Essen. Das müsse die Lehre aus der Pandemie sein, betonen die 16 Bundestagsabgeordneten. Von ihrer Partei fordern sie mehr Geschlossenheit.

Mit ihren 16 direkt gewählten Bundestagabgeordneten bildet die Ruhr-SPD in Berlin eine Bastion. Keine andere Partei kann auch nur annähernd so viel politisches Gewicht aus dem Revier im Parlament einbringen. Und: Trotz miserabler Umfragewerte in ihrem Stammland NRW geben sich die SPD-Parlamentarier selbstbewusst. Das sagen die 16 Abgeordneten im Video-Call mit der WAZ…

…zur jüngsten WDR-Umfrage, die die SPD an Rhein und Ruhr bei nur noch 17 Prozent sieht.

Für Michael Groß, den Sprecher der Ruhr-SPD-Gruppe im Bundestag, sind Umfragewerte „Momentaufnahmen“. Ernst nimmt der Marler das Meinungstief für die Sozialdemokraten freilich schon. Er versteht den Trend als „Ansporn, geschlossener unsere SPD-Themen nach vorne zu stellen“. Die SPD müsse zeigen, dass sie schneller und erfolgreicher aus den Problemen und Entwicklungen der Pandemie lerne. Groß: „Wir brauchen einen starken Sozialstaat und für die Zukunft mit höchster Priorität die Fähigkeit, den Gesundheitsschutz der Menschen in Europa durch Europa zeitnah zu gewährleisten.“

…zur Führungsfrage in der NRW-SPD.

Trotz innerparteilicher Kritik haben die Ruhrgebiets-Abgeordneten dem scheidenden NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann lange die Treue gehalten. Schließlich ist er einer von Ihnen, vertritt den Wahlkreis Rhein-Sieg. Jetzt soll Thomas Kutschaty, der Fraktionschef der Landtags-SPD, an die Spitze der NRW-SPD rücken. Für den Parteitag Anfang März ist er nach Hartmanns Rückzugsankündigung bislang einziger Kandidat. Auch hier mahnt Michael Groß betont zur Geschlossenheit: „Kutschaty ist ein Kind des Ruhrgebiets. Er kennt unsere Probleme. Ihn müssen wir unterstützen.“

…zur Corona-Strategie in Bund und Land

Zwei Herzen schlagen hier in der SPD-Brust. In Berlin ist man Teil der Regierungskoalition, steht also hinter der Groko-Politik. Der Blick auf die Corona-Bilanz der schwarz-gelben NRW-Landesregierung fällt naturgemäß kritischer aus. Bärbel Bas, Bundestagsabgeordnete aus Duisburg, fehlt aber hier wie da die Langfrist-Strategie. „Die Ungeduld der Menschen ist verständlich, vor allem, weil es an Perspektiven fehlt, wie es weiter gehen soll“, sagt sie. Den Lockdown bezeichnet Bas zwar als notwendig. Eine Regierung müsse aber ausstrahlen, wohin sie gehen will. Bas: „Das kann ich hier in NRW bei den Themen Kitas und Schulen nicht erkennen.“ Sabine Poschmann (Dortmund) sorgt sich um Betriebe und ihre Mitarbeiter. Auch sie müssten endlich wissen, wie es weitergehe.

… zu den drängendsten Aufgaben nach der Pandemie.

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„Wir werden am Ende der Pandemie nicht ins Bodenlose fallen“, ist sich Ralf Kapschack sicher. Der Sozialstaat habe in der Krise funktioniert, sagt er Wittener und betont, dass sich gerade die SPD den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme auf die Fahne schreiben könne. Besorgt blickt Kapschack auf die Kommunalfinanzen. Die Pandemie verschärfe die finanziellen Probleme der Städte, insbesondere im Ruhrgebiet. René Röspel hofft auf positive Lehren aus der Krise. „Wenn der Pulverdampf der Pandemie eines Tages verraucht sein wird, hoffe ich auf eine breite Diskussion darüber, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen. Das Sozialsystem hat sich bewährt, aber auch viele Lücken offenbart bis hin zur Situation von Obdachlosen und Alleinlebenden“, sagt der Hagener.

…zur Kritik an der geringen Beteiligung der Parlamente an den Corona-Beschlüssen.

Die oft geäußerte Kritik an der fehlenden Einbeziehung des Bundestags in die Corona-Politik teilen die SPD-Abgeordneten nur bedingt. „Die Diskussion über die angeblich mangelnde Beteiligung des Bundestages an den Corona-Beschlüssen halte ich in großen Teilen für populistisch. Der Bundestag ist Teil der Gesetzgebung und Gesetzgeber und nicht Teil der Regierung“, sagt René Röspel. Die Ministerpräsidentenrunde mit der Kanzlerin sei keineswegs ein „Hinterzimmer-Gremium“, betont Bärbel Bas.

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…zur Politik im Krisenmodus.

Michelle Münterfering bringt das Unbehagen ruhrgebietstypisch auf den Punkt: „Politik in Coronazeiten ist wie Pommes ohne Ketchup. Wir brauchen mehr Schranke“, sagt die Hernerin. Der Oberhausener Dirk Vöpel findet es problematisch, wenn Bundestagsausschüsse auf Dauer nur reduziert tagen. Michael Gerdes bedauert, dass er derzeit keine Besuchergruppen aus seinem Wahlkreis Bottrop/Recklinghausen im Bundestag empfangen kann. Einhellig das Urteil über das Verhalten der AfD im Bundestag. „Dass dort Abgeordnete mit durchlöcherten Masken herumlaufen, ist ein Skandal“, sagt der Recklinghäuser Frank Schwabe.

…zu den Chancen der SPD bei der Bundestagswahl im September.

Hier gibt man sich selbstbewusst. „Wir wollen die Union in der Opposition sehen und ein anderes Bündnis auf Bundesebene hinbekommen“, sagt Bärbel Bas. Ralf Kapschack glaubt fest daran, dass die SPD nicht noch einmal eine Große Koalition eingehen wird. Die guten Umfragewerte der Union gingen vor allem aufs Konto der Bundeskanzlerin, die nicht mehr kandidiere.