Düsseldorf/Essen. Nicht nur in Köln und Südwestfalen spitzt sich die Lage in den Kliniken zu, auch Essen nähert sich dem Höchstwert bei Corona-Patienten.
Die dritte Pandemiewelle trifft mit Wucht die Intensivstationen in NRW. Auch die Essener Universitätskliniken nähern sich bei der Belegung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten wieder dem bisherigen Höchstwert aus dem vergangenen Jahr. Im Dezember 2020 sei mit 41 Corona-Patienten auf Intensivstationen die bisher höchste Zahl erreicht worden, aktuell seien es 38, sagte ein Kliniksprecher am Mittwoch.
Die Essener Universitätskliniken im Millionen-Ballungsraum Ruhrgebiet behandeln NRW-weit mit Abstand die meisten Corona-Patienten. Auch bundesweit liegt Essen nach der Charité Berlin bei der Corona-Patientenzahl in der Spitzengruppe.
Planbare Operationen wurden in Essen um ein Drittel reduziert
Die Essener Universitätsmedizin habe ihre planbaren Operationen etwa der Hüfte, des Knies oder mancher Krebs-OPs um ein Drittel reduziert, um Intensivbetten für Corona-Patienten zu sparen, sagte der Sprecher. Dennoch seien von den insgesamt 180 Intensivbetten der Häuser Stand Mittwochmorgen nur sieben frei. Hinzu kämen allerdings 15 sogenannte Überwachungsbetten, auf die etwa Unfallopfer verlegt werden könnten, um Raum für Corona-Patienten zu gewinnen.
„Immer mehr Krankenhäuser melden spürbare Engpässe auf den Intensivstationen. Dass in Köln und Bonn nun erste Kliniken an die Grenzen ihrer Notfallkapazitäten gekommen sind, muss uns alle wachrütteln“, sagte Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, dieser Redaktion. Intensivmediziner erwarteten weiter deutlich steigende Fallzahlen. „Es ist deshalb höchste Zeit, dass Bund und Länder wirksamere Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung von COVID-19 ergreifen“, so Brink.
Planbare Operationen vor der Verschiebung
Die Lage werde dazu führen, dass planbare Operationen verschoben werden müssten, erklärte Brink. Dennoch werde weiter jeder Notfall behandelt. Das NRW-Gesundheitsministerium hat in einem Schreiben alle Kliniken im Land auf eine „sehr herausfordernde Phase der Pandemie“ vorbereitet. Die Häuser sollten sich darauf vorbereiten, auch Patienten aus anderen Krankenhäusern aufzunehmen.
Köln meldete mit 113 die höchste Zahl an Intensivpatienten seit Beginn der Pandemie. Aus Medizinerkreisen war zu erfahren, dass besonders in Hagen, aber auch im Märkischen Kreis, im Kreis Siegen-Wittgenstein sowie in Bielefeld die Intensivstationen volllaufen. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg in NRW auf 153,9.
Opposition fordert Sondersitzung des Landtags
SPD und Grüne beantragten wegen der dramatischen Entwicklung beim Infektionsgeschehen eine Sondersitzung des Landtags für Donnerstag. Die Landesregierung müsse jetzt endlich eine abgestimmte Strategie vorlegen. „Das System von Fahren auf Sicht und Flickschusterei ist gescheitert“, sagte Grünen-Landtagsfraktionschefin Josefine Paul.
NRW-SPD-Chef und Landtagsfraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty warnte vor einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems: „Die Weigerung von NRW, bei der Notbremse konsequent zu handeln, geht zu Lasten der Intensivstationen.“
Freie Betten, aber kein Personal?
Die Zahl freier Betten sage nicht viel über die tatsächliche Lage aus, denn viele Betten könnten nicht belegt werden, weil das Personal fehle. „Viele Klinik-Beschäftigte gehen auf dem Zahnfleisch oder haben gekündigt. Es werden in den Kliniken immer noch Patienten behandelt, die sich vor Wochen infiziert haben“, so Kutschaty. Die Anzahl der verfügbaren Intensivbetten mit Beatmung lag am Dienstag laut Landesregierung bei 520.
Die Co-Vorsitzende der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, war der NRW-Regierung vor, die Entwicklung „verschlafen“ zu haben. Die Grünen fordern vorläufig den Verzicht auf Modellversuche für Öffnungen in ausgewählten Kommunen.