Düsseldorf. Sind Grüne gegen Eigenheime? Mona Neubauer, Grünen-Landeschefin, wirft anderen Parteien vor, den Grünen falsche Etiketten anzuheften.

Die inzwischen erfolgsverwöhnten NRW-Grünen stellen am Sonntag bei einem digitalen Parteitag erste Weichen für den Landtagswahlkampf 2022. Co-Parteichefin Mona Neubaur versichert im Gespräch mit Matthias Korfmann nach den jüngsten Irritationen, dass die Grünen nicht wieder auf dem Weg zur Verbotspartei seien.

Frau Neubaur, Anton Hofreiter hat mit seinen Sätzen zu Einfamilienhäusern irritiert. Sind Sie auch gegen Eigenheime?

Neubaur: Nein. Wir Grüne wollen für die Breite der Gesellschaft in Stadt und Land gutes und bezahlbares Wohnen, das die Umwelt nicht unnötig zerstört, ermöglichen. Auch Gering- und Normalverdiener müssen eine Chance auf ihre eigenen vier Wände haben. In welcher Form – als Wohnung, Haus oder Mehrgenerationen-Projekt – muss lokal vor Ort entschieden werden.

Hat sich Herr Hofreiter also vertan?

Neubaur: Er hat im Spiegel-Interview auf regionale Unterschiede hingewiesen. Die Aussagen wurden bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und überspitzt weitergetragen. Die anderen Parteien haben offensichtlich den Bundestagswahlkampf eröffnet. Diesen mit unsauber verfälschten Aussagen anzulegen, gefährdet den demokratischen Diskurs. 

Also ein Missverständnis?

Neubaur: Wer offensichtlich keine zukunftsfähigen Ideen für die Herausforderungen unserer Zeit hat, versucht es mit der Abwertung politischer Mitbewerber zu kaschieren.

Bricht da nicht wieder die alte Verbotspartei hervor? Haben die Grünen nichts aus dem Veggie-Day-Desaster von 2013 gelernt?

Neubaur: Die Kommunikationsabteilungen unserer Mitbewerber versuchen, uns beim großen sozialen Thema Wohnen mit Etiketten zu versehen, die nicht das wiedergeben, was sie mit Grünen-Politikern vor Ort selbst umsetzen. Den Bodenspekulationen entgegenzutreten und bezahlbaren, vielfältigen und klimafreundlichen Wohnraum zu schaffen.

Jetzt wollen Sie auch noch alle Hausbesitzer in NRW zwingen, Solaranlagen auf ihre Dächer zu bauen…

Neubaur: Maßnahmen für Klimaschutz zu ergreifen, ist eine Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen. Wir Grüne nehmen die Gestaltung dieses Wandels an. NRW hat da seine Potenziale bei Weitem noch nicht gehoben, anders als Bayern, wo eine CSU-Landesregierung ankündigt, ab 2022 Solar auf Dächern bei Neubauten zur Pflicht zu machen. Auch andere Länder preschen hier vor. Solaranlagen dienen der Zukunft, dem Klimaschutz und ermöglichen einen zusätzlichen Auftrags-Schub im Handwerk.

Schrecken Sie damit nicht Privatleute ab, die Angst vor den Kosten haben?

Neubaur: Solaranlagen sind wirtschaftlich: Die Kosten gleichen sich nach kurzer Zeit aus. Man kann damit Strom- und Heizkosten einsparen. Die Kosten dürfen auch nicht an Mieter weitergegeben werden. Andersrum können Mieter mit günstigem Strom vom Dach Strom- und Heizkosten sparen.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sagt, wir brauchen keine Solarpflicht, weil die Bürger das auch freiwillig machen. 2020 wurden 70 Prozent mehr Photovoltaikanlagen installiert als 2019.

Neubaur: Die Steigerung bei den Solaranlagen zeigt ja, dass Photovoltaik eine hohe Akzeptanz hat und keine Überforderung ist für Hausbesitzer. Sie lohnt sich, ist akzeptiert, hilft Handwerkern und schützt das Klima.

Beim Kleinen Parteitag am Sonntag wird es um eine „Verkehrswende“ gehen. Was meinen Sie damit?

Neubaur: Wir wollen, dass Verkehr sauber und bezahlbar wird. Ein Schwerpunkt ist das Fahrrad. Viele Bürger sind in der Krise aufs Rad umgestiegen. Sie wollen aber auch sicher auf guten Radwegen von A nach B kommen, und sie brauchen gute Abstellmöglichkeiten für die Räder. Wir wollen den Fahrradanteil auf 25 % steigern. 

Ein weiterer Schwerpunkt sind Bus und Bahn. Zum Beispiel der Ausbau des S-Bahn-Netzes mit neuen Haltepunkten, gerade im Ruhrgebiet. Spätestens durch die Erfahrungen in der Corona-Krise ist die Akzeptanz, in überfüllten Bahnen zu fahren, gesunken. Wir wollen Bahnhöfe, die sauber und barrierefrei sind, und gereinigte Bahnen mit besserer Belüftung. Jetzt ist die Zeit für Investitionen in eine Infrastruktur der Zukunft.

Besonders die Menschen im ländlichen Raum brauchen endlich Alternativen zum eigenen Auto. Schnellbuslinien, die bessere Vernetzung von Carsharing, Fahrrad und Bahn bieten komfortable und umweltfreundliche Alternativen, die Teilhabe ermöglichen.

Zur Person:

Mona Nebaur (43) stammt aus Bayern, wohnt in Düsseldorf und ist seit 2014 Chefin der NRW-Grünen. Co-Parteivorsitzender ist Felix Banaszak. Sie engagiert sich seit 2005 bei den Grünen. Neubaur gilt als Anwärterin auf die Spitzenkandidatur der Grünen für die Landtagswahl 2022.