Düsseldorf. Seit der neue CDU-Chef den Corona-Windschatten der Kanzlerin sucht, rumort es beim Koalitionspartner FDP. Knallt es irgendwann?

Mit Stolz in der Stimme erwähnt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Donnerstag im Landtag, dass er als neuer CDU-Bundesvorsitzender ja nun am Berliner Koalitionsausschuss von Union und SPD teilnehme. Rasch wendet er sich vom Rednerpult aus den FDP-Mitgliedern auf seiner Regierungsbank zu und versichert mit Lachgrübchen im Gesicht: „Mit Euch ist es etwas netter.“

Man glaubt es Laschet sofort. Seit Monaten folgt das politische Theater im Nachgang zu den Corona-Krisengipfeln der Ministerpräsidenten-Konferenz schließlich einer kuriosen Dramaturgie. Die NRW-FDP arbeitet sich an der strengen Kanzlerin ab, beklagt unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe, überzogenen Infektionsschutz, mangelnde Parlamentsbeteiligung und fehlende Lockerungsperspektive. Laschet jedoch, der alle Beschlüsse der Bund-Länder-Runde mittträgt und „eins zu eins“ umzusetzen verspricht, wird von jeglicher Kritik ausgenommen. Mehr noch: Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) und Landtagsfraktionschef Christof Rasche üben sich in Treueschwüren („Die NRW-Koalition arbeitet freundschaftlich zusammen“) bis hin zu Unterwerfungsgesten („Armin, wir machen alles zusammen“).

Laschet wäre der FDP wesentlich lieber als Söder

Dahinter steckt wohl einerseits das Kalkül, dass ein Kanzlerkandidat Laschet im Bundestagswahlkampf der FDP viel Profilierungsraum lassen würde und Wähler ohnehin keinen hausinternen Krach mögen. Außerdem wird der leutselige Regierungschef aus Aachen als menschlich angenehmer und inhaltlich flexibler Verhandlungspartner geschätzt. Ein kantiger Umfragekönig wie CSU-Chef Markus Söder, der die FDP schon länger kühl abtropfen lässt, könnte als Spitzenkandidat der Union dagegen das bürgerliche Lager mutmaßlich so stark für sich mobilisieren, dass den Liberalen die Fünf-Prozent-Todeszone droht.

Seit der jüngsten Lockdown-Verlängerung rumort es jedoch in der NRW-FDP und den ihr zugeneigten Wirtschaftsverbänden. Mancher fragt sich, warum die Liberalen ihren entscheidenden Hebel zur Änderung des Corona-Kurses in Deutschland nicht nutzen: Sie regieren im bevölkerungsreichsten Bundesland an der Seite des neuen CDU-Chefs und potenziellen Kanzlerkandidaten – und das mit nur einer Stimme Mehrheit. Laschet ist auf die Liberalen angewiesen.

Bislang macht sich das allenfalls in kleineren Korrekturen an der Corona-Schutzverordnung bemerkbar. Die FDP-Führung zitiert zwar gern die geschliffene Christian-Lindner-Formulierung von 2017, Schwarz-Gelb in NRW sei „nicht die verlängerte Werkbank der Großen Koalition“, doch genau danach sieht es aktuell aus. Mehrere liberale Landtagsabgeordnete ließen in den vergangenen Tagen ihrem Ärger über die Lockdown-Verlängerungen in sozialen Netzwerken freien Lauf. Selbst Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, ein unaufgeregter Ökonomie-Professor, teilte kritische Einlassungen zu den Beschlüssen. Fraktionschef Rasche kam am Donnerstag nicht umhin, bei aller „Armin“-Verehrung der Unzufriedenheit in den eigenen Reihen mit einer geharnischten Landtagsrede ein Ventil zu geben.

Schul- und Kita-Frust geht vor allem mit der FDP nach Hause

Besonders bitter: Vize-Ministerpräsident Stamp hatte zuletzt einen viel beachteten Mehr-Phasen-Plan zur Rückkehr in eine Normalität mit Corona vorgelegt, der in der Staatskanzlei aber offenbar nur gelocht und abgeheftet wurde. Laschet lobte Stamps Ideenskizze im Landtag demonstrativ als „exzellent“, nannte zugleich jede Vorstellung, man könne in der Pandemie mehrere Schritte vorausplanen, „eine Illusion“.

Obendrein geht aktuell mit Stamp als Familienminister und der FDP-Frau Yvonne Gebauer im undankbaren Bildungsressort der geballte Kita- und Schul-Frust der Bürger fast allein nach Hause. Der jüngste „NRW-Trend“ von Infratest Dimap bescheinigte beiden liberalen Ministern nach fast vier Amtsjahren verheerende Beliebtheitswerte, während sich Laschet über steigende Zustimmung freuen durfte.

Der Ministerpräsident versucht mittlerweile, beim Krisenmanagement im Windschatten der Kanzlerin und des K-Fragen-Konkurrenten Söder zu bleiben. Laschets inhaltlich vertretbare, aber katastrophal kommunizierte Lockdown-Lockerungspolitik vom Frühjahr hängt ihm noch nach. Will er wirklich im März nach der Kanzlerkandidatur greifen, darf er jetzt keine Fehler mehr machen. Den Jungen Liberalen stößt gerade dieses Kalkül sauer auf: „Sollte Laschet nun den Kurs der Bundesregierung mittragen und sich gegen eine Konsenslösung im Land verwehren“, kritisierte der Landeschef des FDP-Nachwuchses, Alexander Steffen, am Freitag schonungslos, „wäre das eine taktisch motivierte Annäherung an die Politik von Markus Söder.“