Düsseldorf. Wie will die NRW-Landesregierung die dritte Pandemie-Welle stoppen? Im Landtag verteidigt Ministerpräsident Laschet seinen “Brücken-Lockdown“.
- Der NRW-Landtag hat auf Verlangen von SPD und Grünen über Maßnahmen gegen die Corona-Welle beraten.
- Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes hatte Armin Laschet (CDU) einen härteren Brücken-Lockdown für mehrere Wochen vorgeschlagen.
- Grüne kritisieren "Zickzack-Kurs der Landesregierung", SPD sieht "grobe handwerkliche Fehler".
Hier finden Sie die wichtigsten Infos im Überblick:
"Die Lage ist weiter ernst", sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Auftakt der Sondersitzung im Landtag in Düsseldorf, "sie ist dramatisch." Die Sieben-Tage-Inzidenz liege inzwischen bei 158,6. Fast 1000 Covid-Patienten würden auf den Intensivstationen behandelt. Immer öfter treffe es auch jüngere Menschen. "Wir kommen der Kapazitätsgrenze gefährlich nah", sagte Laschet mit Blick auf die Situation in den Krankenhäusern.
Laschet warb erneut für den von ihm geforderten Brücken-Lockdown. "Wir wären weiter als wir es sind", wenn der umgesetzt worden wäre, so der Ministerpräsident. Dafür bekam der Ministerpräsident aus den eigenen Reihen viel Applaus. Nach der Vorstellung des Plans hatte Laschet Kritik und Häme geerntet.
In den Schulen sei nach den Osterferien mit einer "Woche der Vorsicht" gestartet worden. Impfen, Testen und digitale Kontaktverfolgung seien die drei wesentlichen Bausteine einer "Brücke in den Sommer" und raus aus dem Lockdown.
Impfkampagne in NRW nimmt seit Ostern Fahrt auf
Seit Ostern habe die Impfkampagne in NRW Fahrt aufgenommen. 450.000 Menschen hätten seit Karsamstagmorgen Astrazeneca-Vakzine erhalten. 200.000 Dosen von Biontech und Moderna seien kurz darauf an die Hausarztpraxen gegangen. In der kommenden Wochen könnten auch die Jahrgänge 1946 und 1947 Termine ausmachen, stellte Laschet in Aussicht: "Wir gehen Stück für Stück auf jüngere Jahrgänge."
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Je mehr Impfstoff das Land erreichen, "desto mehr können wir in die Breite gehen", sagte Laschet. Mehr als drei Millionen Menschen in NRW seien inzwischen einmal geimpft. Insgesamt seien zum jetzigen Zeitpunkt vier Millionen Impfdosen verabreicht worden. Bei den Erstimpfungen liege das Land inzwischen über dem Bundesschnitt. Mindestens 50 Prozent der Erwachsenen werden bis zum Start der Sommerferien geimpft sein, bei diesen Versprechen bleibe es.
In NRW gebe es inzwischen 6500 Orte für Corona-Schnelltests. Das entspreche der Hälfte aller Test-Standorte bundesweit. Vier Millionen Schnelltests seien allein im März durchgeführt worden, mittlerweile seien es 1,4 Millionen Bürgertests pro Woche. Damit könne das "Dunkelfeld" aufgehellt werden: "Bürgertest ist Bürgerpflicht." Mit zwei verpflichtenden Tests pro Woche soll in Kommunen mit einer Inzidenz unter 200 ab Montag wieder Wechselunterricht in den Schulen ermöglicht werden, wie Schulmininsterin Yvonne Gebauer (FDP) bereits verkündet hatte.
Kutschaty zur Impfkampagne: "Ungarn, San Marino und Serbien haben uns abgehängt"
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty erinnerte an rund 80.000 Corona-Tote in Deutschland, 15.000 davon in Nordrhein-Westfalen. In der Uni-Klinik in Essen seien gerade noch sieben von 180 Intensivbetten frei. Landesweit gebe es gerade noch rund 500 freie Intensivbetten. "Die Lage ist ernst", sagte auch Kutschaty.
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Mit scharfen Worten kritisierte Kutschaty die sogenannte "Querdenker"-Bewegung. Zwar habe NRW beim Impfen große Fortschritte gemacht, "aber im Vergleich zu anderen hinken wir hinterher". "Ungarn, San Marino und Serbien haben uns abgehängt", kritisierte der SPD-Fraktionschef. Kutschaty forderte erneut, auch auf den russischen Impfstoff "Sputnik" zu setzen und über das Land eigene Mengen zu beschaffen - dem hatte Ministerpräsident Laschet zuvor eine relativ deutliche Absage erteilt.
Laschets Vorschlag für den Brücken-Lockdown nach vier Tagen Nachdenkens über Ostern sei "ein Plagiat" ähnlicher Ideen der Ministerpräsidenten Kretschmann (Baden-Württemberg) und Söder (Bayern) und darüber hinaus "peinlich" gewesen, sagte Kutschaty.
"Außer Pressekonferenzen gibt es in Nordrhein-Westfalen kein Regierungshandeln mehr", kritisierte Kutschaty die Arbeit der Landesregierung.
"Testen, testen, testen" - das gelte vor allem für Jugendliche und Kinder, für die es auf lange Sicht keine Impfangebote geben werde. Auch da klappe es aber nicht. So sei nach den Ferien "ein komplettes Chaos im Schulbereich" entstanden. Dort mangele es an Test-Kapazitäten. Außerdem müssten Schüler auch zu Hause getestet werden können. Eine Strategie sehe er da nicht. Vieles käme für alle Beteiligten kurzfristig und überraschend. "Schulmail" sei für ihn inzwischen "das Unwort des Jahres in Nordrhein-Westfalen", so Kutschaty.
CDU-Fraktionschef: "Impfturbo ist eingeschaltet"
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Es gebe bei der Pandemie nun mal "keinen Knopf fürs Ausdrücken", sagte CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen. Die SPD traue den Menschen im Land nicht mehr. "Eigenverantwortung ist für Sie ein Fremdwort", so Löttgen in Richtung der Sozialdemokraten. Löttgen verteidigte Laschets Vorschlag zum "Brücken-Lockdown" und kritisierte stattdessen die von SPD-Ministerpräsidenten regierten Bundesländer. In NRW sei "der Impfturbo eingeschaltet", so Löttgen. NRW habe die höchste Impfquote aller Flächenländer in Deutschland.
Grüne beklagen "Zick-Zack-Kurs" der Landesregierung
Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul sprach angesichts der Situation in den Krankenhäusern von einem "medizinischen Drama, das zu schnellem Handeln zwingt". Die Landesregierung habe alle Instrumente zur Hand, sie würden allerdings nicht angewandt.
"Wir sind nicht nur in der dritten Welle, sondern wir sind auch in einer der kritischsten Phasen", sagte Paul. "Wir gehen auf eine klare Inzidenz von 200 zu", so die Grünen-Fraktionschefin. Lockerungen seien dabei der völlig falsche Kurz, sagte Paul, die vor allem die FDP anging. Der Landesregierung warf sie einen "Zick-Zack-Kurs" und "Flickschusterei" in der Pandemiebekämpfung vor. "Handeln Sie, machen Sie endlich ihren Job", so Paul in Richtung der Landesregierung.
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Die Kommunen agierten weitsichtiger als die Landesregierung, so Paul. Dafür würden diese allerdings viel zu wenig eingebunden oder unterstützt. Paul warb für einen "Gipfel mit den Kommunen". Sie kritisierte zudem, dass es in NRW keinen landesweiten Krisenstab gebe.
In der Schulpolitik fehle jede Strategie, stieß Paul ins gleiche Horn wie Kutschaty. Ministerin Gebauer habe "ihre Hausaufgaben nicht gemacht". Das gelte vor allem für den Mangel an Testkapazitäten.
FDP: Testen ist "Gesundheitsschutz pur"
FDP-Fraktionschef Christof Rasche hielt Paul einen lautstarken, aggressiven Auftritt vor. Sie habe es zudem versäumt, eigene Vorschläge zur Bekämpfung der Pandemie vorzulegen. SPD und Grüne sähten durch ihre Politik in Teilen "Misstrauen" im Land.
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Testen etwa vor dem Einkaufen sei "Gesundheitsschutz pur". Zudem gebe es den Bürgern mehr Freiheiten in ihrem Alltag: "Terminshopping mit Test dient dem Gesundheitsschutz." Das gelte auch für das Projekt der Modellregionen, dessen Start in vielen Städten angesichts der Entwicklung der Corona-Zahlen kurzfristig verschoben worden war.
Rasche warb auch dafür, Cafés und Außengastronomie zu öffnen und verwies dabei auch auf die Schweiz, wo trotz höherer Inzidenz bald auch Fitness-Studios wieder aufsperren sollen.
Das vom Bund geplante neue Infektionsschutzgesetz sei ein "Misstrauensvotum" gegenüber den Ländern und den Kommunen: "Diese Bundes-Notbremse ist Murks", so Rasche. Das Gesetz, das den Bürgern zu viele Freiheiten nehmen würde, dürfte in der bestehenden Form nicht beschlossen werden. "Die Freiheit stirbt scheibchenweise", sagte Rasche, und das werden wir verhindern."
AfD: "Möchtegern-Kanzler" und "Möchtegern-Ministerpräsident"
Sven Tritschler von der AfD kritisierte den "Möchtegern-Kanzler" Laschet und den "Möchtegern-Ministerpräsidenten" Kutschaty. Aus dem NRW-Landtag mache die Landesregierung durch ihre Art der Politik "eine Art Studentenparlament". "Wir werden weiterhin für die Freiheit und für das Grundgesetz kämpfen", so Tritschler.
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Seit Montag gilt für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte in NRW eine neue Betreuungsverordnung.
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