Essen. Minister Spahn kündigt eine zweite Prämie für das Klinikpersonal an. Die Erwartungen sind groß - auch, weil viele beim ersten Mal leer ausgingen.
Fast ein Jahr ist es her, dass sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf einen Schlag viele Freunde hätte machen können. Im April 2020 hatte der Christdemokrat Bonuszahlungen für Pflegekräfte angekündigt, die während der Corona-Pandemie besonders viel leisten. Gemeint seien jene Pflegekräfte, so Spahn, „die jeden Tag diese schwierige Arbeit machen“.
Doch die Hoffnungen vieler Klinikbeschäftigte in NRW auf diese Anerkennung wurden bitter enttäuscht: Letztlich sind die Kriterien für eine Klinik-Prämie so eng gefasst worden, dass nur etwa jede vierte Pflegekraft am Jahresende den steuerfreien Bonus aus Mitteln des Gesundheitsfonds erhalten hat.
Umso größer ist die Erwartungshaltung unter Krankenhäusern in NRW jetzt, da Spahn eine zweite, üppiger ausgestaltete Prämie für Klinikbeschäftigte ankündigt hat: Bis Ende Juni sollen stark belastete Krankenhausmitarbeiter einen Bonus von bis zu 1.500 Euro pro Person erhalten. Besonders Kliniken, die noch 2020 leer ausgegangen waren, pochen nun auf Beachtung ihrer Mitarbeiter.
Bochumer Uniklinikum: Beschäftigte haben Außerordentliches geleistet
Ihre Beschäftigten hätten auch in der zweiten Welle der Pandemie Außerordentliches geleistet, heißt es etwa vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheilin Bochum. Dort sind 2020 über 220 Covid-19-Patienten behandelt worden und auch nach dem Klinikaufenthalt erhalten Betroffene, die unter den Folgen einer Infektion leiden, eine besondere Unterstützung. Ein Sprecher verweist auf den hohen Einsatz der Beschäftigten: „Unsere Kollegen und Kolleginnen haben diese Anerkennung mehr als verdient.“ Man rechne damit, berücksichtigt zu werden.
Für den zweiten Bonus stellt die Bundesregierung 450 Millionen Euro bereit – mehr als das Vierfache dessen, was aus dem Gesundheitsfonds für die erste Klinikprämie zur Verfügung gestanden hatte. Ende 2020 hatten deshalb nur knapp 100 NRW-Kliniken Gelder erhalten, die bestimmte Kriterien erfüllt haben.
Neue Prämie soll nicht nur an Pflegekräfte, sondern auch ans Reinigungspersonal gehen
Auch jetzt müssen Kliniken Mindestfallzahlen an Corona-Patienten vorweisen. Diesmal soll die Sonderzahlung aber nicht nur an Pflegefachleute, sondern etwa auch an Reinigungskräfte gehen.
2020 leer ausgegangen ist auch das Universitätsklinikum Bonn, das bundesweit durch die Arbeit des Virologen Hendrik Streeck Aufmerksamkeit gefunden hat und Anerkennung für seine Beschäftigten einfordert. Als Maximalversorger mit dem dritthöchsten Fallschweregrad in Deutschland seien die Mitarbeiter auch über die Pandemie hinaus an vorderster Front im Einsatz, unterstrich eine Sprecherin. „Sie müssen von einer entsprechenden Prämie auch profitieren.“ Diese Forderung werde das Uniklinikum für die Mitarbeiten aktiv vertreten. In Bonn sind 2020 insgesamt 366 Covid-19-Patienten behandelt worden, zum Jahreswechsel waren es rund 60 Patienten.
Gewerkschaften fordern, dass der Bonus ausgeweitet wird
Bei Gewerkschaften trifft Spahns Vorhaben indes auch auf Kritik. Sie erwarten Unmut unter den Pflegekräften, weil Kliniken oder Stationen mit wenig Corona-Fällen auch bei der zweiten Corona-Sonderzahlung außen vor bleiben sollen.
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Wenn sich ein Klinikum in der Region auf die Behandlung von Covid-19-Patienten konzentriere, führe das unweigerlich dazu, dass umliegende Krankenhäuser andere Patienten auffangen müssten, erinnert Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär der Verdi in NRW. „Dieser Mehrbelastung in den umliegenden Häusern wird nicht Rechnung getragen“, kritisierte er. Sonderzahlungen müssten ausgeweitet werden und Hand in Hand mit besseren Arbeitsbedingungen gehen.
Dem schließt sich die Pflegegewerkschaft Bochumer Bund an. „Alte Fehler dürfen nicht wiederholt werden, indem nur ein Teil der Pflegekräfte von dem Bonus profitiert“, sagte Vorstand Benjamin Jäger. Er warnte zudem vor Unzufriedenheit bei den Altenpflegekräften, die anders als Klinikmitarbeiter keinen zweiten Bonus erhielten.
Nicht nur Tarifabschlüsse bringen Kliniken dazu, eigene Boni zu zahlen
Bundesminister Spahn geht davon aus, dass Beschäftigte an über 1000 Kliniken von der geplanten neuen Einmalzahlung profitieren. Während noch unklar ist, welche Krankenhäuser in NRW dazu gehören, erhalten einige Pflegekräfte vorab Sonderzahlungen aus anderer Hand: Tarifabschlüsse sichern Mitarbeitern etwa der kommunalen und katholischen Kliniken Prämien durch ihre Arbeitgeber. Auch das Uniklinikum Bergmannsheil hat aus Unmut über die bislang ausbleibende Anerkennung durch eine Bundes-Prämie bereits Ende 2020 einen eigenen Bonus an Beschäftigte ausgelobt.
Den gleichen Weg sind die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) gegangen: Mit rund einer Million Euro aus Eigenmitteln sind 2020 Boni an etwa 2100 Mitarbeiter gegangen – auch außerhalb der Pflege. „Die Mitarbeitenden haben einmal mehr Herausragendes geleistet, sind vielfach über sich hinausgewachsen und tun es noch“, sagte KEM-Geschäftsführer Frank Mau. Er überlege auch, wie solche Leistungen über die Pandemie hinaus anerkannt werden könnten.