Düsseldorf. Prof. Ulrich von Alemann sieht Armin Laschet vor schweren Prüfungen. Gegen Annalena Baerbock wird es der Kanzlerkandidat schwer haben.
Über die Union ist ein Tornado hinweggebraust, der schwere Verwüstungen hinterlässt, erklärt Prof. Ulrich von Alemann im Interview mit dieser Redaktion. Der Politikwissenschaftler sieht Armin Laschet und seine Partei vor schweren Prüfungen.
Herr Prof. von Alemann, wie bewerten Sie den Auftritt von Markus Söder am Dienstag?
Alemann: Das war raffiniert inszeniert, aber aus seinen Worten triefte die Heuchelei. Man habe mit Anstand und Stil gehandelt, behauptete Söder. Er wolle keine Spaltung der Union. Ohne Groll werde er jetzt mit Armin Laschet in den Wahlkampf ziehen. Das war schon starker Tobak für einen, der CDU und CSU tief gespalten hat. Söder glaubt weiter, er habe die Nase vorn und sei der bessere Kanzlerkandidat. Aber viele Beobachter werden sein Verhalten kritisch sehen, sogar in Bayern. Es gibt Verletzte und Geschädigte auf allen Seiten, das gilt auch für Söder selbst.
Kann Laschet den Schaden, den er genommen hat, reparieren?
Alemann: Das wird schwer. Man muss ihm zu Gute halten, dass er echte Nehmerqualitäten hat. Er hat sich oft in seiner politischen Laufbahn erst im zweiten oder dritten Anlauf durchgesetzt, aber es gelang ihm doch immer wieder, zuletzt als Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender. Laschet ist aus dem Wettstreit mit Söder wieder nur als Punktsieger mit einigen Blessuren hervorgegangen. Das war kein reinigendes Gewitter für die Union, sondern ein Tornado, der eine verwüstete Landschaft hinterlässt. Laschet wurde gegen die Mehrheit in der Bundestagsfraktion, die Parteibasis, die CSU und die allgemeinen Umfragen nominiert.
Kann Laschet die Union zum Wahlkampf motivieren?
Alemann: Das ist ungewiss, denn nur etwa die Hälfte der CDU steht zu ihm. Laschet hat im Osten Deutschlands große Probleme sowie im konservativen Teil der CDU. Die CSU wird weiter nicht auf seiner Seite stehen und zieht wohl nur mit angezogener Handbremse in die Bundestagswahl. Es wird für Laschet nicht so laufen wie nach Vorwahlen der Parteien in den USA, nach dem Motto: „The winner takes it all“. Und schon am 6. Juni muss er bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eine harte Prüfung bestehen. In den vergangenen Tagen ging der dortige CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff Laschet von der Fahne. Verliert die CDU in Sachsen-Anhalt, dann geht die Kritik an Laschet weiter. Die Partei und ihr Kandidat stehen vor einer harten Zeit.
Hat Laschet eine Chance gegen die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock?
Alemann: In den Umfragen hat die Union etwa zehn Prozent Vorsprung vor den Grünen. Das ist viel Holz, allerdings kann dieses Holz schnell verbrennen. Annalena Baerbock wird zwar oft vorgeworfen, sie habe keine Regierungserfahrung. Aber sie verfügt über 20 Jahre Politikerfahrung, auch in Spitzenpositionen. Die Grünen sind noch immer eine bunte Partei. Sie so geräuschlos zusammenzuführen, das ist eine große Leistung von Baerbock und Robert Habeck. Die befriedeten Grünen treten gegen die zerstrittene Union an. Das wird ein spannender Wahlkampf, dessen Ausgang nicht vorherzusagen ist.
Was die Kanzlerkandidatur von Armin Laschet für die NRW-Landespolitik bedeutet, lesen Sie hier.