Gelsenkirchen. Der Essener OB übernimmt den Posten des Langzeit-Vorsitzenden Oliver Wittke. Die Union diskutiert aber auch heikle Personalfragen.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen ist der neue Vorsitzende der CDU-Ruhr. Bei einem Parteitag in Gelsenkirchen bekam der 47-Jährige 90,1 Prozent der Delegierten-Stimmen. Kufen tritt damit die Nachfolge von Oliver Wittke (54) an, der den mit rund 19.200 Mitgliedern größten CDU-Bezirk im Land fast 13 Jahre lang führte und sich nun auf seine Aufgabe an der Spitze eines Immobilienwirtschafts-Verbandes konzentriert.

Unter strengen Abstandsregeln und mit einem negativen Schnelltest als „Eintrittskarte“ traute sich die CDU trotz nach wie vor angespannter Corona-Lage einen Präsenzparteitag im Sportzentrum Schürenkamp in Gelsenkirchen mit 103 Delegierten zu. Thomas Kufen ist nach Wittke und Norbert Lammert erst der dritte Chef der CDU Ruhr in 35 Jahren und gilt seit Langem als möglicher Anwärter auf weitere Führungsaufgaben in der Partei.

Kufen: "Ich weiß, wie man Wahlen gewinnt"

„Ich weiß, wie man Wahlen gewinnt“, sagte Kufen zu Beginn seiner Bewerbungsrede und präsentierte sich als Fürsprecher der Ruhr-Region, die nicht nur Industrie-Denkmäler, sondern auch Industrie-Arbeitsplätze benötige und für die das Land und der Bund schnell einen Weg raus aus den Altschulden bauen sollten, solange die Zinsen noch niedrig seien. Passend zum Credo einer bürgerlich-konservativen, auf Wirtschaft und Finanzen penibel achtenden Partei, sagte Kufen, man brauche schwarze Zahlen, um sich grüne Projekte auch leisten zu können.

Oliver Wittke streute zum Abschied Salz in die Wunden seiner CDU und damit in gewisser Weise auch in die eigenen. Die Union dürfe nicht zu einer „Partei der alten weißen Männer“ werden und müsse attraktiver für Frauen sein. Wenn auf der Bundestags-Reserveliste der CDU Ruhr 14 Männer und 13 Frauen stehen, dann sei das „schlicht zu wenig“.

Wittke warnt: CDU könne zur "Dame ohne Unterleib" werden

Schließlich müsse die Union alles dafür tun, eine Mitgliederpartei zu bleiben. Bundesweit habe sie sich in 30 Jahren von 800.000 auf 400.000 Mitglieder halbiert und laufe Gefahr, eine „Dame ohne Unterleib“ zu werden. „Erst verliert man die Mitglieder, dann verliert man die Wahlen“, warnte der frühere Staatssekretär, Landes-Verkehrsminister und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Minutenlang spendeten ihm die Delegierten nach seiner wohl letzten Parteitagsrede stehenden Applaus.

Vom Rednerpult aus war nichts über die offenen Fragen zur Zukunft der CDU in NRW zu hören. Das Thema ist heikel, und vor der Landesvorstandssitzung der CDU am Montag traut sich niemand aus der Deckung. Aber natürlich wurde an den Tischen darüber gesprochen, ob es vernünftig ist, den längst überfälligen Landesparteitag, wie von Armin Laschet gewünscht, auf den Herbst zu verschieben und ob die Union zügig den als „Kronprinz“ gehandelten NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (45) für die Nachfolge von Laschet als Landesparteichef und für das Amt des NRW-Ministerpräsidenten nach vorne schieben sollte.

Wüst bringt sich in Stellung

Der Jurist aus dem Münsterland ist wegen seines Alters und der Tatsache, dass er dem Landtag angehört und daher vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt werden kann, der natürliche Kandidat für einen Neuanfang nach Armin Laschet. Der Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat hatte zuvor alle Zweifel, er wolle für den Fall einer Niederlage bei der Bundestagswahl ein „Rückfahrticket“ nach Düsseldorf, beseitigt.

Vieles deutet darauf hin, dass der CDU-Landesparteitag tatsächlich erst nach der Bundestagswahl als Präsenzparteitag organisiert wird. Armin Laschet habe es so vorgeschlagen, also dürfte es auch so geschehen, erklärte Thomas Kufen. Das biete der Landespartei jetzt die Gelegenheit, sich auf die Bundestagswahl und nicht auf Personalfragen zu konzentrieren.

Lammert rät: Lasst Euch ruhig Zeit mit dem Parteitag

Norbert Lammert, früherer Bundestagspräsident und Ehrenvorsitzender der Ruhr-CDU, spricht sich klar  für den späten Parteitagstermin aus: „Es gibt keine Notwendigkeit, früher zu wählen, und der Herbst hat mindestens einen Vorteil gegenüber einem Termin vor der Sommerpause: Im Herbst kennen wir das Ergebnis der Bundestagswahl, und damit die künftige Rollenverteilung der Union“, sagte er dieser Redaktion. Zudem stiegen bis Herbst die Chancen auf einen Präsenz-Landesparteitag, der eine größere Nähe zwischen den Delegierten ermögliche.

Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen, noch monatelang mit der Entscheidung über den Vorsitz der Landes-CDU zu warten. Denn es gibt mehrere Kandidaten, die kurz- oder langfristig an die Spitze der Partei oder der Staatskanzlei wollen und die sich in den kommenden Monaten aneinander reiben könnten: Hendrik Wüst, der favorisiert ist für Vorsitz und das Amt des Regierungschefs, aber ein Problem hat mit Teilen der Parteiführung. NRW-Innenminister Herbert Reul (68), der ein „Übergangsvorsitzender“ sein könnte. Und die mit 44 Jahren noch recht junge NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach, die formal schlechtere Karten hat als Wüst, aber vom Ehrgeiz getrieben ist, weiter aufzusteigen.

Konkurrenten auf der Parteitagsbühne

Wüst und Scharrenbach waren am Samstag persönlich beim Bezirksparteitag in Gelsenkirchen. Wüst durfte sogar ein Grußwort sprechen, obwohl er dem Bezirk Ruhr nicht angehört, lobte dabei seine Kabinettskollegin Scharrenbach, den scheidenden Bezirks-Parteichef Oliver Wittke und Armin Laschet für dessen klare Ansage vom Freitag, dass seine Zukunft auf jeden Fall in Berlin liege. „Die Menschen mögen diese Klarheit“, so Wüst. Mit etwas Phantasie schimmerte an dieser Stelle auch der Gedanke durch, der CDU in NRW würde mehr Klarheit über ihre Führungsfragen ebenfalls gut stehen.

Zu stellvertretenden Vorsitzenden der CDU Ruhr wurden gewählt: Benno Portmann (Recklinghausen), Marco Morten Pufke (Unna), Dennis Radtke (Bochum), Astrid Timmermann-Fechter (Mülheim) und Petra Vogt (Duisburg).