke Richter-Scheer für den Hausärzteverband. Auch im Mai habe sich die Situation noch nicht entspannt. Den Praxen stehe insgesamt zu wenig Impfstoff zur Verfügung, um der immensen Nachfrage nach Impfterminen gerecht zu werden. Besonders bei der Bestellung von Astrazeneca habe es zuletzt Probleme gegeben. Die Ärzte beziehen die Impfstoffe über die Apotheken und die über den pharmazeutischen Großhandel.
"Hin und wieder Schwierigkeiten mit Astrazeneca"
Ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums sagte, dass der Bund zwar in der Verantwortung stehe, die Länder und damit die Impfzentren mit Impfstoff zu versorgen. Aber der Bund sei davon abhängig, dass die Hersteller ihre Lieferzusagen auch einhalten. Die Produkte von Moderna und Biontech seien zuverlässig geliefert worden, mit Astrazeneca habe es in der Vergangenheit „hin und wieder Schwierigkeiten“ gegeben.
Vom Johnson & Johnson-Impfstoff habe NRW bisher nur die avisierten zwei Lieferungen erhalten. „Ferner“, so der Sprecher, „ist das Impfstoffkontingent der Impfzentren seit Mitte April eingefroren. Als Land bekommen wir eine feste Menge von 500.000 Dosen wöchentlich. Im Gegensatz zur niedergelassenen Ärzteschaft findet kein Aufwuchs statt bezüglich der Impfstoffmengen.“
Kassenärzte: Erstimpfung für alle bis Ende Juni
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. Frank Bergmann, bleibt trotz der Probleme optimistisch. Laut KVNO können alle Bürger bis Ende Juni erstgeimpft sein, die das wollen. Noch immer aber sei die Nachfrage höher als das Angebot – und das werde auch nach der Aufhebung der Impfpriorisierung so bleiben. „Wir werden nicht schlagartig alle impfen können“, so Bergmann. Dass derzeit wieder weniger Impfstoff in den Praxen ankommt als bestellt, sei eine „missliche Situation“, heißt es von der KVNO. Das aber werde „definitiv ab Anfang Juni aufhören“.
Gut 40,2 Prozent der Bevölkerung in NRW haben inzwischen eine Erstimpfung erhalten. Knapp 60 Prozent der Impfungen werden in Praxen vorgenommen.
Unzufrieden sind viele Hausärzte mit der Menge des Impfstoffes, der ihnen zur Verfügung steht. Vor allem beim Produkt von Astrazeneca gebe es eine Kluft zwischen Angebot und Nachfrage, so Anke Richter-Scheer, 1. Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe.
Termine wurden wieder abgesagt
„In der vergangenen Woche etwa hieß es seitens der Politik, dass Arztpraxen Astrazeneca ab sofort in unbegrenzter Menge bestellen können. Das haben viele Kolleginnen und Kollegen daraufhin gemacht und ihre Patienten entsprechend zur Impfung einbestellt. Zwei Tage später hieß es dann, dass man mit diesem Ansturm nicht gerechnet habe und die Praxen erhielten entweder viel weniger, als sie bestellt hatten, oder sogar gar nichts und mussten die bereits gemachten Termine wieder absagen“, ärgert sich die Verbandsvorsitzende.
Die Situation führe „natürlich zu Frust und Unmut bei den Patienten und zu einer großen Belastung in den Praxen und ist alles andere als motivierend“. Der Impfstoff von Biontech, der den Arztpraxen aktuell zu Verfügung gestellt wird, sei größtenteils den Zweitimpfungen vorbehalten.
Der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) erklärte auf Nachfrage, dass die im April und Mai gelieferten Impfstoffmengen den Vorankündigungen entsprochen hätten. Der Großhandel werde durch das Bundesgesundheitsministerium wöchentlich über die zu erwartenden Impfstoffmengen sehr kurzfristig unterrichtet.
Impfstoff vom Bund oder direkt vom Hersteller
Die Ärzte beziehen den Impfstoff über Apotheken, die Apotheken über den Pharma-Großhandel. Dieser wiederum erhält die Waren entweder direkt aus dem Zentrallager des Bundes (zum Beispiel Astrazeneca und Johnson & Johnson) oder vom pharmazeutischen Unternehmer, zum Beispiel Biontech.
Viele Hoffnungen ruhen derzeit auf dem für den 7. Juni geplanten Einstieg der Betriebsärzte in die Impfkampagne. Aber der Verband der Betriebs- und Werksärzte ist skeptisch. Man wisse derzeit weder wie viel noch welcher Impfstoff diesen Medizinern zur Verfügung stehen werde, erklärte eine Sprecherin des Verbandes in dieser Woche.